Die SPD im Kreis Euskirchen diskutierte mit Gästen über die EU. Ein Landwirt beklagte die überbordende Bürokratie, auch Angst war ein Thema.
ThemenabendSPD beleuchtet in Zülpich die vielen Facetten Europas
„Wenn heute Bundestagswahl wäre...“ – das ist ein Satz, der beinahe täglich in den Medien auftaucht. Und wie der nächste Bundes- oder Landtag aussehen könnte, beschäftigt nicht nur jene, die sich generell viel mit der Politik auseinandersetzen. Die bevorstehende Europawahl hingegen bleibt aus Sicht von Landrat Markus Ramers dabei viel zu häufig im Hintergrund.
„Mich stört schon seit langer Zeit vor Europawahlen, dass man erklären muss, warum sie überhaupt wichtig sind“, so der SPD-Mann. Gerade in einem Kreis, der im Herzen Europas und nahe an den Grenzen zu den Nachbarländern liege, müsse Europa ein zentrales Thema sein, um die Demokratie und den Frieden, den wir derzeit genießen, zu schützen und zu bewahren.
Landrat Ramers erzählte von den Ängsten seines Sohnes
Beim europapolitischen Abend des SPD-Kreisverbandes Euskirchen in der Zülpicher Begegnungsstätte Martinskirche betonten der Landrat und zahlreiche weitere Gastredner daher – mit Beispielen zu kleinen Alltagsthemen und großen richtungsweisenden Themen – die Bedeutung des freundschaftlichen Zusammenlebens mit den europäischen Nachbarn.
„Mein Sohn, er ist gerade acht Jahre alt, kam neulich am Abend zu mir und sagte, dass er Angst habe“, so Ramers. Die erste Vermutung, er habe in seinen aktuellen Lieblingsgeschichten über Harry Potter eine gruselige Szene gelesen, stellte sich schnell als falsch heraus. „Er hatte Angst vor Krieg und fragte mich, ob auch bei uns Krieg ausbrechen könnte.“
Wie Landwirte im Kreis Euskirchen Europa wahrnehmen
Als ehemaliger Lehrer fand Ramers die Antwort in der Vergangenheit. „Unsere Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg ist eine Geschichte der Versöhnung und der Zusicherung von Sicherheit. Mit Blick auf Entwicklungen wie beispielsweise in Frankreich mit Frau Le Pen oder auch bei uns mit der AfD ist es daher ungemein wichtig, dass wir für unsere Demokratie und unseren Frieden einstehen, sowohl in Brüssel als auch im Kreis Euskirchen.“
Dass die europäische Einheit nicht immer positiv wahrgenommen werde, erklärte Helmut Dahmen, Vorsitzender der Euskirchener Kreisbauernschaft, am Beispiel seines Berufsstandes. „Wenn sich die Familie wohlfühlt und wenn sich die Tiere wohlfühlen, dann macht der Beruf eines Landwirtes Spaß.“ Wenn es aber immer strengere Auflagen der Politik gebe, ohne dass klar werde, woher das Geld kommen solle, um sie zu erfüllen, gerieten immer mehr Betriebe in Not.
Landwirt Dahmen beklagt überbordende Bürokratie
Die Landwirte des Kreises hätten ihr Vertrauen in die Politik verloren, weil sie ihrerseits glaubten, kein Vertrauen mehr in ihre Arbeit zu erhalten. „Wir haben gelernt, mit den Feldern und Tieren umzugehen, nicht aber, im Büro alles zu dokumentieren, um die sich halbjährlich ändernde Gesetzeslage einzuhalten. Wir haben viel Potenzial, effizient und damit auch klimafreundlich zu arbeiten, wir dürfen uns dabei nur nicht gegenseitig im Weg stehen.“
Das Potenzial, die Chancen mit gegenseitiger Wertschätzung für eine positive Entwicklung der Zusammenarbeit zu nutzen, griff auch Annegret Lewak, Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Zülpich, in ihren Moderationen auf.
Kandidatin aus dem Kreis Euskirchen fordert Regeln zu Steuerhinterziehung
Ein Europa, das allen hilft, war der gemeinsame Nenner, auf den sich alle Rednerinnen und Redner des Abends einigten. Besonders wichtig sei es, die jüngere Generation mitzunehmen. „Das Thema Steuerhinterziehung oder -vermeidung darf nicht länger als Naturgesetz gelten“, betonte Helena Vitt, SPD-Europakandidatin aus dem Kreis Euskirchen. „Es müssen eine internationale Regulierung gefunden und ein Standard für alle geschaffen werden, um ein Europa zu kreieren, von dem alle gleichermaßen profitieren.“
Kleine Erfolge wie die bald einheitlichen Handyladekabel kamen ebenso zur Sprache wie die großen Schritte, beispielsweise die Anhebung des europaweiten Mindestlohns.
Was ein Arzt zur Privatisierung des Gesundheitssystems sagt
Wie sehr eine Gemeinschaft von der Zusammenarbeit profitieren kann, zeigte Karl Vermöhlen aus Sicht eines deutschen Arztes in Belgien auf. „Die ganze Privatisierung des Gesundheitssystems, wie sie hier in Deutschland praktiziert wird, ist der völlig falsche Weg. In Belgien gibt es keine Stand-alone-Kliniken, sondern ein fachübergreifendes Krankenhaussystem, das letztlich allen zugutekommt.“
Mitnehmen statt ausgrenzen sei das Motto, da es nirgendwo das eine, alles überstrahlende Vorbild gebe, sondern alle voneinander lernen könnten.
Ähnlich wie in der Geschichte des Landrates von seinem Sohn müsse bei diesem Prozess die jüngere Generation an Bord geholt werden, betonte Jungunternehmer Vincent Lemke. „Jüngste Studien zeigen auf beängstigende Weise, dass der Frieden, wie wir ihn heute genießen, oft als selbstverständlich angesehen wird“, so der SPD-Europakandidat. „Doch das ist er nicht, er ist das Ergebnis jahrzehntelanger Arbeit. Es ist ein Alleinstellungsmerkmal Europas, dass wir hier behütet aufwachsen können, und dafür, dies zu erhalten, müssen wir bei der Europawahl einstehen.“