Wilhelm Hachenberg ist Rollstuhlfahrer. Toiletten, die er benutzen kann, findet er in Euskirchen kaum – obwohl die Stadt das Problem kennt.
„Das ist eine Diskriminierung“Warum es in Euskirchen kaum barrierefreie Toiletten gibt
Öffentliche WC-Anlagen sind in der Euskirchener Innenstadt schon lange Mangelware. Wenn die Blase drückt, kann man sich mit etwas Glück in ein Restaurant oder in eine der wenigen verbliebenen Kneipen retten. Doch Menschen, die im Rollstuhl sitzen, ist selbst diese Möglichkeit oft versperrt, denn barrierefreie Zugänge und WCs, die für sie geeignet sind, fehlen.
Seit der Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 hat sich die Situation im Zentrum noch verschlimmert: Die behindertengerechten Toiletten in den Parkhäusern der Stadtverkehrsgesellschaft SVE in der Spiegelstraße und im Entenpfuhl stehen seither nicht mehr zur Verfügung, wie Wilhelm Hachenberg beklagt.
Hachenberg ist Rollstuhlfahrer, stellvertretender Vorsitzender des städtischen Beirats für Menschen mit Behinderung und Vize im Sozialverband VdK. Außerdem engagiert er sich in einer Reihe von Fachausschüssen des Stadtrates. Wo er kann, setzt er sich für die Belange von Behinderten ein, wobei er diesen Begriff nicht mag: „Ich bin nicht behindert, ich habe nur ein Handicap.“
Toiletten werden erst repariert, wenn auch die Parkhäuser wieder hergerichtet sind
Im Gespräch mit dieser Zeitung verweist er nicht nur auf die Behindertentoiletten, die in den beiden Parkhäusern fehlen, sondern ebenso auf die WC-Anlage auf dem Bahnhofsvorplatz. Auch sie wird von der SVE betrieben – auch sie ist geschlossen, und das seit mehreren Monaten.
An den drei Ausfällen wird sich so schnell nichts ändern. Die Toiletten in der Spiegelstraße und im Entenpfuhl sollen erst wieder hergerichtet werden, wenn die beiden flutgeschädigten Parkhäuser im Ganzen instandgesetzt werden, wie SVE-Geschäftsführer Anno Schichler-Koep auf Anfrage erklärte. Die Fertigstellung sei für das erste Quartal 2023 geplant.
Viele Vandalismus-Schäden am Bahnhof
Wann es am Bahnhof weitergeht, steht in den Sternen. Die WC-Anlage in dem roten Würfel, den die SVE 2008 aufstellen ließ, während die Deutsche Bahn im Bahnhof partout keine Toiletten einrichten wollte, sei in der Vergangenheit immer wieder durch Vandalismus beschädigt worden, berichtet SVE-Prokurist Uwe Brinkmann.
Der jüngste Schadensfall habe sich Mitte des Jahres ereignet, seither sei das Häuschen geschlossen, so Brinkmann. Die Ersatzteile, die man für die Reparatur benötige, seien „im Moment nicht zu erhalten“, ergänzt Geschäftsführer Schichler-Koep, der einräumt, dass die Lage für Menschen mit Behinderung im Stadtzentrum derzeit „sehr schwierig“ sei.
Toilette in Gastronomie ist behindertengerecht – aber nur über eine Treppe zu erreichen
Das bestätigt Dorothee Kroll, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Stadtrat, die ebenfalls einen Rollstuhl benötigt. Sie und Hachenberg sprechen zum einen von einem allgemeinen Mangel an öffentlichen Toiletten in der Innenstadt. Zum anderen lenken sie den Blick auf Anlagen, die für Menschen im Rollstuhl nur schlecht oder gar nicht zu nutzen seien.
Einige Beispiele: In der Fußgängerzone habe vor Kurzem ein Gastronomiebetrieb eröffnet, so Hachenberg, der zwar über ein behindertengerechtes WC verfüge, aber nur über eine Treppe am Eingang erreichbar sei. „Was nutzt mir als Rollstuhlfahrer dann diese Toilette?“, fragt Hachenberg: „In andere Restaurants komme ich rein, sie haben aber keine Toilette, die ich benutzen kann. Das ist eine Diskriminierung.“
„Oft sind die Toiletten in den Restaurants zu schmal“, ergänzt Kroll. Sie erzählt auch vom Gymnasium Marienschule, in deren Aula die Stadt Euskirchen seit der Hochwasserkatastrophe schon mehrfach ihre Ratssitzungen abgehalten hat. Für die Behindertentoilette müssten Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer sich beim Hausmeister einen Schlüssel besorgen, so die Politikerin. „Aber man kriegt alleine die Tür kaum auf, und von innen kann ich die Toilette nicht verriegeln.“
Verwaltung verspricht, zu handeln
Hachenberg sprach die Gesamtproblematik in der jüngsten Sitzung des Beirats für Menschen mit Behinderung an. Der Erste Beigeordnete der Stadt, Alfred Jaax, kündigte an, dass die Verwaltung der Sache nachgehen werde.
Auf Anfrage dieser Zeitung ergänzte der Dezernent: „Auch die Stadt hält eine Verbesserung des Angebots an öffentlichen Toiletten und hier insbesondere an Toiletten für Menschen mit Einschränkungen für notwendig.“ Man habe zwar denkbare Optionen geprüft, sie könnten aber gegebenenfalls „nur ein Zwischenschritt“ sein.
„So muss“, schrieb Jaax weiter, „die generelle barrierefreie Zugänglichkeit gegeben sein, was leider nicht überall gegeben ist.“ Vor diesem Hintergrund werde die Stadtverwaltung – auch in Abstimmung mit der SVE – weitere Möglichkeiten ins Auge fassen und der Politik ein Konzept vorlegen. Die Frage, wie viele Behindertentoiletten in der Innenstadt existieren, beantwortete die Verwaltung nicht.
Wilhelm Hachenberg fordert von der Stadt schnelle Schritte: „Warum soll es in einer Kreisstadt mit 60.000 Einwohnern nicht möglich sein, für eine Übergangszeit in zentraler Lage eine mobile Toilettenanlage aufzustellen? Wir im Beirat wissen, dass so etwas nicht billig ist. Aber in anderen Städten klappt das ja auch.“
Sehr verärgert ist Hachenberg darüber, dass an den Parkhäusern auch eineinhalb Jahre nach der Flut immer noch Schilder hängen, die suggerieren, dass dort Behindertentoiletten verfügbar seien. Die Redaktion sprach SVE-Prokurist Brinkmann auf die irreführenden Hinweise an, die bei Rollstuhlfahrern, so Hachenberg, Frust auslösen. Brinkmann sagte zu, die Schilder entfernen zu lassen.