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Karneval und IntegrationPrinzengarde mit jeckem Doppelschlag in Zülpich

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Zülpichs Prinz Rolf II. schmeißt Kamelle beim Einmarsch in den Saal.

Kamelle und Strüßjer: Zülpichs Prinz Rolf II. genoss den Einmarsch im Forum der Römerstadt sichtlich.

Dass behinderte und nicht behinderte Menschen gemeinsam Karneval feiern, hat in Zülpich Tradition: Im Forum fand jetzt die 20. Auflage der integrativen Sitzung statt.

„In Zöllechs ahle Muure…“: Die erste Zeile des Karnevalslieds ziert das stimmungsvolle Gemälde mit spätgotischer Gasthauskapelle und den alten Fachwerkhäusern am Fischmarkt an der Stirnseite des Forums. Dem eher schlichten Funktionsbau verlieh das Bild so gleich die richtige Atmosphäre fürs jeck sein. „Auf ein Neues“ lautet nach zweijähriger Corona-Pause ihr Mut machendes Sessionsmotto, und so sehen es auch die Verantwortlichen um Präsident Horst Wachendorf und seine Vertreter Simon Deuster und Torsten Zielke, die sich die Leitung der Kostümsitzung teilten.

Rund 400 Karten waren verkauft worden, damit war das Forum zu drei Viertel gefüllt. Wie sich mit Blick auf das Schicksal anderer Vereine zeigt, die teils Veranstaltungen mangels Nachfrage absagen, ist das in der Nach-Corona-Session noch ein guter Wert. Im Zülpicher Karneval sind die Kostümsitzungen oft vor allem eine große Familienfeier der vier Karnevalsvereine der Stadt, die wichtige Kulturträger und Brauchtumswahrer sind. Alleine die Prinzengarde ließ zu Beginn ihrer Sitzung mehr als 80 Aktive aus Gardisten, Musikkorps, Mariechen Alexandra Berg mit „singem Jong“ Tanzmajor Jonah Kehren aufmarschieren.

Ähnlich stark vertreten waren auch die Blauen Funken. Mit Abordnungen waren auf der Sitzung auch die Zöllecher Öllege, ältester Karnevalsverein der Stadt, und die „jüngsten“, die Hovener Jungkarnevalisten vertreten. „Endlich! Gott sei Dank, wir können wieder Karneval feiern“, sagte Horst Wachendorf zu Beginn der rund vierstündigen Veranstaltung. Zu der waren auch befreundete Vereine wie der Bürvenicher Karnevalsverein, die KG Rot-Weiss Enzen oder die Prinzengarde Euskirchen gekommen. Nicht fehlen durfte natürlich auch Prinz Rolf II., in diesem Jahr wird die Tollität in der Römerstadt von den Hovener Jungkarnevalisten gestellt.

Kurzweiliges Programm der Prinzengarde Zülpich

Sie alle sahen ein kurzweiliges Programm, zu dem neben dem Aufzug der beiden Garden auch „Et Superjecke Dreigestirn“, ein Showprogramm mit „Handpuppe“, die sich als Mitspieler auf der Bühne entpuppten, das Tanzcorps Colonia Rut-Wiess der Schlenderhahne Jonge aus Köln und das Danzspektakel Bürvenich gehörten. Für die närrische Ansprache sorgte der „Tuppes vom Land“ alias Jörg Runge, für die Musik die Räuber und zum Abschluss die jecke Brassband Knallblech. Sie sorgte ganz im Stil von Querbeat für beste Stimmung.

Mariechen Alexandra Berg mit Tanzoffizier Jonah Kehren von der Prinzengarde Zülpich.

Marieche danz: Alexandra Berg mit Tanzoffizier Jonah Kehren.

20 Jahre Inklusion beim Karneval in Zülpich

Tags drauf feierte die Prinzengarde als Gastgeber sogar Jubiläum.Die beiden Corona-Pausenjahre eingerechnet, veranstalten die Karnevalisten seit 20 Jahren ihre „Sitzung für und mit behinderten und nichtbehinderten Menschen“. Für dieses Engagement und eine besondere Inklusionsidee wurde die Garde 2021 mit dem Heimatpreis des Kreises Euskirchen ausgezeichnet, der 2022 nachträglich verliehen wurde. „Es ist toll, dass die Prinzengarde eine solche Veranstaltung anbietet“, lobte Landrat Markus Ramers das Konzept. Zu Beginn war die Prinzengarde mit der Idee, die sie von einem Auftritt auf einer ähnlichen Veranstaltung in Erftstadt mitgebracht hatte, kreisweit Pionier.

Tipps, wie man eine Inklusionssitzung vorbereitet, hatten sich die Gardisten von den Experten in Hoven-Marienborn und dem Bürvenicher Haus Lebenshilfe geholt. „Es fing in den ersten Jahren erst langsam an, dann wurde der Zuspruch stärker, heute sehen wir das gefüllte Forum“, so Wachendorf mit Blick auf rund 250 Besucher und Besucherinnen. Im Kreis ist mittlerweile in Vernich mit der Sitzung „Miteinander, Füreinander“ ein ähnliches Programm entstanden. Am Samstag im Publikum mit dabei auch eine 30-köpfige Gruppe aus mehreren Wohngruppen der Lebenshilfe, betreut unter anderem von Birte Karstens.

Leon Marx und Petra Virnich mit Betreuerin Birte Karstens aus einer Wohngruppe der Lebenshilfe Zülpich.

Jeder und Jede kann ein Karnevalsjeck sein, meinen Leon Marx und Petra Virnich mit Betreuerin Birte Karstens (r.) aus einer Wohngruppe der Lebenshilfe Zülpich.

„Alle zesamme fiere mer Karneval“

Es sei schön, dass hier Menschen mit und ohne Handicap zusammen feiern, das nutze dem gegenseitigen Verständnis, so Karstens. Wohngruppenbewohner Leon Marx wiederum machte deutlich, dass es auf diesen Unterschied eigentlich gar nicht ankommt. Ob mit oder ohne Handicap: Jeder und jede könne ein Karnevalsjeck sein. Auch hier machte Zülpichs Tollität Rolf II. natürlich seine Aufwartung, und sah es ähnlich wie Leon: „Alle zesamme fiere mer Karneval. Janz ejal, wo mir stonn und wie mer sin!“

Auf der Bühne folgten neben der Kinder- und Jugendtanzgarde der Prinzengarde Auftritte des Spielmannszugs der Freiwilligen Feuerwehr Euskirchen, Showtanz der Palm Beach Teens, und das Bürvenicher Danzspektakel. In „Zöllechs ahle Muure“, auch wenn es die neuen des Forums sind, war bei beiden Prinzengardesitzungen widder jett loss.