Mit Federboa und Hosenträgern: Der Sängerkreis Euskirchen widmete sich im Casino in Euskirchen der Musik der 1920er Jahre.
Goldene ZwanzigerSängerkreis Euskirchen nahm Publikum mit auf eine musikalische Zeitreise
Immer wieder traten Mitglieder des Sängerkreises Euskirchen auf den fremden Mann im weißen Anzug zu und fragten sich, wer sich so kurz vor Konzertbeginn in den Backstage-Bereich des Casinos geschlichen hatte. Dabei erkannten sie oft erst auf den zweiten Blick, dass sich ihr musikalischer Leiter Manfred Schümer an diesem Abend zum Thema passend gekleidet hatte und mit diesem Aufzug zunächst für Verwirrung, gleich darauf jedoch für lobende Worte sorgte.
„Vor 15 Jahren habe ich diesen Anzug das letzte Mal getragen, und ich bin sehr froh, dass ich heute wieder hineinpasse“, scherzte der Organist. Nach rund einem Jahr war der Sängerkreis am Sonntagabend in sein musikalisches Wohnzimmer zurückgekehrt und wurde dort von einer großen Fangemeinde sehnlichst erwartet. Nicht nur die Sitzreihen direkt vor der Bühne, sondern auch die Stehtische im Hintergrund waren bereits lange vor Konzertbeginn gefüllt, und alle fieberten gebannt dem Beginn des Auftritts entgegen.
„Die goldenen 20er Jahre“ lautete das Thema des Abends, das die Sängerinnen und Sänger nicht nur mit ihrer Kleidung, sondern auch mit ihrem musikalischen Repertoire widerspiegelten. Mit Klassikern wie „Veronika, der Lenz ist da“ und „Ich brech' die Herzen der stolzesten Frau'n“ präsentierten sie eine bunte Mischung deutscher Schlager aus dem Beginn des letzten Jahrhunderts, farbenfrohe Federboa und Hosenträger inklusive.
„Viele Stücke am heutigen Abend, so fröhlich sie auf den ersten Blick auch erscheinen mögen, behandeln sehr zum Nachdenken anregende Texte“, erklärte der musikalische Leiter. „Der Erste Weltkrieg lag noch nicht lange zurück und beschäftigte die Menschen auch in ihren Liedern.“ Obwohl seit dem Ersten Weltkrieg mittlerweile mehr als ein Jahrhundert vergangen ist, ließen sich die Texte zu großen Teilen auch auf die heutige Zeit übertragen, berichtete Solistin Daniela Bosenius.
Klassiker wie „Veronika, der Lenz ist da“ und „Ich brech' die Herzen der stolzesten Frau'n“ vorgetragen
„Leider haben Kurt Tucholskys Texte die vergangenen 100 Jahre überstanden.“ Damit drückte die Sängerin jedoch nicht ihr Bedauern über die Verfügbarkeit der Werke des Schriftstellers aus, sondern über die Präzision, mit der sich Tucholskys Themen auf aktuelle Begebenheiten übertragen ließen. „Man muss gar nicht weit in die Ferne schauen, um erschreckende Parallelen zu entdecken. Politisches Kabarett ist nicht ohne Grund derzeit weniger beliebt, weil sich die Menschen nicht auch noch in ihrer Freizeit mit den Krisen der Welt auseinandersetzen möchten.“
Damals wie heute bietet die Musik eine willkommene Abwechslung zu den belastenden Themen des Alltags, die auch am Sonntagabend vom Publikum im Casino mit Begeisterung wahrgenommen wurde. Herzlich lachend hingen sie bei Titeln wie „Ausgerechnet Bananen“ nostalgischen Gedanken nach und bejubelten die kleinen Requisiten, mit denen Daniela Bosenius Lieder wie „Mein Papagei frisst keine harten Eier“ zu neuem Leben erweckte – ganz zur Freude der vielseitigen Solistin.
„Trotz oder vielleicht auch wegen aller Widrigkeiten haben die Menschen gerne gelacht, und es ist schön, wenn wir das auch heute Abend tun können“, so Bosenius.