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Burscheider SagenMeisterschuss knipst am Murbach das Licht aus

Lesezeit 4 Minuten
Von einem Stausee mit einem großem Haus im Hintergrund geht ein Bach ab.

Laut Marie-Luise Mettlach soll sich hier am angestauten Murbach die „Wasserburg Diepental“ befunden haben.

Die sagenumwobene Erzählung beschreibt einen Nachbarschaftsstreit, der sogar im Landesarchiv Nordrhein-Westfalens vermerkt ist.

Legendäre Meisterschüsse gibt es in der deutschsprachigen Kulturgeschichte viele: Da wäre zum Beispiel der berühmte Apfelschuss des Schweizer Nationalhelden Wilhelm Tell zu nennen, der Friedrich von Schiller zu seinem Drama inspirierte. Oder jener des sagenhaften „Punker von Rohrbach“, welcher auf Befehl des Pfalzgrafen Ludwig III. (auch genannt „der Bärtige“) seinem Sohn einen Pfennig vom Kopf geschossen haben soll. Weniger bekannt dürfte allerdings der Meisterschuss des Freiherrn Johann Heinrich von Driesch sein, der im 18. Jahrhundert auf Burg Grünscheid lebte und von dem die Burscheider Sage „Der Jagdstreit“ handelt.

Im Gegensatz zu dem überall beliebten, „ehrenwerten“ Grünscheider Edelmann, war dessen auf „Burg Diepenthal“ (Schreibweise im Buch, Anm. d. Red.) lebender Nachbar Freiherr Franz Gerhard von Katterbach „als Raufbold und streitsüchtiger Mensch bekannt“, erzählt Marie-Luise Mettlach in ihrem Buch „Herm mit dem Stummel“. Diese Charaktereigenschaft bescherte der Justiz viele Prozesse, in denen von Katterbach vergeblich versuchte, den zwischen den beiden Rittersitzen liegenden Jagdbezirk „Mühlenberg“ zu beanspruchen. Am Tage vor Allerheiligen 1738 sollte sich dieser Streit dann außergerichtlich „dramatisch“ zuspitzen.

Jagdhunde Leidtragende des Nachbarschaftsstreits

Als der Freiherr von Katterbach Hornsignale vernahm, die die Morgenjagd des für seine Treffsicherheit bekannten Johann Heinrich von Driesch auf dem Mühlenberg ankündigten, soll es ihn, wie jedes Mal, mit Zorn erfüllt haben. Der zänkische Diepentaler ergriff seine Flinte „und eilte mit seinem Sohn und seinen Hunden“ hinzu, um zwei Jagdhunde des Grünscheider Freiherrn zu töten. „Rachedurstig rief von Driesch mit einem Hornsignal seinen Sohn herbei, erhob seine Flinte und erschoß“ wiederum die beiden Katterbach'schen Hunde, schreibt Mettlach. Bestimmt wäre es in dieser Situation bis zum Äußersten gekommen, wenn die beiden „Streithähne“ nicht bereits ihre Munition verschossen hätten.

Doch eine Flinte mit leerem Lauf lässt sich auch noch auf andere Weise als Waffe benutzen, wie die folgenden Schilderungen Mettlachs zeigen: Als der erste Zorn bei dem Herrn von Driesch abgeebbt war und dieser „um den Verlust seiner Lieblingshunde trauernd“ da stand, schlug ihm von Katterbach „mit dem Gewehrkolben auf den Kopf, so daß dieser wie tot niedersank“. Diese Attacke rief wiederum den jungen Herrn von Driesch auf den Plan, der „außer sich vor Entsetzen über den vermeintlichen Tod des Vaters“ von Katterbach und seinen Sohn ebenfalls mit dem Gewehrkolben traktierte. Die Angreifer flohen; der noch schwach atmende Freiherr Johann Heinrich von Driesch wurde zurück nach Grünscheid getragen, wo er sich wegen der schweren Verletzungen nur sehr langsam wieder erholte.

Freiherr von Katterbach: Angst vor einer Mordanklage

Der schlechte Gesundheitszustand soll auch Freiherr Franz Gerhard von Katterbach nicht verborgen geblieben sein, der große Angst vor einer Mordanklage hatte und deshalb jeden Abend nach Grünscheid schlich, „um durch die mit Eisengittern bewehrten Fenster der Burg zu schauen und so zu erfahren, wie es dem Kranken gehe“. Das Anschleichen in der Dunkelheit verhinderte jedoch nicht, dass ihn der junge Herr von Driesch entdeckte. Dieser soll von Katterbach derart stark mit einer Keule auf den Nacken geschlagen haben, dass der Diepentaler „mit Kopf und Schultern durch die engen Eisenstäbe gequetscht wurde“.

Während das „Gesinde“, laut Mettlach, den Einquetschten beschimpft und mit „übelriechenden Flüssigkeiten“ übergoss, soll der alte Herr von Driesch aus seinem Bett gefordert haben, dass man von Katterbach eine Glatze schere und die Ohren abschneide. Unter „Aufbietung aller seiner Kräfte“ gelang es dem Geschundenen schließlich, sich aus einem Gefängnis zu befreien und zu fliehen. Der bald darauf genesene Freiherr von Driesch soll aber weiterhin nach Genugtuung verlangt haben und in einer hellen Mondscheinacht, wie es heißt, mit seinem Sohn zur Burg Diepental aufgebrochen sein, um Rache zu nehmen.

„Ich habe geschworen, ihm das Licht auszublasen“

„Stürze Dich nicht ins Unglück“, soll der Sohn noch gerufen haben, aber „der Vater blieb unerbittlich: ‚Ich werde dem bösen Nachbarn das Licht ausblasen, so wahr ich ein Edelmann bin und auf Gott vertraue!‘“ Durch den Schein einer Kerze beleuchtet, soll der „Edelmann“ die ganze Familie von Katterbach in ihrer Burg am Tisch sitzend erblickt haben, woraufhin er sein Gewehr zückte. Sein Sohn habe ihn noch einmal bestürmt, keinen Mord zu begehen, erzählt Mettlach, aber der Freiherr soll dem nur entgegnet haben: „Ich habe geschworen, ihm das Licht auszublasen [...] und meinen Schwur muß ich halten!“

Das Finale beschreibt Mettlach so: „Er legte an, und mit einem Meisterschuß zerschmetterte die Kugel die Kerze dicht unter dem Flämmchen, so daß unter lautem Geschrei und Gejammer die Katterbach'sche Familie im Dunkeln umherirrte.“ Dieser Treffer soll Johann Heinrich von Driesch im gesamten Bergischen Land berühmt gemacht haben. „Franz Gerhard von Katterbach jedoch ließ von diesem Tage an von Streitereien mit seinem Grünscheider Nachbarn ab.“


Die Serie

In der Serie „Burscheider Sagen“ stellt unser Autor drei abenteuerliche, skurrile und auch blutrünstige Geschichten vor, deren Überlieferungen die Mitgründerin des Kulturverein Burscheid, Marie-Luise Mettlach, zusammengetragen sowie in ihrem Buch „Herm mit dem Stummel“ nacherzählt hat.