Tonmitschnitt abgespieltVerwirrt und „wie ein Zombie“ den Tatort verlassen
Bonn/Weilerswist – Im Saal hätte man eine Stecknadel fallen hören, derart still war es, als Klaus Reinhoff die Aufnahme abspielte. Vorher hatte der Vorsitzende Richter die Zuhörer im Bonner Landgericht gewarnt: „Was Sie jetzt hören, ist nur schwer zu ertragen.“
„Kommen Sie schnell, mein Sohn bringt meinen Mann um!“
In dem Tonmitschnitt ist der Notruf zu hören, mit dem Helene M. (62) am 30. April um 20.09 Uhr die Polizei alarmierte. „Kommen Sie schnell, mein Sohn bringt meinen Mann um!“ Just in diesem Moment muss der Sohn auch sie attackiert haben. „Nein!“, schrie sie, und rief immer wieder den Namen des 30-Jährigen. „Hör doch bitte auf!“ Ihr Kreischen wurde heftiger, in dem Mitschnitt derweil immer leiser – offenbar, weil sie sich vom Telefon entfernte. „Bitte, bitte!“ waren ihre letzten Worte.
Verehrer der Asengötter
In einem Brief an seinen Bruder schildert Werner M. auf
abstruse Art das Geschehen am Tattag aus seiner Sicht. Seine Eltern hätten ihn im Haus festhalten wollen, die Mutter habe ihm angedroht, dass sein Vater mit der Peitsche zu ihm komme. Um dies zu verhindern, sei er mit dem Messer auf ihn gesprungen und habe zugestochen.
Seine Mutter habe darauf mit „Hexengeschwafel“ reagiert und sei zum Telefon gelaufen. Er habe weiter auf seinen Vater eingestochen, sei dann seiner Mutter gefolgt und habe auch auf sie eingestochen. Sie habe gelacht und geschrien. Und sie habe dabei „ein Hexengesicht“ gehabt, „wie man es aus Filmen kennt“. Sie habe wohl gedacht, sie sei unsterblich „durch diese Magie“. Er habe sie liegen gelassen, das Messer gewaschen und sei in sein Zimmer gegangen. „Dann kam die Polizei.“
Er selber glaube an „Vater Odin“ und „alle Asengötter“. Dies habe ihm immer geholfen, „komische Gefühle zu übertrumpfen“. Er schließt den Brief mit „In Liebe, dein Bruder“. (ejb)
Werner M. (Name geändert), der in Weilerswist mit im Haus seiner Eltern lebte, hatte seine Mutter mit 30 Messerstichen umgebracht. Kurz zuvor war er auf seinen Vater (61) losgegangen. Auch ihn metzelte er mit 30 Stichen nieder.
Bruder und Polizisten sagen aus
Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, seine Eltern aus niedrigen Beweggründen ermordet zu haben. Zum Auftakt des Prozesses hatte der 30-Jährige gestanden, Vater und Mutter getötet zu haben. Er ließ seinen Verteidiger Bernhard Scholz eine entsprechende Erklärung vortragen. Jetzt hörte die 4. Große Strafkammer unter anderem den Bruder (35) des Angeklagten sowie Polizeibeamte, die in Weilerswist im Einsatz gewesen waren.
Brief vorgelesen
Richter Reinhoff verlas auch einen Brief, den Werner M. aus der Untersuchungshaft an den Bruder geschrieben hatte. Darin behauptet er, seine Eltern seien Anhänger der schwarzen Magie gewesen und hätten ihm mit der Peitsche gedroht. Er selbst verehre nordische Gottheiten und habe sich schließlich mit dem Messer gegen Vater und Mutter zur Wehr gesetzt.
Zu Beginn der Prozesstages hatten M.s Bruder und dessen Lebensgefährtin (27) den Angeklagten so beschrieben, wie er es selbst in der vergangenen Woche getan hatte: Er war die meiste Zeit ohne Arbeit, verbrachte den Großteil des Tages mit dem Konsum von Alkohol und Drogen und mit Nichtstun.
Mutter kritisierte ihren Sohn häufig
Vor allem die Mutter habe ihn deshalb häufig kritisiert. Der Vater dagegen sei ihm gegenüber eher milde gestimmt gewesen, habe ihm sogar oft Geld zugesteckt. Werner M. aber, so sein Bruder, „gab unseren Eltern pampige Antworten und legte auch sonst ein dreistes Verhalten an den Tag“. Er habe sich von ihnen nichts sagen lassen, „obwohl er auf ihre Kosten lebte“.
Dass seine Eltern etwas mit Hexenmagie zu tun gehabt haben könnten, bestritt er. Seine Verlobte beschrieb den trunksüchtigen Drogenkonsumenten als Einzelgänger, der seine Eltern, obwohl sie herzensgute Menschen gewesen seien, „sehr respektlos“ behandelt habe.
Passatin hörte Schreie
Am Abend des 30. April hörte eine Passantin Schreie, die aus dem Haus drangen. Sie sah auch einen Mann und eine Frau, die um ein Mobiltelefon rangelten – offenbar Werner M. und seine Mutter – und rief die Rettungsleitstelle an, die sie später mit der Polizei verband.
So begann ein Einsatz, bei dem die Beamten anfangs nicht ahnten, dass sie es mit einem Tötungsdelikt zu tun hatten. Ein Polizeioberkommissar berichtete, dass eine Kollegin und er, als niemand öffnete, durch einen Wintergarten in das Haus gelangt seien. Im Flur habe eine regungslose Person gelegen.
Blutverschmierte Hände
Er habe für den Rettungsdienst die Haustür geöffnet und sei dann mit der Kollegin ins Obergeschoss gegangen, wo sie eine Stimme hörten. Werner M. saß mit blutverschmierten Händen in seinem Zimmer. Er weigerte sich, sich hinzulegen, sodass die Beamten schließlich Pfefferspray einsetzten. M. wehrte sich aber derart geschickt, dass die beiden es nicht schafften, ihn zu fixieren und zu fesseln.
Festnahme widersetzt
Der 30-Jährige ging zwar mit vor die Haustür, aber auch dort widersetzte er sich der Festnahme. Pfefferspray blieb erneut wirkungslos. „Was willst du? Das ist doch nur Wasser“, habe M. gesagt. In dem Wissen, dass Verstärkung nahte, begleitete das Duo ihn, als er sich in Richtung Kölner Straße bewegte. Tatsächlich schafften es vier Beamte, M. festzunehmen, nachdem sie unter anderem einen Schlagstock eingesetzt hatten.
„Wie ein Zombie“
Vorher sei er „wie ein Zombie“ gegangen, mechanisch, ruhig, mit nach vorne gestreckten Armen, so die Schilderung der Einsatzkräfte. Sie beschrieben ihn darüber hinaus als verwirrt, verstört, „wie weggetreten“.
Die Polizeibeamtin ging nach der Festnahme zurück ins Haus und stand kurz darauf „kreidebleich“ an der Tür, so einer ihrer Kollegen. Im Obergeschoss hatte sie M.s Vater entdeckt – tot wie seine Ehefrau, die im Flur lag, und furchtbar zugerichtet.