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WindparkVerwaltungsgericht Aachen kippt Baugenehmigung des Kreises Euskirchen

Lesezeit 5 Minuten

Seit Juli 2017 ragen die drei Stümpfe des danach nicht weitergebauten Windparks Dahlem IV in die Luft. Auf zwei weiteren Fundamenten stehen noch keine Türme.

Aachen/ Dahlem – Eine krachende Niederlage musste jetzt die Euskirchener Kreisverwaltung am Aachener Verwaltungsgericht einstecken. Einer Klage des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) wegen des Windparks Dahlem IV hat das Gericht am Freitagmorgen stattgegeben (siehe „Das Urteil“) . Dieses Urteil ist noch nicht einmal zur Berufung zugelassen. Will die Kreisverwaltung daran noch irgendetwas ändern, muss sie beim Oberverwaltungsgericht Münster einen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen – was nicht ganz einfach sein dürfte.

„Wir sind nach wie vor der festen Überzeugung, dass wir aufgrund der zum Zeitpunkt der Genehmigung vorliegenden umfangreichen Erkenntnisse und unter Berücksichtigung der uns zustehenden naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative (Vorrechte, d. Redaktion) verlässlich und nachvollziehbar beurteilen konnten, dass insbesondere in Bezug auf den Schwarzstorch schädliche Umwelteinwirkungen ausgeschlossen werden konnten“, erläuterte jetzt Wolfgang Andres, der Sprecher der Kreisverwaltung.

„Erhöhtes Kollisionsrisiko“ für Schwarzstorch?

Mit großer Verwunderung nehme man zur Kenntnis, dass in der Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts von einem „erhöhten Kollisionsrisiko“ für den Schwarzstorch gesprochen werde. Das widerspreche dem aktuell gültigen Artenschutzleitfaden NRW, der zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung maßgeblich und verbindlich gewesen sei.

Darüber hinaus sei es unverständlich, dass das Verwaltungsgericht sich im aktuellen Urteil ausdrücklich auf Gutachten und Raumnutzungsanalysen aus dem Jahr 2017 beziehe. Nachträglich gewonnene Erkenntnisse dürften aber bei der Entscheidung nicht maßgeblich sein. Dabei sei ausdrücklich die Informationslage zum Zeitpunkt der Genehmigung im Jahr 2016 entscheidend. Sobald die ausführliche Urteilsbegründung vorliege, werde man über das weitere Vorgehen entscheiden. Dazu zähle natürlich auch die Option, vor dem Oberverwaltungsgericht Münster Berufung zu beantragen.

Anlagenteile liegen derzeit zum Teil ungeschützt auf dem Gelände im Baasemer Wald herum. Falls nicht weitergebaut werden kann, entsteht ein Schaden in Millionenhöhe.

Thilo Wemmer-Geist, Projektleiter der vom Baustopp betroffenen Firma DunoAir, sagte: „Das Urteil ist für uns ein ganz schöner Hammer. Damit haben wir nicht gerechnet.“ Noch warte man auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts zu einer Beschwerde gegen das Eilverfahren, welches den Baustopp auslöste. Falls das Gericht dies für rechtmäßig erkläre, werde man wohl die Baustelle weitgehend räumen lassen müssen.

Man werde nun die detaillierte Begründung des Urteils abwarten und dann in der Geschäftsführung besprechen, welche weiteren Schritte man einleiten werde. Vor allem werde man die Voraussetzungen für einen Antrag auf Zulassung der Berufung prüfen. Durch die weiteren Verzögerungen erhöhe sich der mittlerweile auf einen zweistelligen Millionenbetrag summierte Schaden weiter.

Josef Tumbrinck, der Landesvorsitzende des Nabu, ist hingegen hocherfreut über das Urteil: „Besser hätte es nicht ausfallen können“, sagte er dieser Zeitung. Dass eine Berufung nicht zugelassen sei, zeige, dass das Gericht der Nabu-Argumentation auf der ganzen Linie gefolgt sei. Der Artenschutz sei nicht ausreichend gewürdigt worden.

Auch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (Lanuv) habe eine Ohrfeige bekommen. Dessen Vertreter Matthias Kaiser habe vor Gericht für den Kreis votiert. Das habe Nabu-Anwalt Patrick Habor ziemlich fuchsig gemacht: Die Behörde habe einseitig zugunsten der Genehmigungsbehörde des Kreises argumentiert, habe sich Dinge zurechtgebogen, statt sich an geltende Leitfäden zu halten. Das Lanuv müsse sich wirklich fragen, ob es die Kreise richtig berate.

Außerdem sei in den letzten Wochen entdeckt worden, dass ein 450 Meter vom Windpark entfernter Rotmilan-Horst illegal vernichtet worden sei. Die Untere Landschaftsbehörde habe daher Anzeige wegen Zerstörung der Lebensstätte einer streng geschützten Art mit Vorsatz erstattet.

Das Urteil

Das Verwaltungsgericht Aachen hat am Freitagmorgen einer Klage des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) gegen die Euskirchener Kreisverwaltung stattgegeben. Danach ist der Genehmigungsbescheid des Kreises zum Betrieb von fünf Windenergieanlagen im Windpark Dahlem IV obsolet. Einen sofortigen Baustopp hatte bereits am 12. Juli 2017 ein Eilbeschluss der Kammer zur Folge gehabt, aufgrund dessen die Kreisverwaltung hatte reagieren müssen.

Die sechste Kammer des Gerichtes unter dem Vorsitz von Richter Peter Roitzheim begründete das jetzige Urteil damit, das von dem Vorliegen eines beachtlichen Verfahrensfehlers auszugehen sei. Nach dem Inhalt der Akten und den Ausführungen der Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung am 19. September komme das Gericht zum Schluss, dass die Prüfung nachteiliger Umweltauswirkungen auf den Schwarzstorch fehlerhaft gewesen sei. Diese seien erheblich.

Insbesondere, so das Gericht, hätte näher untersucht werden müssen, ob ein Horst in einer Entfernung von nur 500 Metern zu einer der Windenergieanlagen vor Erteilung der Genehmigung im Dezember 2016 vom Schwarzstorch genutzt worden sei. Der Kreis Euskirchen hätte sich nicht mit einer aus dem Jahr 2015 stammenden und angesichts der angewendeten Methodik ohnehin zweifelhaften Feststellung begnügen dürfen, der Horst sei schon mehrere Jahre lang nicht mehr besetzt gewesen. Ausgehend hiervon sei nicht nachvollziehbar, dass mit der zufälligen Wahrnehmung von Flugbewegungen des Schwarzstorches anlässlich einer Raumnutzungsanalyse des Rotmilans die Schwarzstorchaktivitäten im Vorhabengebiet zuverlässig erfasst worden seien. Die Aktivitäten des Schwarzstorches hätten vielmehr vertieft betrachtet werden müssen. Eine im Jahr 2017 durchgeführte Raumnutzungsanalyse für den Schwarzstorch habe nämlich ergeben, dass der Luftraum in der Nähe des nachweislich im Jahr 2017 besetzten Horstes intensiv von den Tieren genutzt worden sei.

Nach dem Ergebnis dieser Untersuchung sei nicht auszuschließen, dass diese Fortpflanzungsstätte bei Errichtung und Inbetriebnahme der Anlagen aufgegeben werde. Außerdem entstehe voraussichtlich ein signifikant erhöhtes Kollisionsrisiko. Um diese Auswirkungen zu vermeiden, sei dem Gutachter zufolge ein Abschaltszenario von Anfang März bis Ende August tagsüber vorzusehen. Eine Heilung dieses Verfahrensfehlers in einem ergänzenden Verfahren komme nicht in Betracht. Es bestehe keine Aussicht darauf, dass das Vorhaben in der beantragten Form mit Blick auf die Gefährdungen des Schwarzstorches überhaupt genehmigungsfähig sei.

Der Kreis Euskirchen und der am Verfahren beteiligte Anlagenbetreiber können gegen das Urteil einen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen, über den das Oberverwaltungsgericht in Münster entscheidet (Aktenzeichen: 6 K 612/17). (pe)