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Zwei Standorte im KreisFotoausstellung in Euskirchen porträtiert Wut von Frauen

Lesezeit 4 Minuten
Eine Fotoleinwand zeigt eine Frau, die einen großen Stein schmeißt.

Empowerment pur: Rosa Engels Fotografien der wütenden Frauen brechen mit tradierten Erwartungen an das Weibliche.

„Die Wut ist weiblich“ ist der Name einer neuen Fotoausstellung, die ab sofort in Euskirchen stattfindet. Sie soll Frauen eine Stimme geben,

Dass es gelegentlich etwas lauter zugehen kann in den Gemäuern der Kreisverwaltung, kann sich wohl jeder gut vorstellen. Derart wütend-gellende Schreie aber, wie sie am Dienstag im Foyer des Kreishauses zu hören waren, dürften eher selten sein. Schon gar aus weiblichen Kehlen. Passend zur Eröffnung der Fotoausstellung „Die Wut ist weiblich“ hatten etliche Besucherinnen die Gunst der Stunde genutzt, ihrer eigenen Wut Ausdruck zu verleihen: Vor einer Fotobox durfte sich, wer wollte, platzieren und ganz nach Gefühl rauslassen, was hochkochte – manch eine Frau tat dies mit befreiendem Gebrüll.

Die tradierte Erwartung an Frauen ist, Gefühle von Wut unter Kontrolle zu halten. „Auch ich habe irgendwann festgestellt, dass ich meine Wut nicht ausdrücken kann“, erzählte Fotografin Rosa Engel am Rande der Eröffnung. Laut und angriffslustig sein, aufstampfen, brüllen: „Das alles wurde so lange geächtet, bis ich der Meinung war, dass ich so gar nicht sein kann. Dass ich sowas auch nicht fühle.“ Als sie sich umhörte, merkte sie schnell: Sie ist nicht die einzige Frau, deren Wut abhandengekommen ist.

Rosa Engel, Kreis-Gleichstellungsbeauftragte Astrid Günther und Frauenseelsorgerin Ida Prinz-Hochgürtel bei der Eröffnung der Ausstellung.

Rosa Engel (l.) lockte im Fotoprojekt sämtliche Facetten weiblicher Wut aus ihren Modellen heraus.

Über Social Media rief Rosa Engel Frauen dazu auf, sich gemeinsam mit ihr und ihrer Kamera auf die Suche zu machen. Einfach sei das nicht gewesen, Wut sei Frauen oft fremd. „Manche stellten fest, dass hinter der Trauer, die sie spüren, eigentlich unterdrückte Wut steckt“, so Engel, die zum Teil in Rollenspielen mit ihren Protagonistinnen das verborgene Gefühl freilegte. Und das mit großem Erfolg: Auf den großformatigen Fotografien, die im Kreishaus und ab Sonntag auch in der Mechernicher Pfarrkirche St. Johann Baptist zu sehen sind, springt einen die weibliche Wut regelrecht an. Expressiv, geballt und authentisch.

„Diese Ausstellung will zeigen, welche Kraft und Energie in weiblicher Wut steckt. Sie lädt dazu ein, aufzubegehren, laut zu werden, die Wut zu zeigen, zu nutzen, sie nicht zu verstecken“, sagte Kreis-Gleichstellungsbeauftragte Astrid Günther. Sie, ihre Vertreterinnen Andrea Detampel und Leonie Stadler sowie Frauenseelsorgerin Ida Prinz-Hochgürtel hätten sich im Vorfeld der Ausstellung viele Gedanken zum Thema „Wut“ gemacht, und es sei deutlich geworden: Jede habe Wut im Bauch, spezielle weibliche Wut. „Jede hat Erinnerungen an Situationen, wo sie verletzt, verärgert und angegriffen wurde, weil sie Frau ist. Jede kennt die Erfahrung von Grenzverletzungen und verbalen oder körperlichen Übergriffen. Jede!“

Fotoausstellung „Die Wut ist weiblich“: Musikalischer Rahmen aus der Ukraine

Die 14-jährige Renata aus der Ukraine sorgte bei der Eröffnung am Piano für den passenden musikalischen Rahmen. Und die Frauen vom Taekwondo-Club Schleiden gaben eine eindrucksvolle Kostprobe weiblicher Kampfeslust. Die Organisatorinnen bereicherten die Vernissage mit kleinen Alltagsanekdoten, die alle Anlass für eine wütende Reaktion gewesen wären: Vom Mofa-Reparaturkurs, der nur für Jungs angeboten wurde, und von dem Installateur, der die Heizungsanlage nur dem Gatten erklären wollte. Oder von der Verkäuferin, die zum Vater sagt, er solle seiner Frau bitte ausrichten, sie müsse die für die Tochter gekaufte Bluse noch durchwaschen.

Auch ein anderes, bei Frauen dominierendes Thema bekam Rosa Engel bei jedem ihrer Shootings zu spüren: Wut verzerrt die Gesichtszüge, lässt alles Liebliche entgleisen, macht nach gängigem Maßstab hässlich. Das bekamen auch jene zu spüren, die sich vor die Fotobox stellten. „Mut zur Hässlichkeit“ gehörte unbedingt dazu, um das ausgedruckte Foto anschließend an die Leine zu hängen, die mitten durch die ausgestellten Fotografien gespannt wurde.

Veranstalterin Rosa Engel: Fotoprojekt soll Frauen an die Hand nehmen

Eine kleine Geste, die bei manch einer der Ausstellungsbesucherinnen jedoch ein großes Gefühl von Widerstand und Stärke heraufbeschwor. Den „gordischen Knoten aus Regeln und Ängsten zerschlagen“ und sie befreien, die Wut: Die 48-jährige Aachenerin Rosa Engel nimmt mit ihrem Fotoprojekt Frauen an die Hand und führt sie zu einem bewussteren Umgang mit diesem Gefühl, das doch jede in sich trägt.

Sie will Frauen dabei helfen, die Wut als Kraftpaket und Turboantrieb für Veränderung zu begreifen. Kurzum: als eine emotionale Reaktion, die es gut mit einem meint. „Frauen ihre Wut zurückzugeben, ist ein wichtiger Schritt hin zu einer gleichberechtigten Welt“, schreibt die Künstlerin im Vorwort ihres Buches zu dem beeindruckenden Fotoprojekt, dem es gelingt, weibliche Wut vom Stigma der Hässlichkeit und Scham zu befreien.


An zwei Orten

Die großformatigen Bilder der Reihe „Die Wut ist weiblich“ sind bis zum 4. Mai an zwei Orten zu sehen: im Foyer des Kreishauses Euskirchen, Jülicher Ring 32, (Mo. bis Do. von 8.30-15.30 Uhr/Fr. 8.30-12.30 Uhr) und in der Mechernicher Kirche St. Johann Baptist, Turmhofstraße 55, ab Sonntag, 23. April, 11.45 Uhr (tägl. von 9-17 Uhr, außer während der Gottesdienste).