AboAbonnieren

Vogelsang und WollseifenDie Höhepunkte der zweiten Etappe des Wildnistrails

Lesezeit 5 Minuten
Staumauer Wildnis-Trail

Einen Blick auf die Staumauer gibt es gratis.

  1. Eine hölzerne Wildkatze führt Wandernde 20 Kilometer weit von Einruhr nach Gemünd.
  2. Auf dem Weg liegen die Wüstung Wollseifen und der Komplex Vogelsang — zwei historisch bedeutsame Orte.
  3. Sie sind die Höhepunkte der Wanderung.

Simmerath-Einruhr – Die erste Etappe des Wildnis-Trails von Höfen nach Einruhr hatte es mit 24,7 Kilometern schon in sich. Sie ist immerhin die längste der vier Etappen des Wanderwegs. „Wenn man das geschafft hat, wird es entspannt“, habe ich mir von einer Mitwanderin sagen lassen. Nun blicke ich tatsächlich recht optimistisch auf die schlappen 20 Kilometer der zweiten Etappe, die vor mir liegen.

Historische Highlights in Wollseifen und Vogelsang

Die hölzerne Wildkatze wird mich diesmal von Einruhr nach Gemünd führen. Auf dem Weg liegen die Wüstung Wollseifen und der Komplex Vogelsang — zwei historisch bedeutsame Orte. Sie werden die Höhepunkte der bevorstehenden Wanderung sein.

Schilder Wildnis-Trail

Über die Auswahl an Wanderwegen muss man sich rund um den Wildnis-Trail keine Sorgen machen.

Ich starte in Einruhr gegenüber der Kirche. Der Ort ist voller Urlauber, die sich am frühen Morgen in den Cafés ein Plätzchen gesucht haben, frühstücken und es sich gut gehen lassen. An einigen Ferienwohnungen wird mit Angeboten geworben, die absolute Entspannung und den Genuss der unverfälschten Eifel-Landschaft versprechen. Diesem Versprechen glaube ich sofort. Denn als Urlauber lässt sich hier sicher rund um den Rursee einiges unternehmen.

Einruhr ist schnell durchlaufen, und die Route führt bergauf immer am See entlang. Schnell gehen die asphaltierten Wege in Schotter- und später in schmale Waldpfade über. Rechts von mir wächst unberührter Laubwald und links blicke ich immer wieder auf den See. „Hier kann man eine Abkürzung nehmen und ein Stück mit dem Boot zurücklegen“, hatte Wildnis-Trail-Erfinder Michael Lammertz als Tipp gegeben. Doch ich will nicht schummeln, kommt gar nicht infrage! Kein Boot bis zur Rurtalsperre! Ich werde laufen und nehme gerne den anstrengenden Aufstieg in Kauf. Nur so, denke ich, lässt sich der Wildnis-Trail intensiv erleben, und am Ende möchte man ja auch stolz auf seine Leistung sein und sagen können: „Ich hab’s geschafft.“

Bei Sonnenschein begegne ich nach etwa einer Stunde einer kleinen Gruppe von Pfadfindern aus den Niederlanden. Die fünf Jugendlichen planen eine Rallye, erzählen sie und erkunden jetzt die Umgebung.,

Schier endlose Weiten

Die Wanderung erstreckt sich über warmes Flachland, dann durch knarrende Wälder und vorbei an wilden Brombeer-Büschen hinauf zum Urftsee. Hier hat man einen guten Blick auf die Staumauer, und ein kleiner Picknickplatz lädt zum Verweilen ein. Doch ich verzichte auf eine lange Rast, die möchte ich mir erst nach dem bevorstehenden steilen Aufstieg gönnen, den der Wanderführer einige Male betont. In der Tat ist das nicht ganz unanstrengend, doch oben auf der Hochfläche angekommen, zeigt sich der Nationalpark Eifel von einer wundervollen Seite. Und doch ganz anders als zuvor.

wildnis-trail

Schier endlose Weiten und Natur, so weit das Auge reicht: Der Wildnis-Trail ist auch auf der zweiten Etappe spannend.

Das hatte Lammertz erklärt: Der Wechsel von Flachland und Felsen, von wilder Natur mit schmalen Pfaden und hin und wieder einer Kreuzung eines stärker frequentierten Wanderweges, das mache den Trail aus. Und hier oben habe ich einen fantastischen Blick auf die Landschaft.

In Gedanken an die wohlverdiente Pause macht mir das Wetter einen Strich durch die Rechnung. Von einer Sekunde zur nächsten verdunkelt sich der Himmel, Wind kommt auf, es beginnt zu regnen.

Wüstung Wollseifen war Truppenübungsplatz

Da heißt es schnell sein: Picknickdecke ein- und Regenjacke auspacken, denn die Dreiborner Hochfläche bietet kaum Unterschlupf für Wanderer. Schnellen Schrittes laufe ich immer der Katze nach durch den Regen Richtung Wüstung Wollseifen.

Wollseifen Wildnis-Trail

In der Wüstung Wollseifen wurde zuletzt der Häuserkampf der Nato-Soldaten geübt.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der Ort von der britischen Besatzung geräumt. Hier wurde der Truppenübungsplatz Vogelsang angelegt, der dann von den 1950er-Jahren bis 2005 vom belgischem Militär und der NATO genutzt wurde. Seit 2006 ist die Wüstung ein ungenutzter Ort, ein Geisterdorf, in dem ich heute tatsächlich ganz alleine bin und Schutz vor dem Unwetter finde.

Sicheres Gefühl zwischen Kirchenmauern

Ich trete in die St.-Rochus-Kirche. Die Tür fällt hinter mir zu und der Regen draußen laut und unbeeindruckt weiter. Doch hier in der Kirche ist es ganz still, nur meine Schritte hallen in den alten Gemäuern. Diese Kirche rührt mich sehr durch ihre Schlichtheit. Nicht so wie die überladene Kapelle der ersten Etappe.

Die Mauern hier bieten ein sicheres Gefühl. Eine kleine Reihe einfacher Holzbänke steht vorne im Chorraum, ebenso ein schnörkelloses Kreuz. Hier setze ich mich, hier mache ich Rast, die wohlverdiente nach dem steilen Aufstieg von der Rurtalsperre und dem überraschenden Unwetter.

Einige Minuten verweile ich, dann lässt der Regen langsam nach, und ein paar Sonnenstrahlen finden ihren Weg durch die hohen Kirchenfenster. Ich breche auf. Von Wollseifen erstreckt sich ein Panoramablick auf Vogelsang. Monströs stehen die Mauern in der Ferne. Auch das beeindruckt mich. Doch auf eine andere Weise: Es tut sich kein schützendes Gefühl auf wie in den Mauern der Kirche, sondern ein beklemmendes.

Früchte Wildnis-Trail

Pflanzen und Früchte gibt es am Wegesrand zuhauf.

Die Geschichte hinter der „Ordensburg“, die seinerzeit von den Nationalsozialisten errichtet wurde, ist allgemein bekannt: Hier wurde der NSDAP-Nachwuchs geschult, und der Gebäudekomplex diente als imposante Demonstration von Hitlers Macht. „Es ist wichtig, dass es diesen Ort noch gibt“, wird mir meine Mitwanderin Hiltraud während der vierten Etappe erzählen. Nur so könne man dafür sorgen, dass sich die Geschichte nicht wiederholt, hatte sie gesagt. Und ich finde, sie hat Recht.

Der Komplex hat nun einen neuen Zweck. Hier wird im Guten geschult und aufgeklärt. Regelmäßig finden Veranstaltungen und Ausstellungen im Forum Vogelsang IP statt. Aktuell läuft die Ausstellung „Wildnis(t)räume“. Michael Lammertz hat sie mir ans Herz gelegt. Es sei eine schöne Ergänzung zum Trail, hat er gesagt. Denn die Ausstellung böte viele neue Perspektiven auf die Natur, die den Blick schärfen.

Nach meiner Wanderung, so nehme ich mir vor, werde ich sie mir ansehen – aber erst dann: mit trockener Kleidung und geschärftem Blick.