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Ersthelfer-KurseZülpicher gibt Erfahrungen als Soldat in Afghanistan weiter

Lesezeit 6 Minuten

Die Erfahrungen aus seinen Einsätzen in Afghanistan, hier bei der Übergabe eines Fahrzeugs an einen afghanischen Polizeiarzt, lässt Thorsten Mette in seine Kurse einfließen.

Zülpich – Im Seminarraum des Museums für Badekultur liegen auf einem langen Tisch allerlei medizinische Gerätschaften sowie ein präparierter Bundeswehrhelm mit einem eindrucksvollen Einschussloch. Thorsten Mette, Hauptmann im zentralen Sanitätsdienst der Bundeswehr, hat nur einen kleinen Teil seiner Ausrüstung mitgebracht, die er für seine ganz speziellen Erste-Hilfe-Lehrgänge benötigt.

„Was man hier sieht“, sagt er, „ist die medizinische Standardausrüstung, die jeder Soldat in seinem Rucksack mitführt.“ Der kaputte Helm gehöre natürlich nicht dazu. Den hat der Zülpicher als Beispiel dafür mitgebracht, dass auch ein Helm nicht immer schützt. Im Herbst vergangenen Jahres hat Mette von einem Freund in Jüchen, der aus gesundheitlichen Gründen kürzer treten musste, die Firma MeDi-Retter übernommen.

Kurse gibt es viele

Zahlreiche Einrichtungen und Hilfsorganisationen im Kreis bieten Ersthelfer-Kurse an. Auf die Frage, was sein Konzept denn etwa von den Kursen des Roten Kreuzes unterscheide, hat der Soldat eine klare Antwort: „Die normalen Ersthelferkurse unterscheiden sich nicht sehr, sie sind ja auch von der Berufsgenossenschaft anerkannt. Ich biete darüber hinaus Leistungen nach dem BERATH -System an.“

Das von Mette selbst entwickelte System setzt sich zusammen aus den Begriffen Beratung zu Auslandsreisen in Nicht-EU Länder, Erste-Hilfe-Kurse, Rettungsschule, Allgemeine medizinische Dienste, Taktische Verwundetenversorgung in besonderen Lagen und Hygiene/Desinfektion.

Mentor in Reihen der afghanischen Streitkräfte

Die taktische Verwundetenversorgung liegt dem Familienvater besonders am Herzen. Er war in zwei Afghanistan-Einsätzen als Medical Mentor in den Reihen der afghanischen Armee tätig und konnte dort in seiner beratenden Position viele Verbesserungen im Bereich der medizinischen Erstversorgung erzielen. „Die Sanitäter versorgten ihre Verwundeten einfach mitten im Gefecht auf dem Schlachtfeld. Das machen wir schon lange nicht mehr so.“ Teilweise seien es Zustände gewesen wie im Ersten oder Zweiten Weltkrieg. Auf Fotos zeigt er eine Feldküche, die so schmutzig ist, dass sie eher an eine Mülldeponie erinnert.

Wünschewagen

Mettes nächstes Projekt ist ein Rettungswagen, für den er die Inneneinrichtung schon zusammen hat und für dessen Anschaffung er derzeit Sponsoren sucht. Das Fahrzeug soll nicht nur zu Lehrzwecken dienen, sondern eine ganz besondere Funktion haben: die eines sogenannten Wünschewagens.

Das Projekt zielt auf Menschen ab, die das Krankenhaus nicht mehr verlassen können, da sie pausenlos medizinisch versorgt werden müssen. Der Wunsch vieler dieser Patienten sei es, noch einmal irgendwohin zu fahren, wo es schön ist: in die alte Heimat oder ans Meer.

Durch ehrenamtliche Helfer im medizinischen Bereich und die notwendige Ausrüstung mache ein Wünschewagen dies möglich, weil dieses Fahrzeug als Rettungsfahrzeug alle notwendigen Voraussetzungen erfülle. (emb)

Während seiner Einsätze konnte der 38-Jährige bei der Errichtung einer zentralen Rettungsleitstelle und einer Rehaklinik helfen sowie neue Standards in der Notfallversorgung setzen, beispielsweise Rettungszelte am Rand der Gefechtsgebiete, um die Zahl der Opfer zu minimieren. Auch die Fortbildung der afghanischen Ausbilder gehörte zu seinen Aufgaben.

Besonderes Augenmerk aufs Blutstillen

Das richtige Verhalten in einer gefährlichen Situation sei von größter Wichtigkeit, ist Mette überzeugt. Und es müsse ein viel größeres Augenmerk auf blutstillende Maßnahmen gelegt werden. „ Die meisten Hilfsorganisationen schauen zuerst nach der Atmung, dann erst nach Wunden.“ Er mache das nicht. Studien hätten ergeben, dass bei den Terroranschlägen von Paris und Boston mehr Menschen überlebt hätten, wenn man sich zuerst um die Blutstillung gekümmert hätte. Mette: „Denn letztlich ist es ja das Blut, das den Sauerstoff in unsere Zellen transportiert.“ Leider stoße er damit vielerorts noch auf taube Ohren, ebenso mit seinen Hinweisen zur Sicherung von Gefahrenzonen. Zwar sei die Wahrscheinlichkeit, bei einem Terroranschlag ums Leben zu kommen, noch geringer, als vom Blitz erschlagen zu werden. Doch das bedeute nicht, dass Einsatzkräfte von Feuerwehr und Polizei nicht alle Möglichkeiten in Betracht ziehen müssten.

Als Beispiel beschreibt Mette den Anschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt 2016: „Diese Extremisten sind alle militärisch ausgebildet. Hätte Anis Amri genug Zeit gehabt, den Lkw mit Sprengfallen zu versehen, wäre den Feuerwehrleuten alles um die Ohren geflogen.“

Team von zehn Ausbildern

Trotz seiner lebhaften Beschreibungen ist Mette der Ansicht, dass die Angst vor Terroranschlägen in Deutschland nicht geschürt werden sollte. Doch es gebe auch andere Situationen, in denen ein schnelles Handeln und eine sichere taktische Verwundetenversorgung sehr wichtig seien. Selbst dann, wenn etwa in einem Garten ein Grill explodiere, weil er unsachgemäß bedient wurde, sei es unerlässlich, die Situation schnell einzuschätzen und unter Kontrolle zu bringen. Da er selbst einmal einen Reitunfall hatte, bietet er sogar „Erste Hilfe für Pferd und Reiter“ an.

Wenn es um die taktische Verwundetenversorgung geht, hat Mette bislang meist Sicherheitskräfte, Polizisten und Feuerwehrleute in seinen Symposien sitzen. Aber auch Privatpersonen könnten das Angebot nutzen. Dazu hat der gebürtige Sauerländer ein Team von zehn Ausbildern, die alle staatlich geprüft und zugelassen sind und regelmäßig von Ärzten kontrolliert würden, um die Anforderungen der Lehrgänge zu erfüllen.

Psychische Erkrankungen nicht nur unter Soldaten

Ein weiteres Thema ist für Mette von besonderer Bedeutung. „Als Soldat erlebt man viele schlimme Dinge. Aber auch Polizisten, Feuerwehrleute oder Unfallzeugen sind potenziell gefährdet, das sogenannte Posttraumatische Belastungssyndrom, kurz PTBS, zu erleiden.“ Betroffene hätten oft ihr ganzes Leben damit zu kämpfen und würden von anderen oft missverstanden. Mette hält mit seinem Team aus Ärzten und Psychologen auch Vorträge zu dieser psychischen Erkrankung, erklärt die Symptome, die Auslöser und Behandlungsmöglichkeiten.

In der Bevölkerung sieht er wenig Interesse an der Thematik. Dabei könne es jeden treffen. „Eine Mutter muss nur sehen, wie ihr Kind auf die Straße vor einen Lkw läuft“, sagt er ernst: „Selbst, wenn nichts passiert, kann es sein, dass dieses Erlebnis schon ein Trauma auslöst.“ Letztlich gehe es viele an. Auch Angehörige lernten in seinen Vorträgen, wie sie mit dem Leid der Erkrankten umgehen und sie unterstützen könnten.

Aus Afghanistan mit nach Deutschland gebracht

Mette gegenüber sitzt Yousof Rezai, ein Afghane, den Mette 2015 nach seinem zweiten Einsatz mit nach Deutschland gebracht hat. Wegen seiner perfekten Englischkenntnisse sei dieser vor Ort von der Bundeswehr als ziviler Dolmetscher eingestellt und dem damaligen Leutnant Mette zugeteilt worden.

„Als ich nach Masar-i-Sharif kam, konnte ich kaum ein Wort Englisch“, sagt Mette. Es seien viele deutschsprachige Übersetzer vor Ort gewesen, auch Deutsche und Österreicher. „Und wen bekam ich zugeteilt?“ Beide beginnen zu lachen. „Ausgerechnet Yousof, der kein Wort Deutsch sprach.“

Dass die beiden inzwischen Freunde geworden sind, ist nicht zu übersehen. Doch Yousof, dessen Deutschkenntnisse inzwischen recht gut sind, ist besorgt. Ende 2019 läuft die Aufenthaltsgenehmigung des 28-Jährigen ab. Und da Afghanistan derzeit wieder als sicheres Herkunftsland eingestuft sei, fürchte er, in sein Heimatland abgeschoben zu werden. Trotz des besonderen Umstandes seiner Lage. Die Taliban und Teile der afghanischen Bevölkerung sähen in ihm einen Verräter, der „gemeinsame Sache mit dem Feind“ gemacht habe.

Yousof, der in Kabul Betriebswirtschaft studiert hat, wohnt ebenfalls in Zülpich und wird von Zeit zu Zeit vom DRK als Übersetzer bei der Betreuung von Flüchtlingen eingesetzt. „Ich muss jetzt abwarten, was passiert und welche Möglichkeiten ich habe, hier zu bleiben“, sagt er: „Wenn ich zurück muss, ist das mein Todesurteil.“ (emb)

Der erfahrene Sanitäter hat mittlerweile einen Bürojob bei der Bundeswehr. Der bietet ihm die Flexibilität, Lehrgänge und Kurse geben zu können. Es sei ihm wichtig, sein Wissen weiterzugeben. „Wenn ich mal nicht kann, habe ich zuverlässige Vertreter an meiner Seite.“

Langfristig hat er geplant, aus der Firma einen eingetragenen Verein zu machen. Das Geld, das er mit den medizinischen Lehrgängen verdiene, solle seine Dienstleistung dann für Erkrankte kostenlos machen.

Auf die Frage, ob er wieder nach Afghanistan gehen würde, wenn man ihn frage, kommt ein entschiedenes: „Ja, auf jeden Fall!“

www.medi-retter.de