„Kein Unrechtsbewusstsein“47 Jugendliche sollen Schule verwüstet haben
- Mehrere Dutzend Schüler der Gesamtschule Weilerswist stehen unter einem schwerwiegenden Verdacht.
- Was vielleicht als Schülerstreich gedacht war, lief in einer Nacht Ende Juni völlig aus dem Ruder.
- Nun werden die Minderjährigen des Hausfriedensbruchs, Einbruchs, der Beleidigung auf sexueller Grundlage und anderer Straftaten beschuldigt.
- Die Hintergründe.
Weilerswist – Das hat Polizeisprecher Franz Küpper nach eigenem Bekunden noch nicht erlebt: „Eine derart hohe Zahl an minderjährigen Beschuldigten ist für uns außergewöhnlich.“ Es gehe um mehr als 40 tatverdächtige Schüler der Weilerswister Gesamtschule sowie eine Handvoll schulfremde Personen, die allesamt im Verdacht stehen, sechs Straftaten begangen zu haben – insgesamt 47 Verdächtige.
„Dieser Schulspaß in der Nacht zum 28. Juni ist völlig aus dem Ruder gelaufen“, so Küpper. Die Anzeige sei von der Schulleitung und der Gemeinde Weilerswist am 8. Juli erstattet worden. Sie sei in Absprache mit der Polizei zu einem späteren Termin formuliert worden, weil die Schulleitung zunächst noch eine interne Bestandsaufnahme getätigt habe.
Demnach geht es laut Polizei um Hausfriedensbruch, Einbruch, Beleidigung auf sexueller Grundlage, gemeinschaftliche Sachbeschädigung, Diebstahl und vorsätzliche Brandstiftung. Den Schaden bezifferte Küpper auf einen unteren fünfstelligen Euro-Betrag.
Die Kollegen hätten in der Gesamtschule umfangreiches Spuren- und Beweismaterial gesichert, das nun ausgewertet werde. Wegen der Vielzahl an beschuldigten Schülern und Schülerinnen sei das sehr zeitintensiv, so Küpper weiter.
Nach Angaben des Polizeisprechers sind die Kollegen von einem Zeugen am 28. Juni kurz nach Mitternacht darüber informiert worden, dass einige Jugendliche einen großen Rundballen aus Stroh über die Fahrbahn in Richtung der Gesamtschule rollten. Gegen 2.45 Uhr sei die Meldung aufgelaufen, dass der Strohballen am Eingangstor der Schule in Flammen stehe.
Eine Streifenwagenbesatzung habe aber keine Tatverdächtigen mehr angetroffen.Wie sich später herausstellte, hatten die Jugendlichen auch im Schulgebäude, in das sie offenbar eingebrochen waren, eine Spur der Verwüstung hinterlassen.
Rundschreiben listet alle Schäden auf
In einem Rundschreiben an die Eltern und Schüler des zehnten Jahrgangs, das der Redaktion vorliegt, führt der Leiter der Gesamtschule, Stephan Steinhoff, detailliert die Schäden auf: „Die Vorkommnisse (...) erfüllen mehrere Straftatbestände. Es wurde ins Schulgebäude eingebrochen, Wände und Türen mit Graffiti und Farbe beschmiert, mehrere Klassenräume, Böden, Flure, Aufgänge und Dächer stark verunreinigt, diverse Lampen und Fenster zerstört.“
Zudem seien weitere Wände mit extrem ehrverletzenden Beleidigungen, die sich auf einzelne Kolleginnen und Kollegen beziehen, versehen worden: „Herbeigerufene schulfremde Personen haben außerdem in Gegenwart einiger Schüler eine gefährliche Brandstiftung sowie mutmaßlich Diebstähle begangen.“
Schulleiter äußert sich nicht
Auf Anfrage der Redaktion ließ Schulleiter Stephan Steinhoff über sein Sekretariat ausrichten, dass er sich nicht zu den Vorfällen äußern wolle.
In dem Rundschreiben wird auch thematisiert, dass die bisher durch die Schulleitung befragten Schüler zwar eingeräumt hätten, vor Ort gewesen, jedoch nicht an den Straftaten beteiligt gewesen zu sein. Sie hätten auch nicht die übrigen Verursacher der Schäden namentlich benennen wollen: „Bei den Befragungen offenbarten viele Schülerinnen und Schüler ein fehlendes Unrechtsbewusstsein.“
Die Schulleitung sagte als Konsequenz aus den Vorfällen die ansonsten üblichen Feiern ab. „Wir möchten nicht feiern und vermuten müssen, dass unter den Schülern, die mitfeiern, solche sind, die an den Ausschreitungen beteiligt waren...“
Absage der Feiern erzürnt Eltern
Am Ende des von Steinhoff unterzeichneten Schreibens heißt es: „Auch uns schmerzt es sehr, dass wir heute so entscheiden müssen.“ Das Rundschreiben hat Teile der Elternschaft und deren Vertreter in den schulischen Gremien jedenfalls mächtig auf die Palme gebracht.
Helena Deschner, ehemals stellvertretende Chefin der Schulpflegschaft, stellt klar, dass die Eltern die Taten von „einigen Chaoten verurteilen“. Es könne aber nicht angehen, dass der Schulleiter die 150 Jugendlichen des zehnten Jahrgangs unter Generalverdacht stelle und alle Feierlichkeiten abgesagt habe.
Kein Anspruch auf eine Zeugnisfeier
Die Kölner Bezirksregierung erklärt auf Anfrage, dass der Fall bekannt sei. Bislang hätten sich drei Elternvertreter gemeldet. Die Kritik der Schulpflegschaft an dem Schulleiter teilt Sprecher Dirk Schneemann nicht: „Weder aus dem Schulgesetz noch aus sonstigen schulrechtlichen Vorschriften lässt sich ein Anspruch auf die Ausrichtung einer Abschlussfeier ableiten.“
Die Schüler hätten zwar einen Anspruch auf ihre Zeugnisse, aber nicht darauf, dass sie im Rahmen einer Feierlichkeit überreicht werden. Die Feier stelle eine innerorganisatorische Angelegenheit dar. Deren Absage sei keine Ordnungsmaßnahme.
Nach Angaben von Dirk Schneemann ist ein Schulleiter dazu verpflichtet, einen Sachverhalt vollständig aufzuklären, bevor er erzieherische Maßnahmen oder Ordnungsmaßnahmen ergreife. „Im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung können auch Vier-Augen-Gespräche notwendig und angemessen sein, unabhängig davon, ob ein Fehlverhalten möglicherweise strafrechtlichen Charakter hat“, so der Behördensprecher.
Träger der Gesamtschule ist die Gemeinde Weilerswist. Bürgermeisterin Anna-Katharina Horst (parteilos) betont, dass der Schulleiter die pädagogischen Entscheidungen treffe: „Ich stehe dabei hinter Herrn Steinhoff.“ Sie könne ihm aber nicht sagen, dass er mit den Eltern sprechen müsse. (pws)
Dies sei vor allem für die Schüler, die die Gesamtschule nach der zehnten Jahrgangsstufe verließen, eine traurige Angelegenheit. So seien der Gottesdienst, die offizielle Abschiedsfeier und die gemeinsame Zeugnisvergabe abgeblasen worden, so Deschner.
Sie hat nach dieser weitreichenden Entscheidung auch keinerlei Verständnis dafür, dass der Schulleiter nicht für ein klärendes Gespräch mit der Schulpflegschaft zur Verfügung gestanden habe. Sie hält es zudem für ausgesprochen problematisch, dass Steinhoff die Kinder der zehnten Jahrgangsstufe aus dem Unterricht geholt und zu Vier-Augen-Gesprächen in sein Büro zitiert habe.
Darüber sei die Kölner Bezirksregierung von Eltern informiert worden. Gefeiert hat die Jahrgangsstufe zehn nach Angaben von Deschner übrigens dennoch. Es habe eine privat organisierte Zeugnisfeier mit den Klassenlehrern in der Vernicher Tomberghalle gegeben.