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Tor verschlossenKölner 4711-Familie streitet um das Erbe von Gut Röttgen

Lesezeit 6 Minuten
Schloss Röttgen

Blick auf das Haupttor des Gestüt Röttgen

  1. Fiona Streve-Mülhens Achenbach, Nachkommin von Maria Mehl-Mülhens will sich den Zugang zu Schloss und Gut Röttgen erstreiten.

Köln – Da stand sie mit ihrem Mann tatsächlich vor dem verschlossenen Tor. Zu klingeln schien vergeblich. Der Wunsch, die Burg und das Gestüt Röttgen im rechtsrheinischen Köln am 14. Juli 2020 zu besichtigen, erfüllte sich für Fiona Streve-Mülhens Achenbach nicht. Per Mail hatte die Geschäftsfrau darum gebeten, die bundesweit berühmte Reitsport-Zuchtstätte betreten zu dürfen. Immerhin zählt sie zum Erbenkreis ihrer Großtante Maria Mehl-Mülhens, die kurz vor ihrem Tod im April 1985 Burg und Gut Röttgen in eine Stiftung überführt hatte.

Achenbach blieb außen vor, weil der amtierende Stiftungsvorstand das Ansinnen der Großnichte verweigerte. Eine Sekretärin trat schließlich an jenem 14. Juli aus dem Tor und machte der Protagonistin der einst weltberühmten 4711-Wirtschaftsdynastie klar, dass sie nicht hineindürfe. Das Verbot entspreche dem Willen des Vorstands der Mehl-Mülhens-Stiftung, bekundete die Emissärin leicht verschämt. Notgedrungen rückte die düpierte Verwandte der einstigen Gutsbesitzerin wieder ab.

Das Gut „gekapert“

Seither kämpft Fiona Achenbach beharrlich darum, den drei Familienstämmen wieder Zugang zu ihrem früheren Wahrzeichen zu verschaffen. „Der Stiftungsvorstand unter seinem jahrzehntelangen Vorsitzenden hat das Gut Röttgen quasi gekapert und verstößt gegen den letzten Willen meiner Großtante“, erklärt Achenbach im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Die Unternehmerin hat inzwischen den Stiftungsvorstand vor dem Kölner Landgericht verklagt. Die Vorwürfe bergen juristischen Zündstoff. So soll das jetzige Führungsgremium komplett abgesetzt werden. Ferner drängt die Klägerin darauf, künftig dem vierköpfigen Stiftungsvorstand angehören zu dürfen. So wie es die Großtante zunächst verfügt hatte, indem sie ein Familienmitglied im Vorstand vorsah.

Testament klar definiert

In den 80er Jahren hatte Maria Mehl-Mülhens den Zweck der Stiftung in einer Art „Verfassung“ und ihrem Testament klar definiert: Neben der Vollblutzucht standen Forschungen zum Umweltschutz, Hilfen für klamme Jockeys, die Erhaltung und Erschließung eines öffentlichen Naturerholungs- und Freizeitgebietes auf dem Areal und den Ländereien im benachbarten Königsforst auf der Agenda. Ganz wichtig aber waren der Erblasserin zwei Punkte: „Die Burg Röttgen einschließlich des Freigeländes nebst der Gärtnerei ist …. für herausragende, repräsentative Zwecke der Regierung der Bundesrepublik Deutschland sowie der Firma 4711 und für die Benutzung durch meine Familie sowie die Familie meines verstorbenen Mannes Rudi Mehl zur Verfügung zu halten.“

Maria Mehl Mülhens

Das Gestüt Röttgen umfasst eine Fläche von 250 Hektar.

Gerade der letzte Passus sorgt 37 Jahre nach dem Tod der Grand Dame des deutschen Turfs für juristische Kabalen zwischen Abkömmlingen der Parfüm-Unternehmensgruppe und der Gegenseite. So will die Klägerin Fiona Achenbach gerichtlich durchsetzen lassen, dass der 4711er-Erbenkreis auf Gut Röttgen wieder Feste oder andere repräsentative Events begehen darf. Zugleich verlangt der Bonner Anwalt Eberhard Rott im Namen seiner Mandantin Einblick in die aktuelle Satzung der Stiftung. Entgegen der üblichen Gepflogenheiten wurde das Papier nicht veröffentlicht. „Bis heute wissen wir nicht, in welcher Weise hier korrigiert wurde“, erläutert Rott. „Auch muss das Ganze dem Willen der Stifterin entsprechen, das scheint hier nicht der Fall zu sein.“

Frankfurter Anwalt

Im Mittelpunkt der juristischen Auseinandersetzung steht der Frankfurter Anwalt und Notar a.D. Günter Paul. Der einstige Präsident des hessischen Staatsgerichtshofs, nach eigenen Angaben früher ein enger Vertrauter der Erblasserin Maria Mehl-Mülhens, fungierte zunächst als Testamentsvollstrecker und gab erst im Alter von 81 den Vorstandsvorsitz der Mehl-Mülhens-Stiftung ab. Den Posten übernahm seine Tochter. „Allein diese Kombination hat ein Geschmäckle“, befindet die Klägerin Achenbach. „Mit diesem Schachzug hat es Dr. Paul geschafft, den Vorsitz der Stiftung weiterhin im eigenen Familienbesitz zu halten.“

Auch habe er gegen den letzten Willen der Erblasserin verstoßen. Zum einen, weil die Stiftungsgründerin in ihrem Testament verfügt hatte, dass die Vorstände mit 65 Jahren abtreten sollten. Ein Diktum, an dass Paul sich nicht hielt. Allerdings weisen seine Anwälte darauf hin, dass die Satzung auf 75 Jahre verlängert wurde. Doch auch diese Regel wurde gebrochen. Zum anderen hat Paul bisher kein Mitglied der Mülhens-Familie in das Leitungsgremium integriert.

Als sich Fiona Achenbach 2020 um den vakanten vierten Vorstandssitz bewarb, erhielt die 50-Jährige eine Absage. Tenor: nicht geeignet. Dabei leitet die studierte Betriebswirtin das älteste Familiengut Wintermühlenhof in Königswinter und führt die Geschicke der Drachenfelsbahn mit jährlich 300.000 Fahrgästen. Zudem ist sie nach eigenen Angaben eine passionierte Reitsportlerin.

Zweifel der Gegenseite

In einem früheren Interview mit dieser Zeitung hat sich Rechtsanwalt Paul als „erster Diener dieser Stiftung“ bezeichnet. Die Gegenseite hegt ihre Zweifel. „Ich glaube, da will sich einer nicht in die Bücher gucken lassen“, sagt Fiona Achenbach.

Die Anwälte des einstigen Stiftungschefs stellen die Vorgänge anders dar. Im Jahr 1984 hatte der promovierte Jurist Paul zunächst das Testament der schwer kranken Gestütsbesitzerin testiert. Dann aber tauchte ein Problem auf. Auf Wunsch der Erblasserin sollte Paul in den Stiftungsvorstand aufrücken. Folglich musste ein Kölner Notar am 4. Februar 1985 den letzten Willen neu beurkunden. Andernfalls hätte sich Paul standeswidrig verhalten und sich einen unrechtmäßigen Vorteil verschafft. Der Anwalt hätte also nicht den Vorstandsposten der geplanten Stiftung ausüben dürfen.

Fiona

Fiona Streve-Mülhens Achenbach

Zudem änderte die Erblasserin ihre Verfügung. Plötzlich tauchten keine Namen mehr aus der Familie im ersten Stiftungsvorstand auf. Plötzlich wollte Maria Mehl-Mülhens keine Nachkommen aus ihrer Sippe im Leitungsgremium wissen. Zwar geht Letzteres nicht aus ihrem Testament hervor. Aber Günter Paul bezeugt diesen Vorsatz über seine Anwälte. Die Klägerpartei bezweifelt hingegen, dass Maria Mehl-Mülhens im Februar 1985 noch testierfähig war. Drei Schlaganfälle hatten die Multi-Millionärin erheblich beeinträchtigt. Auf dem Krankenbett unterschrieb sie ihren letzten Willen: „Sie war gar nicht mehr in der Lage, ein klares und unbeeinflusstes Urteil zu fällen“, befindet Kläger-Anwalt Rott.

Sinkende Umsätze

Die andere Seite behauptet das Gegenteil. Bis zu ihrem Tode soll Maria Mehl-Mülhens bei klarem Verstand gewesen sein. Einziger Zeuge: Dr. Paul. Zur Berufung seiner Tochter, die ebenfalls als Anwältin arbeitet, führten seine Rechtsbeistände Folgendes aus: Sandra Paul soll das Gestüt gerettet haben. Im Jahr 1994 wurde 4711 wegen sinkender Umsätze für 200 bis 500 Millionen Euro an den Wella-Konzern veräußert. Die Zahlen wechseln.

Das Gestüt sollte aus den Erlösen profitieren. Dies sei aber nicht geschehen, betonen die Paul-Juristen. Vielmehr habe die Tochter über neue Geschäftsmodelle Einnahmen generiert und das Gut Röttgen erhalten.

Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat einen Fragenkatalog an Ex-Stiftungschef Paul und seine Tochter geschickt. Unter anderem ging es darum, ob die beiden für ihre Tätigkeiten als Anwälte aus dem Stiftungstopf bezahlt wurden. Die Fragen blieben unbeantwortet.

Fiona Achenbach will weiterkämpfen, „um mehr Transparenz in die Angelegenheit zu bringen“. Ende des Jahres soll die Gerichtsverhandlung stattfinden. Die Gutsverwalterin ist zuversichtlich, dass „die Familie wieder das Gestüt betreten darf, hinter mir stehen alle drei Familienstämme“.

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Dabei hätte es gar nicht so weit kommen müssen. Jahrzehntelang hatte der 4711-Clan die Stiftungsverantwortlichen gewähren lassen. Folglich konnte Anwalt Paul auf dem Anwesen, das mit seinen 250 Hektar größer als das Fürstentum Monaco ist, schalten und walten. Allerdings gab es eine Tradition: Manche Familienmitglieder feierten ihren 47.11.-Geburtstag auf Burg Röttgen, also den Tag, an dem man 47 Jahre und elf Monate alt wird.

So wollte es auch Fiona Achenbach halten. Als sie mit ihrem Ansinnen beim Stiftungsvorstand scheiterte, begann sie im Familienarchiv die alten Akten zusammen zu tragen und den Nachlass der Großtante zu durchleuchten. Anfang Mai reichte die Geschäftsfrau ihre Klage ein. Sollte sie vor Gericht gewinnen, wird es ein großes Fest auf dem Gut geben, kündigt sie an. „Mit allen Familienmitgliedern.“