Gnadenhof bei MönchengladbachRetter für Kuh Erika gesucht
Wegberg – Wilma Michiels lehnt sich auf – gegen Massentierhaltung, gegen das selbstverständliche Schlachten von Kühen und gegen alteingesessene Bauern. Die 52-jährige Bäuerin will ihren 45 Kühen auf ihrem Hof in Wegberg bei Mönchengladbach einen Altersruhesitz ermöglichen.
Allen voran Erika, der mit 13 Jahren ältesten und gleichzeitig dickköpfigsten Kuh auf dem Hof. Doch für den Gnadenhof braucht Wilma Michiels Geld. Deshalb hat sie mit zwei Freundinnen das Projekt „Erika and friends“ – Erika und ihre Freunde – gegründet.
Milchbetrieb wird eingestellt
Eigentlich würde der Weg der Tiere bald beim Schlachter enden. „Wir müssen unseren Milchbetrieb aufgeben“, sagt die Frau, die früher Kinderpflegerin war. Der Bauernhof, den schon ihre Schwiegereltern betrieben haben, sei nicht mehr zeitgemäß.
Umbauarbeiten, um weiterhin Milch produzieren und verkaufen zu können, seien aber zu teuer. Doch Wilma Michiels, die vor zehn Jahren von Frechen ins ländliche Wegberg kam, will nicht, dass ihre Kühe leiden. „Sie haben uns so viel gegeben all die Jahre“, sagt sie wehmütig.
Allen voran Erika. Michiels Sohn Christian hatte seinerzeit die noch kleine Erika als erste neue Kuh ausgesucht, als die Familie auf den Hof zog. Michiels lacht und erzählt: „Sie hat sich immer freigemacht und ist ausgebüxt. Ich fand das ja gut“, sagt sie. Der Stall, in dem die Kühe die ganze Nacht angebunden sind, war ihr seit jeher ein Dorn im Auge.
Um der fleißigen Erika, die der Familie nicht nur Milch, sondern auch sechs Kälber geschenkt hat, ein lebenslanges und artgerechtes Wohnrecht auf dem Hof zu ermöglichen, versucht die Bäuerin mit ihren Mitstreitern nun, Paten zu finden. Jede Patenschaft hilft Michiels für Laufstall, Futter, Wiesenpacht und Dünger aufzukommen.
Pro Kuh rechnet die Bäuerin mit 150 Euro pro Monat – vier Kühe haben seit der Vereinsgründung vor einem halben Jahr schon genügend Paten gefunden, die jeden Monat zahlen. Bis Anfang kommenden Jahres soll mindestens die Hälfte der Tiere finanziell versorgt sein. „Wir müssen sehen, dass sich kontinuierlich etwas tut“, sagt Michiels, die auch ihren anfangs eher skeptischen Mann Heinz von ihrer Idee überzeugen konnte. Aber bei aller Tierliebe: Die Unterbringung muss auf Dauer zu halten sein.
Zeichen setzen gegen Massentierhaltung
Ein ehrgeiziges Ziel, weiß Wilma Michiels. „Ich hatte schon immer ein großes Herz für Tiere“, sagt sie. Auf dem Hof und den angrenzenden Flächen, auf denen die Familie Kartoffeln, Getreide, Raps und Weizen anbaut, hat die Bäuerin bereits einen ganzen Kleintierzoo untergebracht: Neben Katzen und Hunden haben Ziegen, Hühner, Schafe, Enten, Hasen, ein Pferd, zwei Ponys sowie zwei Schweine bei der Frau ein Zuhause gefunden.
Schon 30 Vereinsmitglieder – Tendenz steigend
Der Verein „Erika and friends“ hat mittlerweile 30 Mitglieder – Tendenz steigend. Der Mitgliedsbeitrag kostet fünf Euro im Monat. Eine Patenschaft beginnt in der Regel bei 15 Euro. Die Paten können Erika und ihre Freunde jederzeit nach Voranmeldung besuchen – offizieller Besuchstag ist alle zwei Wochen samstags.
www.erikaandfriends.de
„Einige von ihnen habe ich ebenfalls vor dem Schlachthof gerettet“, sagt sie. Kein Tier möchte Michiels missen, auch wenn die Viecher viel Arbeit machen jenseits den anderen alltäglichen Aufgaben. Die Bäuerin betreibt einen Hofladen, verkauft einmal pro Woche regionale Produkte auf dem Wochenmarkt und hilft ihrem Mann bei der Ernte.
In der Umgebung wetten andere Bauern bereits, dass Wilma Michiels es nicht schafft, Erika und ihre Freunde zu retten. „Aber das spornt mich noch mehr an“, sagt sie selbstbewusst. Letztendlich weiß sie, dass sie nicht die Welt der Massentierhaltung verändern kann. „Aber ich möchte ein Zeichen setzen, dass wir mehr über unsere Nahrungsmittel und die Tiere nachdenken“, betont Michiels. „Tiere sind keine Sachen, sondern Lebewesen wie wir. Sie haben auch ein Herz.“