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Erfolgreicher AthletEuskirchener JVA-Beamter holt in Rotterdam zwei Goldmedaillen

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Selbst fürs Foto im Kraftraum in der JVA Euskirchen packt sich Ingo Cremer ordentlich Gewicht auf die Hantel.

Euskirchen – Was macht der Isländer? Ingo Cremer hat immer ganz genau hingeschaut, wie viel Kilogramm Ottar Karlsson auf die Hantelstange packt. Es sollte zwar ein Dreikampf im Bankdrücken sein, an dem Cremer, Karlsson und Andreas Schreiber bei den World Police & Fire Games, den Olympischen Spielen für Mitarbeiter von Polizei, Feuerwehr, Zoll und Justiz, in Rotterdam in der Altersklasse 45+ bis 93 Kilogramm teilnahmen. Faktisch war es aber ein Zweikampf. Denn Andreas Schreiber lag schon nach dem ersten Durchgang deutlich hinten. Während Cremer und Karlsson 145 Kilogramm drückten, hatte der zweite Deutsche zehn Kilogramm weniger geladen.

Dann begann das Taktieren. Cremer erhöhte, ohne zu wissen, was Karlsson vorhatte, um zehn Kilogramm auf 155. Bei Gleichstand würde Karlsson gewinnen. Der Isländer war beim Wiegen am Tag zuvor nämlich 100 Gramm leichter als sein Kontrahent. Und wer leichter ist, gewinnt, wenn er das gleiche Gewicht in die Höhe bringt. Die Taktik ging auf: Karlsson stemmte nur 150 Kilogramm. „Und dabei hat er schon ganz schön gewackelt“, sagt Cremer, der in der JVA Euskirchen arbeitet. Beim dritten Durchgang war dann alles klar. Karlssons Versuch mit 155 Kilogramm wurde für ungültig erklärt. Er hatte mit dem Allerwertesten die Bank verlassen und sich so einen Vorteil verschafft. Cremer, der immer nach Karlsson dran war und deshalb schon als Sieger der Goldmedaille feststand, stemmte trotzdem noch die 160 Kilogramm – und das auf seine besondere Weise.

Mister Triceps

Wegen einer Schulterverletzung, die er sich beim Boxen zugezogen hatte, kann der 47-jährige Kreuzauer nur eng drücken, was ihm bei den US-amerikanischen Athleten den Spitznamen „Mister Triceps“ eingebracht hat. Seine Kraft kommt aus den Armen, dadurch ist der Weg nach oben länger, als wenn er die Langhantel aus der Brust drückt. „Aber ich konnte schon mit 16, als ich mit dem Boxen und dem Krafttraining angefangen habe, immer gut Dips“, sagt er und meint damit keine Soßen, in die man Knabberzeug tunkt, sondern Übungen, mit denen man die Kraft im Trizeps trainiert.

Cremer brachte sogar noch eine zweite Goldmedaille mit aus Rotterdam – im Kraftzweikampf. Doch die Medaille war am Ende geschenkt. Der einzige Konkurrent, wieder Andreas Schreiber, zog vor dem Wettkampfbeginn zurück. Antreten musste Cremer dennoch und stemmte auf der Bank 160 und aus dem Kreuz, also im Stehen, 175 Kilogramm.

Nur halb so viele Athleten dabei

Die geringe Konkurrenz ist Corona geschuldet. Eigentlich finden die World Police & Fire Games (WPFG) alle zwei Jahre statt. Doch die 2021er-Auflage musste wegen der Pandemie um ein Jahr geschoben werden. Hinzu kam der Ausschluss von russischen und weißrussischen Athleten. Das alles führte dazu, dass von den ursprünglich 14.000 Anmeldungen für 2021 etwas weniger als die Hälfte übrig geblieben sind, so berichtete es Cremer. Immerhin hat die Veranstaltung aber stattgefunden, denn ihr gehen sechs Jahre Vorbereitungszeit voraus, außerdem fallen hohe Kosten an.

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Kehrte mit  zwei Goldmedaillen aus Rotterdam heim:   Ingo Cremer. 

Im deutschen Team, in dem die Justizbeamten den kleinsten Teil stellen, ist Cremer seit 2013. Eigentlich kam er aus dem Boxen, doch mit seinen damals 37 Jahren war er für die Wettkämpfe zu alt. Also trat der Sportbeamte im Kraftsport an. Rotterdam war nach Belfast, Fairfax County, Los Angeles und Chengdu schon die fünfte Teilnahme an den WPFG für den Kreuzauer. In Fairfax County hatte er 2015 Gold im Kraftzweikampf gewonnen, zwei Jahre später in Los Angeles waren es dann zwei Goldmedaillen in den gleichen Disziplinen wie jetzt in Rotterdam. Und wenn alles gut geht, ist er 2023 bei den Spielen in Winnipeg auch dabei. Insgesamt belegten die deutschen Athleten den dritten Platz im Medaillenspiegel – nach den Niederlanden und Spanien, vor Brasilien und den USA.

Chengdu war am Interessantesten

Auf die Frage, wie er die einzelnen Austragungsorte einsortieren würde, steht für ihn Chengdu in China auf Platz eins. Die Eindrücke des kommunistischen Landes waren doch gewaltig. Rotterdam rangiert auf dem fünften Platz. „Das ist eine Business-Stadt wie New York, die Wettkämpfe fanden in einem Riesen-Messezentrum statt“, so Cremer.

Und ganz günstig ist das nicht. Auch wenn er in den deutschen Farben aufläuft und es mit der German Police & Fire Sports Foundation einen Dachverband gibt, für den die 150 bis 200 Athleten in Rotterdam aufliefen, muss Cremer alles selbst zahlen. Es sei denn, man hat Sponsoren, die einen unterstützen. Vom Hotel bis hin zum Essen hat sich Ingo Cremer in Rotterdam selbst um alles gekümmert. Die Kosten für die Verpflegung im Messezentrum Rotterdam waren dann auch auf Messepreisniveau. Da seine Frau und einer seiner Söhne ihn unterstützt haben und mit angereist waren, kostet die Teilnahme an den WPFG dann doch so viel wie ein günstiger Urlaub. Stimmung wie in den Ferien war im Hotel ohnehin. „Die brasilianischen Athleten waren auch bei uns untergebracht“, erzählt er. Da war dann öfter Party.

Und wie geht es weiter? Wegen einer schweren Erkrankung eines Sohnes hat er dieses Jahr nicht an den Deutschen Meisterschaften im Bankdrücken teilnehmen können. Deshalb freut er sich auf einen Wettkampf am 20. August in Freiburg. „Das ist ein hochklassiges Turnier, weil es als Qualifikation für die WM gilt“, so Cremer. An der Gewichtheber-Weltmeisterschaft im Oktober in Berlin nimmt er allerdings nicht teil. Stattdessen hat er seinen Fokus auf die nächsten WPFG in Winnipeg gelegt: Es gilt für ihn ja, zwei Titel zu verteidigen.