Abgaben-ReformMit der neuen Grundsteuer stellen sich in Burscheid Systemfragen

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Burscheids Innenstadt aus der Luft

Für manchen wird es teurer nach der Grundsteuer-Reform. Kommen nun gesplittete Steuersätze für Burscheid?

Kämmerin Ulrike Detering verspricht: Dieses Jahr werden die Abgaben nicht erhöht. Bauern verlieren ein Privileg.

Die Grundsteuer wird in Burscheid dieses Jahr nicht mehr angefasst. „Dafür wäre es jetzt sowieso zu spät“, sagte am Freitag Kämmerin Ulrike Detering auf Anfrage. Aber die Empfehlungen des Landes für „aufkommensneutrale“ Sätze bei der gerade neu berechneten Grundsteuer treiben sie dennoch um.

Zwar ist der Unterschied zwischen dem seit Jahresbeginn geltenden Satz für Wohn- und Geschäftshäuser und der Empfehlung denkbar gering: Der Hebesatz in der Grundsteuer B liegt jetzt bei 501 Punkten und müsste auf 504 steigen, wenn die Summe der Einnahmen bei den rund 3,6 Millionen Euro im Jahr bleiben soll. Trotzdem ist die Abgabenreform ein großes Thema für Burscheids Kämmerin. Weil sich Systemfragen stellen.

Zwei Steuersätze? Das muss sorgfältig geprüft werden

Etwa, ob es in Burscheid künftig zwei Sätze bei der Grundsteuer B geben soll, die sich dann doch erheblich unterscheiden müssten: Weil mit der neuen Bewertung der Grundstücke die Last für Wohngebäude tendenziell stark steigt und für gewerblich genutzte Bauten eher niedriger wird, könnten Wohngebäude künftig mit nur noch 455 Prozent Hebesatz belastet werden, während er für Gewerbebauten auf 687 Punkte steigt. Das ist letztlich eine politische Entscheidung, die der Stadtrat treffen muss. Aber eine Empfehlung aus der Stadtverwaltung ist natürlich unabdingbar.

Wie die aussehen könnte, darauf will sich Detering jetzt nicht festlegen. Allein, weil die Datengrundlage noch nicht vollständig ist: „Die Zahlen bekommen wir von der Südwestfalen-IT“, erklärte sie. Derzeit fehlten „noch rund 1000 von 8000 Daten“. Erst, wenn sie den kompletten Überblick habe, werde man Schlüsse aus der großen Reform ziehen können und wie man damit umgeht. Und die Frage erörtern, ob man mit einem gesplitteten Steuersatz einen erwünschten Effekt erzielt. Wohnen entlasten und Gewerbe eher belasten klingt nicht falsch. Die Frage ist aber, ob das für Burscheid passt.

Verklagt würde Burscheid

Dazu kommt: Noch sei eine gesplittete Grundsteuer B nicht rechtssicher; da müsste das Land „noch etwas liefern“, so die Kämmerin. Klar ist: „Verklagt werden wir“, weil es ja die Kommunen sind, die eine Steuersatzung erlassen.

Im Prinzip, das liegt für die Kämmerin auf der Hand, wurden mit der neuen Bewertung sämtlicher Grundstücke Ungerechtigkeiten beseitigt. Was sie allerdings wundert: „Eigentlich hätte der Hebesatz sinken müssen“, weil ja sehr viele Grundstücke viel höher bewertet worden sein müssen. Beispiele gebe es auch im Grundstücksbestand der Stadt: Für einige Feuerwachen muss Burscheid sehr viel mehr Grundsteuer bezahlen als in den Jahrzehnten zuvor. Auch das, so die Kämmerin, werde man im Einzelfall noch einmal überprüfen und erneut bewerten lassen.

Landwirte müssen auf jeden Fall mehr bezahlen

Ein Aspekt, der in der Grundsteuer-Diskussion bisher nicht beachtet wurde, ist die Landwirtschaft. In Burscheid müsste der Hebesatz A (wie Agrar) von 260 auf 415 Punkte steigen, wenn unterm Strich dieselben Einnahmen stehen sollen. Wie das kommt? Landwirte verlieren ein Grundsteuerprivileg: Bisher mussten sie auch für Gebäude nur den viel niedrigeren Hebesatz von 260 Punkten bezahlen. Jetzt werden sie nicht mehr anders behandelt als jeder Eigenheimbesitzer, werden also, Stand jetzt, mit 501 Prozent veranlagt, was im Fall Burscheid fast einer Verdopplung gleich kommt. Dass so erhebliche Grundstücksflächen aus der Grundsteuer A herausfallen, erkläre die starke Erhöhung des Steuersatzes, so Detering.

Allerdings: Für Burscheid sind das Einnahmen, die kaum ins Gewicht fallen. Das Aufkommen aus der Grundsteuer A liege derzeit bei rund 32.000 Euro im Jahr, so die Kämmerin. Was zu der Frage führt, ob die vom Land vorgeschlagene drastische Erhöhung des Hebesatzes überhaupt sinnvoll ist. Zumal die Landwirte ja „doppelt getroffen“ würden, so Detering mit Blick auf ihre Gebäude, für die sie nun viel mehr Steuern bezahlen müssen.

Burscheids Kämmerin weiß, dass die Diskussion über die Grundsteuer mit den konkreten Empfehlungen zu den „aufkommensneutralen“ Hebesätzen noch einmal befeuert wird. Sie gibt aber auch einen Hinweis: „Die Grundsteuer bleibt in Burscheid. Das ist Geld, mit dem wir hier etwas machen können, von dem die Bürger direkt etwas haben.“


Die Verschiebungen bei den Grundsteuer-Hebesätzen fallen beträchtlich und höchst unterschiedlich aus, zeigt ein Blick in die Empfehlungen des Landes:

In Leichlingen müsste der Hebesatz in der Grundsteuer B von 550 auf 716 Punkte steigen, um die Einnahmen stabil zu halten. Bei einer nach Wohnen und Gewerbe gesplitteten Steuer müssten für Wohngebäude 694 Punkte erhoben werden, für Gewerbebauten 835. Die Grundsteuer A müsste sich ähnlich entwickeln wie in Burscheid: 450 statt 230 Punkte.

In Wermelskirchen müsste der Hebesatz von 670 auf 737 Punkte steigen; die Werte bei einer Splitting-Satzung liegen bei 657 Punkten für Wohnen, aber spektakulären 1047 bei Gewerbe. Landwirtschaftliche Betriebe müssten künftig mit einem Hebesatz von 405 statt 315 Punkten kalkulieren.

In Odenthal müsste der Hebesatz bei der Grundsteuer B von 540 auf 882 Punkte steigen, gesplittet auf 920 für Wohnen und nur 605 für Gewerbe. Die Grundsteuer A müsste von 270 auf nur 308 Punkte steigen.

In Leverkusen stehen wiederum beträchtliche Verschiebungen zur Diskussion: Der Hebesatz B müsste von 750 auf 959 Punkte steigen, um die Steuereinnahmen zu sichern. Unterschiedliche Hebesätze für Wohnen und Gewerbe sähen so aus: 743, beziehungsweise enorme 1721 Punkte. Die für die Stadt nicht sehr wichtige Grundsteuer A müsste sich indes verdoppeln: 750 statt 375 Punkte.


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