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Zuckerrüben-ProduktionRübenmaus und Lkw entlasten Anwohner von Lärm

Lesezeit 6 Minuten

Mit Hilfe eines langen Auslegers befördert die Rübenmaus die vorgereinigten Zuckerknollen auf die Lastzüge.

Euskirchen – Die Fabrik dampft wieder mächtig vor sich hin, oft ist auch zu riechen, dass hier Rüben zu Zucker „eingekocht“ werden. Doch der technische Fortschritt hat nicht nur innerhalb der Zuckerfabrik von Pfeifer & Langen Einzug gehalten, sondern macht sich auch auf den Straßen im Rheinland bemerkbar.

Die Ströme der Rübentransporte fließen im Gegensatz zu früher ganz einfach im normalen Fahrzeugverkehr mit. Vorbei die Zeiten, da ein kleiner Trecker mit zwei kleinen Anhängern voller Knollen gemächlich am Kopf einer Kolonne ungeduldiger Auto- und Lastwagenfahrer dahintuckerte. Heute rollen schwere Traktoren mit Allrad-Antrieb vor mit Druckluft gebremsten Riesenanhängern daher. Und diese Anhänger sind zumeist mit gelben Reflexionsstreifen versehen und weithin sichtbar.

Rund eine Million Zuckerrüben in Euskirchen

Und sie sind schon wieder relativ selten im Straßenbild, denn das Gros der Zuckerrüben kommt auf modernen Muldenkippern daher. In der Zuckerfabrik Jülich koordiniert Heinz Leipertz die Zuckerrübentransporte vom Feld bis in die Fabriken Euskirchen, Jülich und Appeldorn. Die Rüben kommen aus Maifeld bei Koblenz, aus dem westlichen Ruhrgebiet, von der deutschen Seite der belgischen und niederländischen Grenze oder aus der Region südlich von Münster in die Fabriken.

Ein Wasserstrahl spült die Rüben von Transportanhängern, die nur zur Seite abkippen können. Das geht fast im Minutentakt so.

Leipertz hat ein Ziel: „Wir wollen die Strecken zur Fabrik optimieren, denn jeder Kilometer kostet Geld.“ Deshalb hat der Sohn eines Rübenbauern aus Broich bei Jülich die Anlieferbereiche rund um die drei Fabriken optimiert. In Euskirchen werden Rüben aus dem Rhein-Sieg-Kreis, dem Rhein-Erft-Kreis und aus dem Maifeld bei Koblenz angeliefert. Rund eine Million Tonnen Rüben verarbeitet die Zuckerfabrik in Euskirchen in jedem Jahr, produziert daraus gut 150.000 Tonnen Zucker. Täglich braucht die Fabrik, die 10.500 Tonnen am Tag verarbeitet, 12.000 Tonnen Rüben. Denn die an sieben Tagen dampfen die Kessel, aber nur an sechs Tagen wird angeliefert. Die Rübenkommen zu 85 Prozent auf großen Muldenkipper, die bis zu bis zu 27 Tonnen fassen, und nicht so klappern wie frühere Gefährte.

Von 3700 Rübenbauern zu 922 Landwirten

„Überhaupt hat sich die Logistik sehr verändert“, sagt Leipertz. In den 60er Jahre habe die Fabrik 3700 Rübenbauern unter Vertrag gehabt, um eine Tagesleistung von 6000 Tonnen zu garantieren. Tagsüber seien 700 bis 800 Traktorgespanne angerollt. „Die Anhänger waren mit fünf bis acht Tonnen ausgelastet“, so Leipertz. Es sei eine regelrechte Revolution gewesen, als sich erste Transportgruppen von Landwirten zusammengetan hätten, so Leipertz: „Die Bauern kauften damals zu dritt oder zu viert einen sogenannten Lof-Lastzug mit kurzer Zugmaschine und Dreiachsanhänger. Die konnten auf einen Schlag 22 Tonnen transportieren und deutlich schneller fahren, als die Traktoren.“ Lof steht für Land- oder Forstwirtschaft, die Fahrzeuge haben grüne Nummernschilder, sind ausschließlich für den landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen nicht gewerblichen Einsatz und sind steuerbefreit.

Gleichzeitig wurde die Rübenverladung auf dem Feld verbessert: „Rübenmäuse“ reinigten die Zuckerknollen grob von anhaftender Erde. „Statt 15 Prozent Erde und Blättern kommen jetzt nur noch zwei bis vier Prozent Schmutz mit in die Fabrik. Pro Tonne Fracht stieg also der Rübenanteil“, sagt Leipertz. Die Erträge auf den Feldern stiegen ebenfalls. Statt 20 oder 30 Tonnen Rüben je Hektar wurden auch dank neuer Sorten Ernten von bis zu 70 oder 80 Tonnen erzielt.

Rückwärts kippen und schnell weg: Muldenkipper im Einsatz.

Heute produzieren 922 Landwirte die Rüben für die Zuckerfabrik in Euskirchen. Täglich rollen knapp 500 Lastzüge oder moderne Traktorengespanne an, wobei die Hauptlast tagsüber bewältigt wird. Einige der Maschinenringe fahren nachts nicht. „Das sorgt auch für eine Geräuschentlastung der Anwohner an den Straßen, die unsere Lastzüge fahren müssen“, sagt Heinz Leipertz (Foto). Natürlich gebe es immer noch Landwirte, die ihre schweren Traktoren für den Rübentransport einsetzten. Doch die dürften nur tagsüber anliefern, weil man die Bevölkerung nachts vor den Fahrgeräuschen der groben Stollenreifen schonen wolle.

Wie kommt nun die Rübe in die Fabrik? Moderne Rübenroder wie etwa die mächtigen dreiachsigen Ropa Euro-Tiger des Maschinenrings Zülpicher Börde holen die Knollen aus dem Boden, Siebe und Karussells in den Maschinen entfernen den groben Schmutz, Blatttrennungssysteme sorgen dafür, dass die Rübenblätter nicht mit in den Bunker des Vollernters gelangen.

Nur zulässige Transportmenge wird bezahlt

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Heinz Leipertz ist Logistiker für die Zuckerfabriken von Pfeifer & Langen im Rheinland. Das gebiet reicht von Maifeld/Koblenz im Süden bis fast nach Münster, von der deutsch-belgischen und deutsch-niederländischen Grenze bis an Bergische und ins Ruhrgebiet.

Am Feldrand werden die Rüben zu langen Mieten aufgehäuft. Dort werden sie mit „Lademäusen“ erfasst, noch einmal gereinigt und dann auf einen Lastzug oder ein Traktorgespann, verladen. Steine, Rübenblätter und Erde sind jetzt weitgehend entfernt. In der Zuckerfabrik kommen jetzt alle zwei bis drei Minuten Gespanne oder Lastzüge an, werden gewogen, rollen dann auf die Rübenannahme für die Seitenkipper oder auf die Rübenplatte für die rückwärts kippenden Muldenfahrzeuge. Hier werden die Rüben mit einem mächtigen Radlader zu einem schier unübersehbaren Berg aufgetürmt, der darauf wartet, an Sonn- und Feiertagen abgearbeitet zu werden.

Die Transporte der Rüben vom Feld in die Fabrik werden von der Zuckerfabrik bezahlt. Damit die Lastzüge nicht überladen werden, wie das bisweilen in der Forstwirtschaft passiert, zahlt die Zuckerfabrik nur die zulässige Transportmenge auf Gespannen oder Lastzügen, die bei Einfahrt in die Zuckerfabrik nicht mehr als 40 Tonnen wiegen. „Profis kommen oft mit einem Gesamtgewicht von gut 39,5 Tonnen hier an, weil die Fracht wie bei 40 Tonnen Gesamtgewicht bezahlt wird“, wissen Insider.

Auch Zeit ist Geld

Schlechte Ernte

In diesem Jahr rechnen die Rübenbauern mit einer drastisch geringeren Ernte als im sehr guten Jahr 2017. „Da haben wir 450.000 Tonnen Rüben mit unserem Maschinenring geerntet, heute sind es vermutlich nur 250.000 bis 260.000 Tonnen“, so ein Mitglied des Maschinenrings Zülpicher Börde. Die hiesigen Rübenerzeuger hat es wegen des langen, trockenen Sommers besonders hart getroffen.

Der Zuckergehalt der Rüben steigt zwar von etwa 17 auf bis zu 22 Prozent, doch mit der Dehydrierung der Rübe nimmt der Anteil an nicht erwünschten Inhaltsstoffen in der Knolle zu, die mit höherem Aufwand separiert werden müssen. (bz)

Da die Rübenmaus eine eingebaute Waage hat, lässt sich das Gewicht der Rübenladung auf dem Acker gut bestimmen. Wer seinen Lastzug überladen hat, der bekommt laut Zuckerfabrik kein Geld für den Transport des „Übergewichts“. Und der Fahrer, der sein Rübenfahrzeug deutlich überladen habe, der müsse gar mit Abschlägen für den regulären Transport rechnen. „Das überlegen sich die Transporteure dann“, so Leipertz.

Im Durchschnitt werden Zuckerrüben knapp 25 Kilometer weit nach Euskirchen transportiert, denn nicht nur jeder Kilometer Fracht kostet Geld. Auch Zeit ist Geld, auch für die Transportgruppen, deshalb wird die Verweildauer der Fahrzeuge in der Fabrik erfasst. In der Euskirchener Zuckerfabrik haben die Fahrer unter 13 Minuten Aufenthalt. „Das geht recht schnell von der Waage bis zum Abkippen“, so Leipertz. Dann sind die Traktorgespanne oder die modernen Aluminium-Muldenkipper wieder auf der Straße, um neue Fracht zu holen.

www.pfeifer-langen.com