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„Wo sollen die Ponys denn hin?“Pensionsstall in Merzenich steht vor dem Aus

Lesezeit 4 Minuten

Den 40 Ponys von Madelaine Merkel droht die Obdachlosigkeit, wenn sie ihren Pensionsstall in Merzenich schließen muss.

Zülpich-Merzenich – Wenn Madelaine Merkel über den Zaun auf die Weide steigt, wird sie direkt von den Ponys angesteuert. „Das Wichtigste bei der Ausbildung von Pferden ist, dass sie ihrem Halter vertrauen“, sagt sie. Das Erfolgsrezept der 22-Jährigen, um das Vertrauen der Tiere zu gewinnen: Ruhe und Fairness.

Doch seit November darf Madelaine Merkel auf ihrem Hof in Merzenich keine Pferde mehr ausbilden. Aber sie macht es trotzdem. Auf Anordnung des Kreisveterinäramts hätte sie ihren Betrieb eigentlich schließen müssen. Nicht etwa wegen Mängeln in der Tierhaltung. „Unzuverlässigkeit“ lautet der Vorwurf der Veterinäre.

Merkel selbst sieht das anders: Sie spricht von Schikane und Benachteiligung durch das Amt: „Meine Familie und ich haben viel Geld und Herzblut in den Stall investiert.“ Das könne doch nicht alles umsonst gewesen sein.

Reitkurse für Kinder mit Behinderung

Der Pensionsstall der Familie Merkel ist nur einer von vielen im Kreis Euskirchen. Allein auf der Severinusstraße in Merzenich gibt es drei Pferdehalter. Merkels Stall unterscheidet sich aber von dem ihrer Nachbarn: Dort werden nicht nur Pferde ausgebildet und verkauft, sondern auch Reitkurse für behinderte Kinder mit geschulten Therapieponys angeboten.

Schikane durch das Kreisveterinäramt beklagen Madelaine Merkel und ihre Mutter Uschi.

Mit einem Anwalt haben sie sich bisher gegen die gerichtlich angeordnete Schließung gewehrt. Wie lange das aber noch möglich sei, das wisse sie nicht, sagt die 22-Jährige. Etwa 40 Ponys leben auf dem gepachteten Hof. Dabei handelt es sich nicht nur um Kinderreitponys. Auch Tiere mit einer Widerristhöhe von bis zu 148 Zentimetern gelten als Ponys, äußerlich gleichen sie eher kleinen Pferden.

Den Ponys drohe im Fall einer Schließung die Obdachlosigkeit. „Wo sollen die Ponys denn hin, wenn wir schließen müssen? Wer versorgt sie? Im schlimmsten Fall müssten wir sie alle zum Schlachter geben.“ Die Familie Merkel besitzt zwar weitere Ställe in Kalenborn und Grafschaft, doch dort sei kein Platz. Die Vorwürfe der 22-Jährigen wiegen schwer: Sie sagt, das Veterinäramt habe die Genehmigung absichtlich herausgezögert, wirft ihm sogar vor, keine weiteren Pferdebetriebe im Kreis haben zu wollen. „Ich habe alle nötigen Qualifikationen für einen Sachkundenachweis.“ Sie sei Pferdefachwirtin, besitze einen Reitlehrer- und Transportschein und außerdem habe sie eine pädagogische Heilpferde-Schulung absolviert.

Häufige Kontrollen durch Veterinäre

Gleichzeitig sehe sie sich der Schikane des Amtes ausgesetzt, häufige Kontrollen durch Veterinäre seien bei den Merkels an der Tagesordnung. Anzeigen wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz, beispielsweise wegen schlechter Pferdehaltung, erwiesen sich aber als unbegründet – erklärten beiden Seiten. Nur ein Vorwurf wurde laut Kreis bestätigt: Dass Madelaine Merkel ein an der Pferdekrankheit Druse leidendes Pony verkauft habe. Das aber könne vorkommen, sagt Kreisveterinär Jochen Weins: „Die Druse muss dem Pferdehalter nicht unbedingt auffallen.“

Pferdebetriebe im Raum Euskirchen

Im Kreis Euskirchen gibt es laut Kreisveterinär Jochen Weins etwa 30 bis 35 offiziell genehmigte Pferdebetriebe.

Die Anzahl der Pferdehalter schätzt Weins auf rund 1000 Personen, die der Pferde auf rund 10 000.

Illegale Pferdebetriebe sind nicht ungewöhnlich. Wie hoch die Dunkelziffer im Kreis ist, ist aber unbekannt. Als illegal kann bereits gelten, wenn das Pferd eines Bekannten vorübergehend aufgenommen wird.

Das Kreisveterinäramt ist normalerweise kulant und gewährt den Betrieben ein halbes Jahr Zeit, um die nötigen Sachkundenachweise zu erwerben und einzureichen. (maf)

Das Kreisveterinäramt bemängelt auch nicht die Haltung der Tiere, sondern formelle Probleme und eine „schwierige Kommunikation mit den beiden Damen“. Ursprünglich galt nämlich Madelaines Mutter Uschi als Betreiberin des Stalls. Als ihr wegen fehlender Sachkunde die Genehmigung verweigert wurde, soll sie den Stall schließen. Bei einer Kontrolle allerdings sei nicht mehr Uschi Merkel, sondern Tochter Madelaine Betriebsleiterin gewesen. Und die stellte im Oktober 2019 einen weiteren Genehmigungsantrag.

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Aber auch hier beklagt das Amt einen fehlenden Sachkundenachweis. Den braucht Merkel gleich in dreifacher Ausführung. Weil die Merkels sowohl eine Pension betreiben, Reitkurse anbieten und Pferde verkaufen. „Es wurde kein einziger Sachkundenachweis rechtzeitig eingereicht“, beklagt Weins auf Nachfrage dieser Zeitung. Zwei der erforderlichen Nachweise erwarb Madelaine Merkel im September und Oktober 2020. Zwar spät, wie sie selbst zugibt, aber den Anforderungen entsprechend. Dennoch macht das laut Weins alle gewerblichen Tätigkeiten seit Oktober 2019 illegal – und hier wiederum wiegen die Vorwürfe des Amtes schwer. Sie lauten: illegaler Import von Pferden, illegaler Betrieb eines Pensionspferdestalls und rechtswidriges Anbieten von Ponyreitkursen.

Merkel jedenfalls muss in den nächsten Wochen um ihren Stall bangen. Welche Partei am Ende recht behält, entscheidet das Verwaltungsgericht Aachen.