Annette und Andreas Goldau versorgen in ihrer Greifvogel-Station verletzte Wildvögel. Das ist nicht immer einfach.
Intensivstation für TiereZülpicher Paar kümmert sich ehrenamtlich um verletzte Greifvögel
Wenn Andreas und Annette Goldau zu ihrem Pflege-Habicht gehen, sind sie ganz leise. Behutsam betreten sie das Gelände der wiedereröffneten Greifvogel-Station auf dem Gelände der Papierfabrik Smurfit Kappa in Zülpich. „Diese Vögel haben die Angewohnheit, sich bei Gefahr tot zu stellen“, sagt Andreas Goldau. Rotmilane seien darin besonders gut. Die schlössen dabei sogar die Augen. „Und wenn der Habicht sich jetzt tot stellt, dann können wir leider nicht überprüfen, wie es ihm wirklich geht.“
Paar versorgt im Schnitt zwei Vögel pro Woche auf der Station
Es ist noch nicht lange her, dass die Goldaus die stillgelegte Greifvogelanlage von Hajo Lehser übernommen haben. „Wir waren einfach verrückt genug, ganz laut ,Hier’ zu schreien“, sagt Annette Goldau. Im vergangenen Jahr habe die Untere Naturschutzbehörde per Rundmail nach neuen Betreibern gesucht. Seit Februar kümmern sich Annette und Andreas Goldau um die verletzten Wildvögel – ehrenamtlich.
Bis jetzt seien im Schnitt zwei Pflegevögel pro Woche zur Greifvogelstation gebracht worden, erzählt Annette Goldau. Darunter ein Mäusebussard, der in der Frostperiode kein Futter gefunden hatte und entkräftet war. Außerdem ein Rotmilan, der in die Rotorblätter einer Windkraftanlage geflogen war und eingeschläfert werden musste. Eine Waldohreule mit einer Augenverletzung. Einen Sperber mit einem Anflug-Trauma. Und der Habicht – Diagnose noch unklar. Der Falkner: „Wir müssen ihn gut beobachten, damit wir wissen, wie wir weiter mit ihm umgehen müssen.“
Durch Lücken zwischen den Brettern an den Seiten der Voliere versucht Andreas Goldau einen ersten heimlichen Blick auf das Tier zu werfen. Doch etwas stimmt nicht. Er richtet sich auf. Plötzlich ist der Falkner ganz schnell. Der Habicht liegt – genauso wie die beiden Küken, die er fressen sollte – tot im Gras. Kurz ist es still. „Gestern ging es ihm noch gut“, sagt Goldau. Er flucht. Auch diese Momente gebe es bei der Arbeit mit den verletzten Tieren, erklärt er. „Licht und Schatten liegen da ganz nah beieinander.“
Ehrenamtliche Vogelpflege hat Licht- und Schattenseiten
So komme es vor, dass Vögel es eben doch nicht schafften – so wie der Habicht. Andere, wie der Rotmilan, müssten sofort eingeschläfert werden. Wenn die Verletzungen zu stark, die Qual für das Tier zu groß sind. Das sind die Schattenseiten der Greifvogelhilfe.
Doch die gehören den Goldaus zufolge genauso dazu wie die guten Seiten. Wenn die Hilfe fruchtet. Wenn die Tiere zurück in die Natur finden. Darum gehe es nämlich, sagt Andreas Goldau. Das Ziel sei nicht, die Vögel zu halten, sondern sie wieder auszuwildern, sobald es ihnen besser gehe. „Wir betreiben hier nämlich keinen Tierpark“, sagt der Falkner. „Eher eine Intensivstation für Greifvögel“, ergänzt Rebekka Bloßfeld, eine befreundete Falknerin.
Eine der häufigsten Ursachen für einen Aufenthalt eines Vogels in der „Intensivstation“ der Goldaus seien die Windkrafträder. Die seien zwar gut und richtig, die Energiewende sei ohne sie nicht möglich, sagt Andreas Goldau. Aber für Greifvögel seien sie eine Bedrohung. Die Vögel könnten die Bewegungen der Rotorblätter nicht vorausahnen und würden dann häufig von ihnen erfasst. Doch auch der Verkehr sei ein großer Feind der Greifvögel, erklärt er.
Todesursache bleibt im Fall des Habichts unklar
Bussarde etwa seien „Kulturfolger“: Tiere, die gelernt haben, mit dem Menschen klarzukommen. Diese Vögel, die unter anderem Aas fressen, hätten gelernt, dass der Straßenverkehr viele Tiere töte, also eine verlässliche Nahrungsquelle sei. Auf der Suche nach Futter würden die Vögel dann aber oft selbst von Autos erfasst. Auch Katzen seien ein großes Problem und eine häufige Todesursache.
„Woran der Habicht aber jetzt gestorben ist, werden wir wohl nicht mehr herausfinden“, sagt Andreas Goldau. Vielleicht war es ein Anflug-Trauma. Vielleicht hatte es andere Ursachen. Natürlich könne man den Vogel zur Obduktion geben, sagt Bloßfeld. Aber einen Greifvogel mit unbekannter Todesursache quer durch Deutschland schicken – lieber nicht, so Goldau.
Zumal gerade die Vogelgrippe wieder auf dem Vormarsch sei. Deswegen werden die Goldaus den Habicht begraben. Aber die Federn werden sie vielleicht behalten. Um damit – im Sinne einer Organspende – einem Vogel mit verletztem Gefieder zu helfen.
Was ist zu tun, wenn man einen verletzten Vogel findet?
Einen Vogel sollte man nur dann mitnehmen, wenn eindeutig ist, dass er medizinische Hilfe braucht, erklärt Falknerin Rebekka Bloßfeld. Dann packt man ihn vorsichtig in einen Pappkarton und schließt den Deckel.
Bei Greifvögeln sollten dabei unbedingt Handschuhe angezogen werden. Durch die scharfen Krallen und Schnäbel besteht Verletzungsgefahr für den Finder. Die Schachtel, in der sich der verletzte Vogel befindet, muss dann ruhig gehalten werden. „Denn der Vogel ist ohnehin enormem Stress ausgeliefert“, so Bloßfeld. Zeitnah sollte der Finder den Vogel dann zu einem Tierarzt oder in eine Auffangstation bringen. Nur dort kann er artgerecht behandelt werden.
Gerade sei zudem Jungvogelsaison, ergänzt Andreas Goldau. Die jungen Vögel kommen erstmalig aus ihren Nestern – entwickeln sich also vom „Nestling“ zum „Ästling“, testen ihre Flügel und ihr Können aus. Da kommt es vor, dass sie auch mal vom Baum fallen.
Findet man so einen heruntergefallenen Vogel, sollte man ihn nicht mitnehmen. Denn die Eltern wissen in der Regel, wo ihr Nachwuchs ist und betreuen diesen weiterhin – weitaus besser als Menschen. Wer so einen Vogel sieht, kann ihn aber in den nächstgelegenen Busch setzen, sagt Goldau. Im Gegensatz zu Rehen mache menschlicher Geruch Vogeleltern nicht viel aus.
Viele Menschen geben gefundenen Vögeln Wasser, sagt Goldau. „Grundsätzlich keine schlechte Idee, bei Greifvögeln aber potenziell tödlich.“ Die Luftröhre liegt bei diesen Vögeln auf der Zunge. Schüttet man Wasser hinein, ertrinkt der Vogel. (kkr)