„Wir haben noch Potenzial"Detlef Seif setzt auf Anreize statt Impfpflicht
Kreis Euskirchen/Berlin – Impfpflicht – Ja? Nein? Vielleicht! Die Bundestagsabgeordneten aus dem Kreis Euskirchen sind bei dem Thema nicht einer Meinung. So lehnen Detlef Seif (CDU) und Rüdiger Lucassen (AfD) die Impfpflicht ab. Markus Herbrand von der FDP befürwortet zumindest die einrichtungs- und berufsbezogene Impfpflicht, und Dagmar Andres (SPD) findet, dass die allgemeine Impfpflicht unumgänglich geworden ist. Worin sich die politischen Vertreter des Wahlkreises 92 aber einig sind: Das Thema „Impfpflicht“ sei hochkomplex.
Markus Herbrand
Die Thematik sei komplex, weil sie bis „in die tiefsten Persönlichkeitsrechte“ hineinreiche, sagt Markus Herbrand von den Liberalen. Seine Fraktion habe über die Impfpflicht ausführlich mit Experten, unter anderem dem Vorsitzenden des Ethikrates, diskutiert und sich über die unterschiedlichen rechtlichen, ethischen und medizinischen Fragen ausgetauscht. „Nach allen Abwägungen finde ich, dass wir einrichtungs- und berufsbezogene Impfpflichten temporär einführen sollten“, so der Gemünder. Bei einer allgemeinen Impfpflicht sei die Rechtssicherheit nach Meinung zahlreicher Juristen sehr wahrscheinlich nicht gegeben. „Deshalb wird sie von mir nicht unterstützt“, sagt der Liberale. Allerdings sei er in der Frage nicht dogmatisch, da er sehr wohl erkenne, dass man sich inmitten einer Pandemie befinde und möglicherweise unkonventionelle Maßnahmen zu ergreifen seien. Herbrand: „Die Debatte um die Impfpflicht und vor allem die diesbezüglichen Aussagen der Union überdecken lediglich die Versäumnisse der abgewählten Bundesregierung.“ So werde eine im Dezember wie auch immer gestaltete Impfpflicht die vierte Welle nicht brechen. Stärkere politische Anstrengungen im Sommer zur Steigerung der Impfrate hätten allerdings die katastrophale Entwicklung mit großer Wahrscheinlichkeit gestoppt oder zumindest spürbar abgebremst. Die enormen Versäumnisse bei der Impfkampagne sowie der fahrlässige Abbau von Intensivbettenkapazitäten seien eindeutig Fehler der im Sommer Regierenden. „Es ist ein Armutszeugnis, dass das teuerste Gesundheitssystem der Welt in die Knie geht, weil wir aktuell etwa 3600 zusätzliche Corona-Patienten auf Intensivstationen haben“, so Herbrand.
Rüdiger Lucassen
Rüdiger Lucassen von der AfD ist auf Konfrontationskurs. „Die alten und neuen Regierungsparteien wollen ihr Versagen beim Umgang mit Corona vertuschen und die Verantwortung einzig auf die ungeimpften Bürger abwälzen“, sagt der Bad Münstereifeler: „Ich bin absolut gegen einen Impfzwang. Der Schaden, der dadurch für unsere Gesellschaft und unser Land entstehen würde, wäre viel höher als sein vermeintlicher Nutzen.“ Eine Impfpflicht spalte das Land.
Dagmar Andres
Dagmar Andres (SPD) sagt, dass sich ihre Meinung zu dem Thema in den vergangenen Wochen geändert habe. Vor der Wahl habe sie die Impfpflicht noch abgelehnt. Mittlerweile sei aus ihrer Sicht die allgemeine Impfpflicht unumgänglich. „Ich fand es anfangs übertrieben, über eine Impfpflicht zu diskutieren, schränkt sie doch die Freiheit eines jeden Einzelnen ein“, sagt die Erftstädterin. Sie habe auf die Eigenverantwortung eines jeden Menschen gesetzt. Inzwischen zeige sich aber, dass dies nicht ausreiche. Andres: „Ich empfinde es mittlerweile nicht mehr als zumutbar, das Leben von Jugendlichen, vulnerablen Gruppen und Familien mit Kindern weiterhin so massiv einzuschränken. Die Freiheit eines jeden Einzelnen hört dort auf, wo sie die Freiheit anderer einschränkt.“
Das könnte Sie auch interessieren:
Detlef Seif
Detlef Seif von der CDU lehnt eine Impfpflicht nicht explizit ab, hält sie aber „für das allerletzte Mittel“. Zuvor müssten alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft werden. „Eine Impfpflicht bleibt ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit“, so der Christdemokrat. Wer nun ein entsprechendes Gesetz fordere, um die aktuelle Situation zu verbessern, zeige, dass er sich nicht ausreichend mit der Thematik beschäftigt habe. Zunächst müsste die Impfpflicht ihren parlamentarischen Lauf nehmen, dann könne erst geimpft werden. „Damit würden wir erst in eineinhalb, zwei Monaten die Situation verbessern und nicht die vierte Welle brechen“, sagt der Weilerswister.
Er macht sich dafür stark, dass die Regeln eingehalten werden. Zudem müsse man konsequent Werbung für die Impfung machen – gegebenenfalls mit Anreizen. „Wir haben noch Potenzial, wenn der Staat Einsatz zeigt“, so Seif.