Weilerswist-MetternichEin Dorf weiß sich zu helfen
Weilerswist-Metternich – Als Michael Freiherr Spies von Büllesheim in der Nacht zum Donnerstag gegen halb eins ins Bett ging, war der Wasserpegel gerade gesunken. Um vier Uhr wurde er von den Geräuschen des strömenden Wassers geweckt, das schon wieder angestiegen war. Er ging die Treppe ins Erdgeschoss hinunter, um nach dem Rechten zu schauen. Knöcheltief stand das Wasser da schon im Wohn- und Esszimmer seines Wohnhauses neben der Metternicher Wasserburg, in der seine Eltern wohnen.
„Wir wussten, dass es mehr regnen wird als üblich. Aber ich bin am Mittwochmorgen noch ganz normal arbeiten gefahren. Nachmittags rief dann meine Frau an, dass hier schon ein Keller vollläuft. Ich fuhr zum Baumarkt und besorgte eine Pumpe“, erzählt er bei einem Rundgang über das Anwesen. Dass das Wasser später hüft- bis deckenhoch in den Häusern in Metternich stehen würde, hatte wohl niemand geahnt. Mit seinen Eltern wurde er schließlich evakuiert. „In Hemd, kurzer Hose und Gummistiefeln ohne Socken hat uns eine Freundin an der Kirche abgeholt. Wir sind in einer Wohnung untergekommen, die sie vermietet“, so Spies von Büllesheim. Die Hauswand zeigt noch, wie hoch das Wasser im Innenhof der Burg stand. Seine Frau, 1,57 Meter groß, kann die Grenze so gerade überblicken.
Die Gemeinde schätzt die Schäden an der Infrastruktur auf bis zu drei Millionen Euro
Gut zwei Wochen später steht der Metternicher Ortsbürgermeister (CDU), in dessen Geburtsjahr 1961 das Dorf ebenfalls von großen Wassermassen überflutet worden war, an einer der beiden Brücken, die das Unterdorf an der L 163 mit dem Metternicher Oberdorf verbindet. Metternich wurde laut Feuerwehr in der Gemeinde Weilerswist durch die überflutete Swist am heftigsten von den Unwettern getroffen. Auf der Meckenheimer Straße stand das Wasser bis zu zwei Meter hoch. Die Gemeinde schätzt die Schäden an der Infrastruktur auf bis zu drei Millionen Euro.
Freiwillige Feuerwehr rettete bis zu 300 Menschen vor dem Ertrinken
250 bis 300 Menschen haben die Feuerwehrleute der Löscheinheit Metternich/Müggenhausen nach eigener Schätzung nach den verheerenden Niederschlägen in den ersten 24 Stunden aus ihren Häusern in Metternich gerettet. Dort war die Swist über die Ufer getreten und hatte ein massives Hochwasser verursacht.
Um vier Uhr in der Nacht auf Donnerstag haben die Kameraden die Leitstelle in Euskirchen alarmiert, die die Sirenen betätigen sollten. Der Katastrophenalarm wurde ausgelöst. „Wo die Sirene überall angegangen ist, weiß ich nicht. Aber auf jeden Fall in Metternich“, berichtet Löscheinheitsführer Thomas Kurz.
Unterstützt wurde sein Team, das unmittelbar nach der Flut mit 15 bis 20 Ehrenamtlern dauerhaft im Einsatz war, unter anderem durch die DLRG aus Andernach. Die Helfer hatten in der Nacht zum Donnerstag zufällig den Weg der Feuerwehr gekreuzt. „Ohne zu zögern unterstützten sie uns bei der Rettung vieler Menschenleben mit ihren speziell ausgebildeten Strömungsrettern und zwei Booten. Vielen Dank für diese unglaubliche Hilfe“, schreibt Kurz in einem Einsatzbericht. Stetig habe es neue Meldungen von Menschen in Not gegeben. An Schlaf war nicht zu denken.
Die DLRG-Truppe war zuvor in der Eifel im Einsatz gewesen und hatte durch gesperrte Straßen und Autobahnen den Weg zurück nach Hause durch Weilerswist genommen. Kurzerhand schlossen sich die DLRG und die Feuerwehr zusammen und retteten Mensch und Tier. „16 Leute waren akut vom Ertrinken bedroht, bei denen hatte das Wasser schon das erste Obergeschoss erreicht“, so Kurz. Weiter unterstützt wurde die Löscheinheit Metternich/Müggenhausen von der Löscheinheit Weilerswist mit deren Rüstwagen, der Polizei mit einem Räumpanzer und der Bundeswehr mit mehreren Großfahrzeugen.
Als das Wasser zurückging, pumpten die Freiwilligen unzählige Keller aus. Gemeinsam mit dem THW begutachteten sie einsturzgefährdete Brücken und Häuser und versorgten stetig die evakuierten Menschen. Da auch das Feuerwehrgerätehaus in Metternich betroffen war, wurde in der Not ein neuer Stützpunkt eingerichtet. (smh)
Viele weitere Helfer sind am heutigen Tag auch zu der Eisenbrücke an der Kiesgrube Schmitz gekommen, die Erwin Jakobs, Ortsbürgermeister des Nachbardorfs Müggenhausen, für ein Pressefoto zusammengetrommelt hat: Darunter Inhaber und Mitarbeiter von Firmen vor Ort und der Region und der Feuerwehr sowie Landwirte.
„Diese Leute muss man auch mal zeigen“, findet Jakobs, der nach der Flut dem Nachbardorf zur Hilfe eilte und mit seinem Parteifreund versuchte, unbürokratisch Hilfe zu organisieren und zu koordinieren. „In Müggenhausen war die Rheinbacher Straße etwa 60 Zentimeter hoch überflutet worden, und die Keller der anliegenden Häuser waren vollgelaufen. Aber Metternich hatte es viel härter getroffen“, erzählt der 64-Jährige.
Immer wieder wurden die vielen Helfer bei den Arbeiten ausgebremst
Einer, der die Aufräumarbeiten in Metternich erheblich vorangebracht hatte, ist der 81-jährige Tiefbauunternehmer Hans-Hubert Schmitz. Bei dem Termin vor Ort im Rampenlicht zu stehen, gefällt dem Kiesgrubenbetreiber gar nicht. Er habe doch nur geholfen. Aber wie! Etwa zehn Stunden lang stabilisierte der 81-Jährige am Freitag nach der Flutkatastrophe die Brücke am Ortseingang von Metternich, an der nun die Fotos gemacht werden. Im Gegensatz zu der Brücke an der Bergstraße bestand hier noch die Hoffnung, dass dort wieder Feuerwehrautos und anderer Schwerverkehr drüberfahren könnten, wenn sich einer der Sache annehme – wichtig, um das schwer betroffene Oberdorf wieder zu erreichen, Keller auszupumpen, Gerätschaften dort hinzubringen, aber auch Lebensmittel und Müll entsorgen zu können.
„Ich sollte die erst nur provisorisch stabilisieren, aber das war nix. Jetzt können da auch 100 Tonnen drüberfahren – die hält“, sagt er. Das THW habe seine Arbeiten abends abgenommen und sei begeistert gewesen. Schmitz war auch dabei, als die Brücke vor Jahrzehnten gebaut worden war. Auch sein Sohn und Enkelsohn waren nach der Flut jeweils mit schweren Geräten im Einsatz. Immer wieder wurden die vielen Helfer bei den Arbeiten ausgebremst, da das Gerücht verbreitet wurde, die Steinbachtalsperre sei gebrochen und die Helfer müssten sich in Sicherheit bringen, wie Spies von Büllesheim berichtet.
Allgemein hätte er sich mehr unbürokratische Hilfe gewünscht und mehr Entscheidungsfreiheit für Ortsbürgermeister
„Die Belastungsgrenze ist langsam erreicht, das merkt man bei allen Helfern“, so Jakobs. Die Anwohner seien teilweise schwerst traumatisiert, die Geduld sei am Ende. Ein Blick in die müden und leeren Augen der Helfer bestätigt seinen Eindruck. Unermüdlich haben sie gekämpft und zusammengehalten. Auch die Bundeswehr, das DLRG und die Bundespolizei hatte sie unterstützt. Wieso die Bundespolizei aber nach zwei Tagen wieder aus Metternich abziehen musste, versteht Jakobs nicht. „Die sollten hier weg, um woanders zu helfen, dort hatten sie aber nichts zu tun. Ersatz kam aber keiner“, sagt er.
Allgemein hätte er sich mehr unbürokratische Hilfe gewünscht und mehr Entscheidungsfreiheit für Ortsbürgermeister. „Wir müssen aus dem Geschehenen lernen und flexibler werden“, so der 64-Jährige. Sätze wie „Dafür sind wir nicht zuständig“ könne er nicht mehr hören. Wenn eine Straße für Aufräumarbeiten zu sperren sei, müsse das schneller gehen. „Ohne die Solidarität im Dorf wären wir heute nicht so weit wie wir sind“, betont Spies von Büllesheim. Egal ob beim Aufräumen, Wäsche waschen oder bei der Versorgung mit Essen.