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Versuch auf Schevener AckerSchutz gegen Hochwasser durch die Pflanze Silphie

Lesezeit 5 Minuten

Hartwig Kaven von der Unteren Wasserbehörde (l.) und Schevens Ortsvorsteher Hans Reiff (r.) besichtigten das Versuchsfeld von Andreas Schäfer.

Euskirchen – Die Bilder der Überschwemmungen, als sich im vergangenen Sommer nach heftigen Regenfällen schlammig-braune Sturzbäche über Straßen und in Häuser ergossen, sind noch sehr präsent. In Kommern etwa fielen in nur einer Stunde 85 Liter pro Quadratmeter vom Himmel – ein bis dahin noch nicht gemessener Wert, weshalb die Bezirksregierung in Köln gar von einem Jahrtausend-Hochwasser sprach. Die Gemeinde Kall wurde im Mai hart getroffen – Scheven gleich zweimal binnen weniger Tage.

Dort und in Wallenthal wurde von Maisfeldern rote Erde in die Orte geschwemmt – möglich wurde dies, weil die jungen Maispflänzchen noch keine starken Wurzeln gebildet hatten. Der Schlamm sei das größte Problem gewesen, sagt Schevens Ortsvorsteher Hans Reiff.

Seit den Überschwemmungen steht er in engem Kontakt mit Hartwig Kaven von der Unteren Wasserbehörde des Kreises Euskirchen. Und ein Schevener Landwirt machte sich auf die Suche nach einer Pflanze, die vielleicht Schutz vor derartigen Erosionen bieten kann. Er stieß auf die Durchwachsene Silphie.

Silphie als Bestandteil einer Dissertation

In Verbindung mit Reiff und der Unteren Wasserbehörde wurde die Anregung des Landwirts aufgegriffen. So setzte man sich mit der Landwirtschaftskammer in Verbindung. Im Zuge der Gespräche fiel die Aufmerksamkeit auf den 27-jährigen Andreas Schäfer aus Gehn. Die Silphie ist zentraler Bestandteil seiner Dissertation, an der er derzeit arbeitet.

In einem vom Bundes-Landwirtschaftsministerium unterstützten Forschungsprojekt am Institut für Landtechnik in Bonn, Abteilung Systemtechnik in der Pflanzenproduktion, hat er unter anderem ein Versuchsfeld am Monzenbend in Kommern angelegt. Auf dem Areal, das ihm ein befreundeter Landwirt zur Verfügung gestellt hat, baute er erstmals 2013 die in Deutschland noch recht unbekannte Silphie an. Schäfer: „Die Silphie ist eine Wildpflanze aus Nordamerika, kann unter unseren geografischen und klimatischen Gegebenheiten angebaut werden und ist nicht genmanipuliert.“

Aussaatversuche in Gewächshaus der Uni Bonn

In einem Gewächshaus an der Uni in Bonn und auf dem Acker in Kommern führt Schäfer Aussaatversuche durch. Schäfer: „In Kommern habe ich die praxisübliche Aussaattechnik so modifiziert, dass keine Spezialmaschinen nötig sind.“

Da die Silphie im ersten Jahr noch keine großen Wurzeln bildet, soll sie zunächst zusammen mit Mais ausgesät werden, so Kaven. „Vorteil der Silphie ist, dass ab dem zweiten Jahr kein Pflanzenschutz mehr eingesetzt werden muss“, erklärt Schäfer: „Die Pflanzen entwickeln sich dann so schnell, dass das Unkraut von der Silphie überwachsen und so unterdrückt wird.“

Nach der Ernte bleibt ein Stoppelfeld zurück, auf dem im kommenden Jahr die Silphie von alleine wieder wächst. Mindestens zehn Jahre kommt die Pflanze nach dem Winter wieder, durch die kräftigen Wurzeln ist auch im Frühjahr ein Erosionsschutz gegeben. Dies ist ein entscheidender Unterschied zum einjährigen Mais, der gerade als junges Pflänzchen Starkregen und Sturzbächen nichts entgegenzusetzen hat.

Testlauf auf Acker in Scheven

Kreis und Landwirtschaftskammer hoffen nun, dass die Durchwachsene Silphie auf einer Breite von mindestens zehn Metern an Hängen von Maisfeldern angepflanzt wird, um die Erosion des Bodens bei starken Regenfällen zu verhindern oder zumindest stark zu mindern. Es hat sich bereits ein Landwirt dazu bereit erklärt, im kommenden Jahr auf einem Acker bei Scheven einen Testlauf zu starten. Untere Wasserbehörde und Kammer wünschen sich, dass sich andere Landwirte aus der Region anschließen.

Kaven formuliert das Ziel: „Wir wollen jetzt den Landwirten eine Alternative aufzeigen, die Erosionsschutz bietet und bei der auch die Pflanze noch genutzt werden kann.“ Denn: Die Durchwachsene Silphie, die ein wenig der Sonnenblume ähnelt, kann als Futter- und Silagepflanze genutzt werden. Silphie zeichnet sich ähnlich dem Mais durch eine hohe Biomasse aus. Deshalb kann sie gut zur Herstellung von Biogas verwendet werden.

Silphie dient auch den Bienen

Auch der Anbau ist inzwischen einfacher. Vor Jahren wurde davon abgeraten, die Pflanze auszusäen. Stattdessen sollten vorkultivierte Jungpflanzen in die Erde gebracht werden. „Die Aussaat ist mittlerweile möglich“, erklärt Andreas Schäfer: „Deswegen ja auch meine Arbeit.“ Mittlerweile wird, auch aufgrund von Schäfers Ergebnissen, die Silphie von Bauern ausgesät. „Wir und die Landwirtschaftskammer wollen den Versuch auf einer Fläche starten, wo das Feld in Gewässer übergeht“, so Hartwig Kaven. Die Pflanzen sollen das Sediment bei Starkregen zurückhalten. „Wir wollen zeigen: Es geht doch. Der Boden der Landwirte wird nicht weggeschwemmt und der Bauer kann an dem Anbau auch verdienen.“

Die gelb blühende Pflanze ist nicht nur für den Menschen hübsch anzuschauen. Laut Kaven gefällt sie auch den Bienen gut: „Bienen können daran von Juni bis September weiden. Das ist die Zeit, in der Honigbienen nicht mehr allzu viel Nektar finden.“

Hans Reiff freut sich auf das Experiment im kommenden Jahr. Er erhofft sich neben verbessertem Hochwasserschutz, dass ein Silphie-Streifen Bienen und anderen Insekten dient und so die Ortsrandeingrünung ökologisch aufgewertet wird.

Wildpflanze aus Nordamerika

Die Durchwachsene Silphie, die gelb blüht und bis zu drei Meter hoch wird, hat behaarte, auffällig am Stängel verwachsene Blattpaare. Die bilden kleine Becher, in denen die Pflanze Tau- und Regenwasser sammelt, so dass sie an trockenen Standorten gedeihen kann. Im englischsprachigen Raum wird sie „cup plant“ (Becherpflanze) genannt.

Ursprünglich beheimatet ist die Pflanze in den Prärien Nordamerikas. Sie ist in den östlichen Bundesstaaten der USA und in Kanada verbreitet. In der Bundesrepublik gibt es einige Betriebe, in denen sie als Futter- und Silagepflanze angebaut wird. Sie dient auch als Grünfutter für Kaninchen, Meerschweinchen, Schafe und Ziegen. Für Biogas-Anlagen ist sie gut geeignet. Ab dem zweiten Jahr können Bauern zwischen 13 und 20 Tonnen Biomasse pro Hektar ernten. Bei Versuchen in Thüringen waren es ab dem zweiten Jahr sogar 18 bis 28 Tonnen.

Alternative für Produkte auf Erdölbasis

Für Imker sind Felder mit Silphie ebenfalls interessant. Ein Hektar kann bis zu 150 Kilo Honig jährlich erbringen. Auch am Forschungszentrum Jülich arbeitet man mit der Durchwachsenen Silphie. Wie Dr. Silvia Schrey erklärt, investiert die mehrjährige Verwandte der Sonnenblume in der Jugend die meiste Kraft in die Ausbildung des Wurzelwerks, um bei ausbleibendem Regen an Wasser zu gelangen.

Durch den Anbau der Silphie gewonnene Biomasse könne eine Alternative für Produkte auf Erdölbasis sein. Außerdem könne die Präriepflanze im Zuge des Klimawandels auf trockener werdenden, nicht sehr nährstoffeichen Böden überleben und biete durch ihre langen Wurzeln einen guten Erosionsschutz. (bk)