AboAbonnieren

„90 Prozent sind kaputt“Flut zerstört Westernstadt Lubbock Town in Weilerswist

Lesezeit 3 Minuten
Neuer Inhalt

Wird seine Hütte räumen müssen: Peter Hoitsmas Behausung in der Westernstadt erlitt durch die Flut Totalschaden.

Weilerswist-Lommersum – Niemand klagt derzeit in Lubbock Town. „Wir haben nicht unsere Existenz oder unser Zuhause verloren, so wie unzählige andere Menschen in der Region“, sagt Matthias Ditz. „Das hier, das ist nur ein Hobby“, fügt er hinzu und zeigt auf die kleine, liebevoll errichtete Westernstadt am Rande von Lommersum, die bei der Flutkatastrophe vor knapp drei Wochen stark beschädigt worden ist.

Auch wenn es nur ein Freizeitvergnügen ist: Den Mitgliedern des kleinen Vereins blutet das Herz, denn die braune Flut hat vieles zerstört, was über Jahrzehnte gesammelt, gebastelt und aufgebaut worden war. Von zwei der 16 selbst gezimmerten Holzgebäude weiß man bereits jetzt, dass sie abbruchreif sind.

Fast alles wurde zerstört

In vielen der Hütten wellen sich Bodendielen und Decken; Geländer und Treppen wurden abgerissen und weggespült, die Inneneinrichtungen größtenteils zerstört. „90 Prozent sind kaputt, wir haben alles rausgeschmissen, es will ja niemand krank werden“, sagt Matthias Ditz.

Mehr als 20 Anhänger voll mit Erinnerungen, mit zahllosen Antiquitäten, die dem Wild-West-Ambiente den nötigen Flair verliehen, mit handwerklich gefertigten Unikaten und seltenen Sammlerstücken wurden zur Müllsammelstelle am Sportplatz Weilerswist gefahren.

„Verloren sind auch zahlreiche Schnittmuster, mit denen wir Kostüme geschneidert haben, eine Büchersammlung sowie sämtliche Filme und Fotos von USA-Reisen aus den letzten 30 Jahren“, bedauert der Vorsitzende von Lubbock Town, Walter Milz. Und natürlich sind auch sämtliche Kühlschränke, Heizgeräte sowie die komplette Kücheneinrichtung von den Wassermassen zerstört worden.

Alles neu aufgebaut und hergerichtet

Dabei hatte der Verein, der für ein paar Jahre das Gelände einem anderen Pächter überlassen musste, seit 2014 wieder alles neu aufgebaut und hergerichtet.Paul Pirl und Friedhelm Möhle sind erst im Januar zu den Lommersumer Wild-West-Liebhabern gestoßen. Mit viel Liebe zum Detail haben sie sich die Hütte am unteren Ende parat gemacht – da, wo das Wasser besonders hochstand.

„Wir waren gerade erst fertig geworden mit den ganzen Arbeiten“, erzählt Pirl. Jetzt habe man in den frisch verlegten Boden überall große Löcher bohren müssen, damit er bestenfalls wieder austrocknet. Einbauten und Möbel haben die beiden wegwerfen müssen.

Zwei ältere Mitglieder hart getroffen

Besonders hart getroffen hat es zwei der älteren Mitglieder von Lubbock Town: Peter Hoitsmas Hütte wird wohl abgerissen werden müssen. Der bärtige Senior musste in der Nacht zum Donnerstag sogar aus den Fluten gerettet werden: „Nachts um 3 Uhr bekam ich einen Anruf, dass ich ganz schnell raus muss. Der Landwirt von nebenan hat mich dann glücklicherweise mit seinem Traktor abgeholt.“

Auch die Western-Behausung von Marlene Milz (86) ist nicht mehr zu retten. Dort hat bereits blühender Schimmelpilz das Regiment übernommen. Dass die Männer und Frauen von Lubbock Town nicht nur den Flair des Wilden Westens erlebbar machen, sondern auch genauso hart anpacken können, wie es in der „Pionierzeit“ des 19. Jahrhunderts wohl vonnöten war, zeigte sich in den Tagen nach der Flut. Gemeinschaftlich wurde geackert und geputzt, durchaus unter Zuhilfenahme wenig authentischer Apparate wie Hochdruckreinigungsgeräten und Stromaggregaten.

Erhalt der Bauten und Leder-Utensilien

Nachdem die Schlammschichten und der Müll beseitigt worden sind und sämtliches Gut, das das Wasser mitgerissen hatte, wieder eingesammelt worden ist, geht es nun um den Erhalt der Bauten, aber auch der vielen Leder-Utensilien der Freizeit-Cowboys. „Meine Sättel habe ich abends abgewischt und morgens waren sie wieder voller Schimmel“, erzählt Walter Milz von den ersten Tagen nach der Flut. Grundsätzlich aber sei Leder sehr strapazierfähig, auch wenn es so lange unter Wasser gewesen sei.

Das könnte Sie auch interessieren:

Fast sinnbildlich erscheint da eine Puppe in schlammverschmierter Wild-West-Montur, die zum Trocknen am Rand von Lubbock Town steht. „Das Kerlchen war von einer der Veranden heruntergespült worden und lag weit hinten im Gebüsch. Seinen Kopf haben wir erst heute wiedergefunden“, erzählt Matthias Ditz.

Und ebenso wie die Puppe tragen auch die Mitglieder des kleinen Vereins nach Tagen schweißtreibender Arbeit und reichlich Abschiedsschmerz ihre Köpfe aufrecht.