Umstritten wegen KlimaschutzBei diesen Discountern gibt es weiter Silvesterböller
Dortmund – Böllern oder nicht Böllern: Kurz vor dem Jahresende erreicht die Klimadiskussion auch den Handel mit Silvesterfeuerwerk. Eine ganze Reihe von Einzelhändlern verzichtet in diesem Jahr erstmals auf das lukrative Geschäft mit Krachern und Raketen, um einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten. „Die Knallerei dauert eine Stunde, aber Tierschutz und saubere Luft wollen wir 365 Tage im Jahr. Das passt nicht zusammen“, sagt etwa Uli Budnik. Seine Rewe-Märkte im Dortmunder Süden macht er in diesem Jahr zur böllerfreien Zone.
Vielen Umweltschützern ist die Böllerei an Silvester schon seit Jahren ein Dorn im Auge, weil sie Feinstaub verursache und gefährlich für Kinder und Tiere sei, wie es heißt. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sieht nun die Zeit für Veränderungen gekommen, da die Konsumenten so umweltbewusst sind wie lange nicht. „Wir hoffen, dass ein Ruck durch die Gesellschaft geht und die Menschen in diesem Jahr weniger Böller und Raketen kaufen“, sagt DUH-Chef Jürgen Resch. Anfang 2020 wolle man die Händler auffordern, den Feuerwerks-Verkauf komplett einzustellen.
Edeka-Händler beklagt „Doppelmoral“ an Silvester
Die Forderung nach einem Böller-Verzicht stößt aber schon jetzt bei immer mehr Händlern auf offene Ohren. Als prominentester Vertreter kündigte die Baumarktkette Hornbach jüngst an, von 2020 an in Deutschland und der Schweiz kein Feuerwerk mehr ins Sortiment zu nehmen. Für dieses Jahr war es zu spät, die Ware war schon geliefert. Einige Kaufleute bei Rewe und Edeka verzichten aber schon in diesem Jahr auf das Geschäft mit Silvesterböllern.
Der Bocholter Edeka-Händler Alexander Elskamp etwa bietet kein Feuerwerk mehr an. Er beklagt eine „Doppelmoral in der Bevölkerung“. Das Thema Feinstaub sei in aller Munde, nur an Silvester nicht. Aber Elskamp sagt auch: „Wir erheben nicht den Zeigefinger und wollen niemanden maßregeln, der gerne Feuerwerk zündet.“ Das nächste große Zeichen an die gesamte Branche könnte die Baumarktkette Bauhaus senden. Die Firma kündigte an, im kommenden Jahr „das Sortiment an Feuerwerk und Böllern in Hinblick auf Nachhaltigkeit komplett zu überarbeiten“. Das könne auch einen kompletten Verzicht bedeuten.
Händler, die die Silvesterknaller aus Umweltschutzgründen aus dem Angebot nehmen, gehen durchaus ein Risiko ein. „Wir verzichten auf den Umsatz, und wir wissen nicht, wie die Kunden reagieren“, sagt Christoph Windges, der einen der größten Edeka-Märkte Nordrhein-Westfalens betreibt und in diesem Jahr ebenfalls keine Silvesterknaller im Angebot hat. Schließlich könne der Kunde einfach in den nächsten Supermarkt gehen und dort seine Einkäufe erledigen.
Deutschlandweit hat die Branche im vergangenen Jahr rund 133 Millionen Euro Umsatz mit Böllern und Raketen gemacht, und geht von ähnlichen Werten in diesem Jahr aus. Angesichts der Zahl gibt sich der Verband der pyrotechnischen Industrie weiter selbstbewusst. Man habe es mit einer „Scheindebatte“ zu tun, heißt es. Feuerwerk sei deutlich weniger schädlich als oft behauptet. Hornbachs Böller-Boykott nennt der Verband einen „Marketing-Gag“. Von den 33.000 Supermärkten in Deutschland verzichteten ohnehin nur wenige auf den Verkauf.
Rewe-Zentrale in Köln macht keine Vorgaben für Silvester
Der Nachhaltigkeitstrend hat den Einzelhandel längst erreicht. Mehr Bio und Fairtrade, weniger Plastik und Verpackungsmüll. Als Rewe vor dreieinhalb Jahren Plastiktüten an den Kassen verbannt hat, hat das die Konzernzentrale in Köln entschieden – für alle rund 3300 Märkte in Deutschland. Bei Silvesterraketen erreichte die Händler keine Vorgabe. „Bei der Plastiktüte gab es eine breite Front der Ablehnung. Dies können wir bei der aktuell aufkeimenden Diskussion um Feuerwerk derzeit nicht sehen“, begründet Rewe die Entscheidung.
Unverständlich für DUH-Chef Resch: „Einige Handelsketten wie Rewe und Obi behaupten seit Jahren, eine angebliche Vorreiterrolle in Sachen Nachhaltigkeit und Klimaschutz einzunehmen. Ich fordere diese beiden selbst ernannten Nachhaltigkeits-Vorreiter dazu auf, sich vom Verkauf von Silvester-Böllern komplett zu verabschieden.“
Auch Branchenkenner Uwe Krüger vom Kölner Institut für Handelsforschung (IFH) geht davon aus, dass die Nachfrage weiter hoch bleibt. „Ich glaube nicht, dass die Konsumenten dieses Jahr weniger Geld für Feuerwerk ausgeben werden“, sagt er. „Die Nachfrage ist ungebrochen und der Handel wäre schlecht beraten, diese nicht zu bedienen.“
So haben Aldi, Lidl, Kaufland und Real angekündigt, an dem Geschäft mit der Knallerei festhalten zu wollen, weil für viele eben das Feuerwerk zu Silvester gehört wie der Christbaum zu Weihnachten – aller Umweltdiskussionen zum Trotz. „Man sollte im Leben auch nicht alles regulieren, sondern den Menschen noch die Freiheit lassen, alte Traditionen zu leben oder darauf zu verzichten“, sagt etwa Rudolf Swertz, der fünf Hagebaumärkte in NRW betreibt. Verzichten will er auch deshalb nicht, weil das Feuerwerk in den Märkten besonders von den Niederländern gekauft wird, die in Deutschland deutlich günstiger an die Böller kommen als in der Heimat.
Weco aus Eitorf könnte in Existenz bedroht werden
Für Firmen wie Weco aus Eitorf dagegen könnte es an die Existenz gehen, sollten sich im kommenden Jahr auch die großen Ketten dem Boykott anschließen. Doch beim deutschen Branchenführer gibt man sich gelassen. Hornbach habe zuletzt ohnehin „keine nennenswerten Silvesterumsätze“ gemacht. Mit den Großkunden dagegen stehe man schon in Verhandlungen für Silvester 2020 und sehe dort „noch keinerlei Anzeichen für Verzichtsabsichten“.
„Solange die großen Discounterketten nicht mitziehen, wird sich wenig tun“, glaubt auch der Experte Krüger. Und wenn doch, könnten viele Böller ohne Sicherheitsabzeichen in den Umlauf kommen, warnt er. „Die Erfahrung zeigt: Je stärker die Kunden eingeschränkt werden, desto eher wandern sie ins Internet ab. Und da gibt es auch gefährliche Waren. Jeder Trend hat einen Gegentrend.“ Der Dortmunder Rewe-Marktleiter Uli Budnik hat die georderten Kartons mit Silvesterfeuerwerk dennoch abbestellt, seine Entscheidung auch über Facebook kundgetan – und fast nur positives Echo bekommen, wie er sagt.
Und er klingt entschlossen, wenn er ankündigt: „Wir werden das auch im nächsten Jahr beibehalten. Geld verbrennen kann jeder, wie er will. Aber wir machen da nicht mit.“ (dpa)