Nach Fusion von Karstadt und KaufhofE-Commerce-Center in Zülpich wird zur Hängepartie
- Die Zülpicher Verwaltungsspitze hat 2017 einen 70-Millionen-Euro-Deal mit Galeria Kaufhof abgeschlossen.
- Auf 40.000 Quadratmetern soll das erste E-Commerce-Center der Firmengeschichte entstehen.
- Doch nach der Fusion von Galeria Kaufhof und Karstadt kann der Konzern wohl auch den Baubeginn zum 30. Juni nicht halten.
Zülpich – Die Euphorie im Mai 2017 war groß. Die Zülpicher Verwaltungsspitze um Bürgermeister Ulf Hürtgen und seinen Beigeordneten Ottmar Voigt hatte mit der Konzernleitung der Galeria Kaufhof GmbH einen 70-Millionen-Euro-Deal festgezurrt.
Auf einer 40 000 Quadratmeter großen Fläche im Gewerbegebiet zwischen der Römerallee und der Straße Am Meilenstein wollte das Unternehmen das erste E-Commerce-Center der Firmengeschichte bauen.
Online-Geschäft soll in Zülpich abgewickelt werden
Ab Frühjahr 2019 an sollte das komplette Online-Geschäft der in Köln ansässigen Tochter von HBC (Kanada) zentral aus dem Zülpicher Gewerbegebiet abgewickelt werden. Mittlerweile haben die Galeria Kaufhof GmbH und der Karstadt-Konzern fusioniert – und das Großprojekt in Zülpich scheint zur Hängepartie zu werden.
Wird das geplante E-Commerce-Lager in Zülpich gebaut oder nicht? Und wenn ja, wann? Wie die Unternehmenskommunikation von Karstadt am Dienstagnachmittag mitteilte, wird wegen der „fusionsbedingten Prüfung voraussichtlich kein Baubeginn zum 30. Juni 2019 erfolgen können“. Ein genaues Datum für einen möglichen Baubeginn ließ das Unternehmen offen.
Ganz aus dem Rennen scheint der Standort Zülpich für das Logistikzentrum aber nicht zu sein. „Im Rahmen der Entwicklung wird derzeit geprüft, welche Rolle der hochinteressante und bestens erschlossene Standort Zülpich durch eigene oder Drittnutzung auf diesem Wachstumsfeld spielen kann“, heißt es in der Stellungnahme des Unternehmens.
Runder Tisch zur Zukunft des Logistikzentrums
Nach Informationen dieser Zeitung saßen die Verwaltung der Römerstadt, Vertreter des Dienstleisters Fiege und des neuen Konzerns Galeria Karstadt Kaufhof in Zülpich am Tisch und haben über die Zukunft des geplanten Logistikzentrums diskutiert. „Es war ein gutes Gespräch“, sagt Bürgermeister Zülpichs Ulf Hürtgen.
Bis zum 30. Juni 2019 läuft der Vertrag mit der Bebauungsverpflichtung für das 40 000 Quadratmeter große Areal. Ob die Bebauungsverpflichtung verlängert wird, hänge zwar auch vom Willen der Zülpicher Politik ab, so Hürtgen, vor allem aber vom Investor.
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Doch Karstadt könnte auch andere Pläne haben, als in Zülpich zu bauen, zumal die Warenhauskette die 2005 ausgelagerte Logistik ab 2020 wieder in Eigenregie übernehmen will. Das machte Karstadt noch vor der Fusion mit der Galeria Kaufhof GmbH deutlich.
Wenig später wurde die Kooperation mit dem Dienstleister Fiege öffentlich. Das Joint Venture Fiege X Log wird ab dem kommenden Jahr die gesamte Logistik von Galeria Karstadt Kaufhof übernehmen. Zudem wird das Joint Venture seine Leistungen künftig auch anderen Unternehmen am Markt anbieten.
Karstadt entwickelt neue Logistikstruktur
Karstadt begründet den Schritt damit, die Logistik wieder selbst verantworten zu wollen. „Es war uns besonders wichtig, die seit 2005 outgesourcte Logistik wieder zu uns zurückzuholen“, sagte Miguel Müllenbach, der Finanzchef und Arbeitsdirektor von Karstadt, im September 2018: „Die Logistik für die eigenen Standorte zu betreiben, ist eine Kernkompetenz für einen Einzelhändler, die wir selbst beherrschen müssen und wollen.“
Bereits jetzt werde die neue Logistikstruktur entwickelt. „Klar ist, dass Logistik ein Geschäftsfeld von wachsender Bedeutung ist – nicht nur durch das eigene Online-Wachstum dieses zweitgrößten europäischen Warenhausunternehmens“, heißt es in der Pressemitteilung von Dienstag.
Zülpichs Bürgermeister Hürtgen trägt die Entwicklung mit Fassung, sagt aber auch: „Wir wollen keine Hängepartie. Wenn es einen schlüssigen Zeitplan gibt, ist eine Aufschiebung um drei, vier Monate meiner Meinung nach kein Thema.“ Er sei sicher, dass das auch von der Politik mitgetragen werde.
Zülpich bleibt laut Politikern attraktiver Standort
Hürtgen will die Fläche nach eigenem Bekunden aber nicht auf ewige Zeiten für das E-Commerce-Center freihalten. „Es ist nicht so, als würden wir die Gewerbefläche anderweitig nicht los. Wir haben Interessenten in der Hinterhand“, so Hürtgen. Das bestätigt auch Beigeordneter Ottmar Voigt: „Wir mussten immer Interessenten vertrösten. Zülpich ist als Standort attraktiv – unabhängig von der Ansiedlung des Logistikzentrums.“
Rückblende: Dabei war die Euphorie um das 40 000-Quadratmeter-Bauvorhaben in Zülpich groß. Zahlreiche E-Mails liefen vor zwei Jahren in den elektronischen Postfächern von Hürtgen und Voigt ein, als es so aussah, als sei der Deal perfekt. „Das war und ist der Wahnsinn. Wir haben viel Lob erhalten, und man hat uns gerne gratuliert“, so Voigt damals: „Natürlich gehört auch ein wenig Glück dazu.“
Kaufhof-Projekt ist Chefsache des Bürgermeisters
Dass der Bürgermeister und er das Projekt „Kaufhof“ zur Chefsache erklärt hätten, habe die Galeria-Verantwortlichen beeindruckt. „Die Gesprächsatmosphäre war vom ersten Moment an sehr angenehm und konstruktiv“, so Voigt im Mai 2017. Die erste Anfrage der landeseigenen Wirtschaftsförderungsgesellschaft NRW Invest sei im August 2016 erfolgt.
Kurze Zeit später habe es in der Zülpicher Martinskirche ein erstes Gespräch gegeben. Ende 2016 fand die erste Ortsbesichtigung statt. Der Kontakt sei dann nie abgerissen. Sogar auf der Ski-Piste in Ischgl erhielt Voigt einen Anruf von Galeria-Geschäftsführer Klaus Hellmich. „Das gehört einfach dazu. Dafür hat meine Frau Verständnis“, versicherte Voigt. Im Urlaub habe er dann vom Zuschlag erfahren: „Dann sind wir essen gegangen.“
Nach Informationen der Redaktion führen die Chefs von Karstadt/Kaufhof seit 1. Dezember 2018 Sondierungsgespräche zur logistischen Ausrichtung für den stationären und den internetbasierten Handel. Sollte die Ausweitung des Online-Handels ein Ergebnis dieser Gespräche sein, könnte auch „der hochinteressante und bestens erschlossene Standort Zülpich“ wieder eine wichtige Rolle spielen.
Lesen Sie auf der zweiten Seite die Chronologie des Bauprojekts.
E-Commerce-Center in Zülpich – eine Chronologie
4. Mai 2017: Vertreter der Galeria Kaufhof GmbH sind im Ausschuss für Stadtentwicklung in Zülpich zu Gast. Sie informieren die Politiker über das Vorhaben, im Gewerbegebiet der Römerstadt das erste E-Commerce-Center der Firmengeschichte zu bauen.
24. Mai 2017: Bei der Pressekonferenz im Zülpicher Seepark machen Zülpichs Bürgermeister Ulf Hürtgen und Klaus Hellmich, Geschäftsführer der Galeria Kaufhof GmbH, das 70-Millionen-Euro-Projekt öffentlich.
14. Juli 2017: Bei einem Notar in Zülpich besiegeln die Verantwortlichen der Galeria Kaufhof GmbH und der Stadt Zülpich das Großprojekt.
27. Juli 2017: Die Geschäftspartner der Galeria Kaufhof GmbH zweifeln an der Zahlungsfähigkeit der Warenhauskette. Der deutsche Kreditversicherer Euler Hermes fährt seine Garantie-Zusagen für die Lieferungen an Kaufhof drastisch zurück. „Wir nehmen die Nachricht nicht auf die leichte Schulter, verfallen aber auch nicht in Panik“, sagt der Zülpicher Bürgermeister Ulf Hürtgen.
September 2017: Der Erftverband verlegt neue Kanalleitungen in dem Bereich des Gewerbegebiets an der Römerallee/Meilenstein, an dem das E-Commerce-Center gebaut werden soll. Auch archäologische Untersuchungen werden durchgeführt. Dabei entdecken Spezialisten des LVR auch einen römischen Sarkophag: Er ist 2,30 Meter lang, 1,10 Meter hoch, vier Tonnen schwer und etwa 1700 Jahre alt.
20. Juli 2018: Ein Unternehmenssprecher bestätigt, dass im Jahr 2018 nicht mit dem Bau des Logistikzentrums in Zülpich begonnen werden wird. Das hätte laut Vertrag mit der Stadt Zülpich bis zum 30. Juni der Fall sein müssen. Zülpichs Bürgermeister bestätigt, dass innerhalb der Politik Einvernehmen bestehe, dem Wunsch des Investors zu entsprechen und die vertraglich geregelte Bebauungsverpflichtung zu verschieben. Laut Hürtgen muss der erste Spatenstich für das Lager nun bis spätestens 30. Juni 2019 erfolgen.
Ende 2018: Die Warenhausketten Karstadt und Galeria Kaufhof verkünden ihre Fusion offiziell. Durch den Zusammenschluss verfügt der neue Einzelhandelsriese europaweit über mehr als 243 Standorte und beschäftigt etwa 32 000 Mitarbeiter.
26. März 2019: Der Bau des E-Commerce-Centers in Zülpich verschiebt sich wohl auf unbestimmte Zeit. Das ist das Ergebnis des Gesprächs zwischen Verwaltung und Konzernspitze. Der Zülpicher Beigeordnete Ottmar Voigt verweist auf den gültigen Vertrag.