Steingärten im StadtgebietPolitik und Verwaltung wollen Anreize statt Verbote
Schleiden – Als kalt, leblos und steril werden sie von den einen empfunden, als modern, stilvoll und pflegeleicht von den anderen. Das Thema Steingärten polarisiert. Im Zuge der aktuellen Klimadebatte wird das Für und Wider viel diskutiert. Für die puristische Gartengestaltung herrscht bei den Verfechtern naturnaher und insektenfreundlicher Oasen wenig Verständnis. In den Sozialen Medien widmen sich gar speziell dafür eingerichtete Gruppen dem fotografischen Anprangern der häufig als Steinwüsten oder Schotterpisten verschrieenen Vorgärten.
Das Thema hat nun auch in der selbst ernannten Nationalpark-Hauptstadt Schleiden den Weg auf die Tagesordnung des Stadtentwicklungsausschusses gefunden. In der jüngsten Sitzung sollte nun eine von der Verwaltung entworfene Satzung über die Gestaltung privater Gärten verabschiedet werden, um diese in Richtung Naturschutz zu lenken. Wenn Vorgärten neu angelegt werden, sollen demnach nur 20 Prozent der Flächen mit Kies, Schotter oder Ähnlichem belegt werden. Doch wie zu erwarten bot die Diskussion reichlich Zündstoff.
Artensterben und die Identität der Orte
Die zunehmende Versiegelung, die Anlage von sterilen Schotterflächen in den Vorgärten sowie die Verwendung von nicht einheimischen Pflanzen und Gehölzen beschleunige auch hier das Artensterben, heißt es in der Vorlage. Insbesondere Insekten werde durch derart gestaltete Gärten „jegliche Grundlage ihres Lebensraums“ entzogen.
Doch nicht nur das. Unter den zunehmend einheitlich gehaltenen Vorgärten leide auch Eigenart und Identität der Orte im Stadtgebiet. Aspekte, die schwerlich mit dem Erscheinungsbild des als Nationalpark-Hauptstadt betitelten Schleidens übereinzubringen seien, wie Bürgermeister Ingo Pfennings darlegte.
Der Rathaus-Parkplatz
Kein Widerspruch sei der neue Parkplatz am Rathaus zum Plan eines Erlasses zur naturnahen Gartengestaltung, wie der Beigeordnete Marcel Wolter auf Nachfrage mitteilte.
2018 wurde dieser mit Pflastersteinen neu gestaltet. Mit dem Schotterbelag, der zuvor aufgetragen worden war, habe es bei Starkregen Probleme mit dem Abfließen des Wassers auf die B258 gegeben.
Notgedrungen habe man daher nach einem Ratsbeschluss die Fläche versiegelt, um die Entwässerung zu gewährleisten. Einige Beete mit Bodendeckern und Bäumen seien ebenso vorhanden wie ein Mitarbeiterparkplatz mit Rasenpflaster.
Vorzugsweise lege die Stadt Flächen, etwa Wanderparkplätze, offenporig an, so Wolter. (hab)
„Ein gut gemeinter Antrag“, befand CDU-Mann Wolfgang Laukart. In Mischgebieten, wo auch Gewerbetreibende ansässig seien, sehe er dieses Ansinnen jedoch als problematisch an, da man Gewerbetreibenden nicht vorschreiben könne, wie sie ihre Vorgärten oder Fassaden zu gestalten hätten. Er plädierte daher für eine freiwillige Einhaltung der angestrebten Vorgaben. Anders sah das Parteikollegin Franziska Wawer. Sie begrüße den Vorschlag, da jeder dazu beitragen solle, dass Umwelt und Natur erhalten bleiben. Gepflasterte Flächen, die als Parkplätze vor den Häusern dienten, bildeten ohnehin eine Ausnahme.
Die Meinungen gehen weit auseinander
Grundsätzlich müsse man sich auf den Klimawandel und das Artensterben einstellen und Maßnahmen ergreifen, äußerte sich Rolf Hörnchen, Fraktionsvorsitzender der FDP: „Wenn ich ein Signal setzen möchte, müssen wir die Menschen mitnehmen, die sich noch nicht so mit dem Thema befasst haben.“ Er schlug vor, auf Anreize statt Verbote zu setzen.
Kritik kam aus den Reihen der Sozialdemokraten. Patrick Schöneborn, stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender, monierte, dass durch solch einen Erlass die Möglichkeit fehle, notwendige Parkplätze anzulegen. Ebenso stellte er die Frage in den Raum, wie denn beispielsweise mit Senioren zu verfahren sei, die eventuell einen begrünten Vorgarten aus gesundheitlichen Gründen gar nicht mehr pflegen könnten. Eine solche Vorgabe müsse in ein Gesamtkonzept zum Klimaschutz miteinfließen. „Ich glaube, wir verprellen viele Bürger, wenn wir hier mit Verboten arbeiten“, äußerte er seine Bedenken.
Nun soll ein Konzept erarbeitet werden
Es handele sich um eine Vorgabe, stimmte Pfennings dem SPD-Mann zu, fügte jedoch hinzu, dass Gestaltungssatzungen in Neubaugebieten vorgäben, wie etwa das Dach oder die Fassade aussehen dürften. Pfennings: „Im Endeffekt ist das genau das Selbe.“ In Kommunen wie Zülpich funktioniere eine solche Satzung bereits gut, berichtete er: „Wir gehen damit hausieren, dass wir das Motto Nationalpark-Hauptstadt auch leben wollen.“ Es sei nicht so, dass Parkplätze oder Wege nicht erlaubt seien. Ebenfalls bestehe ein Bestandsschutz für bereits angelegte Gärten. Sozial verträglich solle der Erlass zusätzlich sein. „Es ist eine baurechtliche Vorgabe wie alle anderen auch. Ich weiß nicht, warum das für die Bürger unzumutbar sein soll“, sagte Petra Freche (Grüne).
Die „Stoßrichtung“ sei richtig, ergänzte Rolf Hörnchen. Er schlug vor, die Verwaltung zu beauftragen, ein Konzept zu erarbeiten, um Anreize für die Pflanzung heimischer Gehölze zu schaffen und der „Verschotterung“ entgegenzuwirken.
Die Politiker lehnten die geplante Satzungsänderung mehrheitlich ab und befürworteten stattdessen den Antrag der FDP, ein Konzept in Auftrag zu geben.