Nach dem Urteil im Verfahren um das Euskirchener Krankenhaus ist noch offen, wann die drei Angeklagten ins Gefängnis müssen – und ob überhaupt.
RevisionDer Prozess um das Marien-Hospital Euskirchen geht in die nächste Runde

Um mehrere Millionen Euro ist die Stiftung Marien-Hospital, die das Euskirchener Krankenhaus betreibt, geschädigt worden.
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Die 18. Große Strafkammer am Landgericht Bonn hat das Urteil am 10. April gesprochen. Doch das Verfahren um die verschwundenen mehr als fünf Millionen Euro bei der Stiftung Marien-Hospital ist damit noch nicht beendet. Der ehemalige Geschäftsführer der Stiftung ist zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden, der frühere technische Leiter der Stiftung zu zwei Jahren und neun Monaten und ein mitangeklagter Bauunternehmer zu drei Jahren und zehn Monaten.
Der Ex-Klinikmanager hat sich nach Überzeugung des Gerichts im Zusammenhang mit Bauvorhaben der Stiftung und der Marien-Hospital GmbH in mehreren Fällen der Untreue und der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr schuldig gemacht, jeweils im besonders schweren Fall.
Sein ehemaliger Mitarbeiter wurde wegen Untreue in Tateinheit mit Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr verurteilt, der Unternehmer wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr sowie Beihilfe zu Untreue und Steuerhinterziehung.
Zurzeit befinden sich alle drei auf freiem Fuß. Denn es gibt noch einiges zu klären. Hier die wichtigsten Fragen:
Staatsanwalt: Für Angeklagte gilt weiterhin die Unschuldsvermutung
Wann müssen die Angeklagten ins Gefängnis? Das weiß zurzeit niemand. Es steht auch noch nicht fest, dass sie überhaupt in Haft müssen. Wie Gerlind Keller, Pressesprecherin des Landgerichts Bonn mitteilte, haben sowohl die Staatsanwaltschaft Bonn als auch alle drei Beschuldigten Revision beantragt – fristgerecht bis eine Woche nach dem Urteil, also bis Gründonnerstag, 23.59 Uhr.
So lange darüber noch nicht entschieden ist, befinden sich die Angeklagten in Freiheit. „Sie gelten zurzeit auch nicht als rechtskräftig verurteilt, unter anderem mit der Folge, dass weiterhin die Unschuldsvermutung gilt“, erläutert Staatsanwalt Dr. Sebastian Buß, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Bonn.

Die drei Angeklagten, hier mit ihren Verteidigern vor der Urteilsverkündung, haben Revision beantragt.
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Wie geht es jetzt weiter? Alle Beteiligten warten nun auf die schriftliche Urteilsbegründung der Kammer. Sobald diese bei den Parteien eingegangen ist, haben die Beteiligten einen Monat Zeit, ihren Revisionsantrag schriftlich zu begründen.
Da der mehr als fünfmonatige Prozess sehr aufwendig war und weit über 20 Verhandlungstage umfasste, könnte die Fertigstellung der schriftlichen Urteilsbegründung einige Wochen in Anspruch nehmen, wie die Gerichtspressestelle am Mittwoch mitteilte.
Wo wird über die Revision entschieden? Beim Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Wenn die Parteien ihre Begründungen für ihren jeweiligen Revisionsantrag abgegeben haben, geht die Begründung der Staatsanwaltschaft Bonn zunächst an die Generalstaatsanwaltschaft in Köln. „Diese prüft, ob sie der Revision der Staatsanwaltschaft beitritt, und leitet die Akten dann an den Generalbundesanwalt in Karlsruhe weiter“, erklärt Buß.
Die Staatsanwaltschaft Bonn ist zu diesem Zeitpunkt raus aus dem Verfahren. Beim BGH vertritt im Verfahren der Generalbundesanwalt die Anklägerseite, die Angeklagten deren Verteidigung.
Marien-Hospital Euskirchen: Muss Prozess neu aufgerollt werden?
Worüber wird beim BGH entschieden? Der BGH prüft lediglich, aber umfassend, ob das Urteil auf einer Verletzung des formellen oder materiellen Rechts beruht. Es findet keine Beweisaufnahme statt. Die jeweiligen Revisionen können auch zurückgewiesen werden. Dann würde das in Bonn am 10. April gesprochene Urteil Rechtskraft erlangen – im Einzelfall oder für alle Angeklagten.
Und wenn das nicht der Fall sein wird? Dann stellt sich eine Vielzahl von Fragen, mit denen sich der zuständige Senat beim BGH befassen könnte. Zum Beispiel damit, ob ein Richter befangen ist. Dazu gibt es in dem Verfahren um das Marien-Hospital aber keinerlei Hinweise.
Die Verteidiger des früheren technischen Leiters und die des Bauunternehmers etwa hatten direkt nach der mündlichen Urteilsbegründung das Verfahren als fair bezeichnet. Wahrscheinlicher ist die Befassung mit einer sogenannten Aufklärungsrüge, die im Raume steht, wenn das Gericht den vorgeworfenen Sachverhalt nicht umfassend unter Erschöpfung aller Beweismittel aufgeklärt hat.

Die Staatsanwälte Pascal Regh und Jonas Stallkamp vor der Urteilsverkündung.
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Eine Frage könnte lauten: Wurden die Aussagen der Zeugen richtig gewertet? Der Senat könnte auch eine Teilrechtskraft aussprechen, also zum Beispiel in 12 der anfangs 13 Anklagepunkte, aber etwa einzelne oder auch mehrere Anklagepunkte zurückverweisen nach Bonn.
Was würde dann dort passieren? Je nachdem, wie der Bundesgerichtshof entscheidet, könnte das ganze Verfahren neu aufgerollt werden. Der BGH könnte aber auch beschließen, dass lediglich der oder die Anklagepunkte behandelt werden, bei denen der Senat Rechtsfehler ausgemacht hätte.
In beiden Fällen ist die Staatsanwaltschaft Bonn wieder Verfahrensbeteiligte; die Richter und Schöffen würden aber andere sein als im ursprünglichen Prozess.
Das Revisionsverfahren kann sehr lange dauern
Kommt diese Kammer in Bonn zu einem anderen Ergebnis als ihre Vorgängerin, könnte sich auch das Strafmaß für die Angeklagten ändern. Für den früheren technischen Leiter und den Bauunternehmer hatten deren Anwälte Bewährungsstrafen gefordert.
Die Verteidigung des früheren Geschäftsführers hatte auf eine Freiheitsstrafe unter vier Jahren plädiert. Die Staatsanwaltschaft forderte hingegen höhere Haftstrafen, als sie das Gericht letztlich ausgesprochen hatte: acht Jahre (Ex-Klinikchef), sieben Jahre (Bauunternehmer) und sechs Jahre (ehemaliger technischer Leiter).
Ist das dann die endgültige Entscheidung? Nur dann, wenn dagegen keine erneute Revision einlegt wird, beziehungsweise der BGH eine erneute Revision zurückweist. Ansonsten könnte es eine erneute Zurückverweisung ans Landgericht geben.
Wie lange kann ein Revisionsverfahren dauern? Ziemlich lange. Unter Umständen sechs Monate bis zwei Jahre. Es kommt auf die Komplexität des Verfahrens und die Auslastung des Gerichts an.
Was geschieht, wenn es bei Haftstrafen bleibt? Dann erhalten die betroffenen Verurteilten von der Staatsanwaltschaft eine schriftliche Aufforderung zum Strafantritt, also die Mitteilung, wann sie sich bei welcher Justizvollzugsanstalt (JVA) einzufinden haben.
Wer entscheidet über einen möglichen offenen Vollzug? Die Leitung der jeweiligen JVA.
Was sagt der Verwaltungsrat der Stiftung Marien-Hospital? Zum derzeitigen Zeitpunkt noch nichts. Man wolle zunächst abwarten, bis ein rechtskräftiges Urteil vorliege.