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GerichtsprozessWenn das Veterinäramt kommt, flippt ein Landwirt aus Zülpich zuweilen aus

Lesezeit 3 Minuten
Ein leerer Gerichtssaal im Amtsgericht Euskirchen.

Ein Landwirt wurde vom Schöffengericht Euskirchen verurteilt.

Es beließ es nicht bei verbalen Attacken, sondern er wurde auch gewalttätig. Nun wurde der Landwirt aus Zülpich verurteilt.

Am Ende der Hauptverhandlung wünschte der Angeklagte allen Beteiligten „Frohe Weihnachten“. Hätte der heute 49-Jährige vor etwas mehr als einem Jahr doch nur eine ähnliche Freundlichkeit an den Tag gelegt, als drei Mitarbeiter des Kreisveterinäramtes auf seiner Weide im Zülpicher Stadtgebiet auftauchten, um zu kontrollieren, ob der Umgang mit den Rindern auch tiergerecht war, wäre ihm der Termin vor dem Euskirchener Schöffengericht am Donnerstag erspart geblieben.

Hat er aber nicht. Stattdessen attackierte er die Kreismitarbeiter verbal, aber auch körperlich. Einer Veterinärin, die per Handy Filmaufnahmen machte, entriss er das Smartphone mit derartiger Gewalt, dass ihr später Verspannungen im Nackenbereich diagnostiziert wurden.

Wenn das Veterinäramt das nächste Mal kommt, gehe ich.
Angeklagter

Ihr Kollege, der einschreiten wollte, fand sich kurz darauf auf dem Rücken liegend wieder, den Angeklagten auf sich kniend. Dass der dritte Verwaltungsmitarbeiter das Ganze mit seinem Smartphone festhielt, machte nun die Beweisführung ziemlich einfach.

Die Vorführung des Films konnte sich das Schöffengericht sparen, denn der Landwirt war geständig. Auch das ein Grund dafür, dass er mit einem Jahr auf Bewährung, einer Zahlung von 700 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung sowie einer Schadenersatzzahlung an die geschädigte Mitarbeiterin der Kreisverwaltung das Gericht mit einem sprichwörtlich blauen Auge verlassen konnte.

Handy an sich gerissen: Raub oder kein Raub?

Es war einer dieser Fälle, von denen seit einigen Jahren vermehrt die Rede ist: Staatsbedienstete, aber auch freiwillige Helfer sind demnach immer wieder der Gewalt von wütenden Bürgerinnen und Bürgern ausgesetzt. Das Gewaltmonopol liege aber beim Staat, stellte der Vorsitzende Richter Dr. Wolfgang Schmitz-Jansen fest. Sollte man mit dessen Handeln nicht einverstanden sein, biete der Rechtsstaat Möglichkeiten des Widerspruchs.

Der Landwirt jedenfalls gab sich einsichtig. „Wenn das Veterinäramt das nächste Mal kommt, gehe ich“, versprach er dem Gericht. Dann überlasse er die Angelegenheit seinen Eltern.

„Das ist eine gute Strategie“, stimmte ihm der Richter zu. Denn für die Annahme, dass seine Impulskontrolle bei Besuchen des Veterinäramts eher schlecht funktioniert, spricht ein Vorfall aus dem Jahr 2020. Auch da war er die Mitarbeiter übelst verbal angegangen und auch da hatte er ihnen das Filmen untersagen wollen. Das brachte ihm letztlich eine Geldstrafe ein.

Landwirt hatte schon mal Mitarbeiter des Veterinäramts attackiert

Warum aber neigt Landwirt zur „sehr schnell anflutenden Erregung“, wie es der Richter nannte? Sein Anwalt Josef C. Rhiem, dessen ruhige Art eine positive Wirkung auf seinen Mandanten zu erzielen schien, berichtete dem Gericht, dass der heute 49-Jährige vor Jahren länger im Koma gelegen habe, seitdem körperlich und in der Folge auch psychisch stark angeschlagen sei. Aus beiden Gründen befinde er sich in Dauerbehandlungen.

Nachdem der Sachverhalt aufgrund des Geständnisses ziemlich klar war, bedurfte es einer rechtlichen Bewertung. Ist das Ansichreißen des Handys als Raub zu werten? Die Staatsanwältin fand ja – und forderte eine Strafe von eineinhalb Jahren auf Bewährung. Es handele sich schließlich um eine zumindest vorübergehende Aneignung.

Verteidiger Rhiem ging da nicht mit. „Sein einziger Gedanke war es, dass das Filmen aufhört“, sagte Rhiem über das Motiv seines Mandanten. An dem Handy an sich sei ihm überhaupt nicht gelegen gewesen.

Dem schloss sich das Gericht an, den Vorwurf des Raubes sehe es nicht bestätigt, so Schmitz-Jansen in seiner Urteilsbegründung. Der Widerstand und die Gewaltanwendung sowie die Beleidigung gegen Vollstreckungsbeamte jedoch seien zu verurteilen, wenn auch zu berücksichtigen sei, dass die Opfer keine langwierigen Folgen zu erleiden hatten und der Angeklagte sich nach der ersten Erregung dann doch zurückgezogen und sich beruhigt habe. Der Landwirt nahm das Urteil an, auch die Staatsanwältin verzichtete auf Rechtsmittel.