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Digitale MuseumsführungRenoir und seine Malerkollegen zu Gast im Altenzentrum Burscheid

Lesezeit 3 Minuten
Senioren sitzen bei der digitalen Museumsführung im Burscheider Altenheim Luchtenberg-Richartz-Haus vor der Leinwand.

Senioren bei der digitalen Museumsführung im Burscheider Altenheim Luchtenberg-Richartz-Haus.

Im evangelischen Luchtenberg-Richartz-Haus Auf der Schützeneich gibt es ab jetzt regelmäßig digitale Ausflüge in Museen.

Was ist mit dieser Dame im vornehmen orangefarbenen Seidenkleid, der ein Mann in einem Park oder Garten in vertrauter Innigkeit den Arm reicht? Sind es Eheleute? Oder ist es ein Liebespaar? Dafür sieht die Frau irgendwie nicht wirklich glücklich aus, findet jemand. Hat sie sich vielleicht in Wahrheit den Knöchel verstaucht und muss sich deshalb an ihm festhalten?

Großes Gelächter im Aufenthaltsraum des Luchtenberg-Richartz-Hauses, als eine der Bildbetrachterinnen diese Interpretation des Renoir-Gemäldes vorschlägt. „Eine sehr schöne Variante“, schmunzelt auch Jochen Schmauck-Langer über die pragmatische Idee. Genauso offen, freut er sich, sollen die Gespräche über Kunstwerke laufen, die er im Burscheider Seniorenheim leitet.

Die Kultur-Vermittler stehen vor dem Burscheider Altenzentrum mit Christa Glaubitz (Mitte), Nicole Behling (4.v.r.) und dem Fördervereins-Vorsitzenden Hartmut Schepanski (r.).

Die Kultur-Vermittler vor dem Burscheider Altenzentrum mit Christa Glaubitz (Mitte), Nicole Behling (4.v.r.) und dem Fördervereins-Vorsitzenden Hartmut Schepanski (r.).

Der Geisteswissenschaftler und Kulturpädagoge ist Gründer und Vorsitzender von „(de)mentia+art“. Der Verein organisiert die kulturelle Teilhabe für Senioren, besonders für Menschen mit körperlichen und geistigen Einschränkungen wie Demenz, für die eine Fahrt zu Ausstellungen zu beschwerlich wäre. Im Luchtenberg-Richartz-Haus hat er zehn Moderatoren für diese Aufgabe ausgebildet. Die Burscheider sind in der Region Vorreiter dieser Initiative und ermöglichen den insgesamt rund 140 Bewohnerinnen und Bewohnern und Kurzzeit- und Tagespflegegäste von nun an digitale Museumsführungen.

Am Dienstag haben fünf ehrenamtliche und fünf hauptamtliche Mitarbeitende des evangelischen Altenzentrums ihre Fortbildung als technische Begleitung für solche virtuellen Museumsbesuche abgeschlossen. Nach zwei Schulungen per Zoomkonferenz und Testläufen führte der erste echte Ausflug jetzt ins Wallraf-Richartz-Museum.

Digitale Museumsführung im Burscheider Altenheim Luchtenberg-Richartz-Heim.

Kunstwerk unter der Lupe: Wer ist die Frau auf dem Renoir-Gemäde "Ein Paar"? Das rätseln die Ehrenamtler beim virtuellen Museumsbesuch mit Nicole Behling (links).

Christa Glaubitz, die Leiterin der Tagespflege, und Ihre Kollegin Nicole Behling begrüßten zur Premiere auch Hartmut Schepanski, den Vorsitzenden des Fördervereins des Hauses. Der Freundeskreis hat die Kosten für die erforderliche technische Ausstattung des neuen Angebotes, vor allem Kamera- und Übertragungstechnik, übernommen und sich auch bereiterklärt, die Kosten für zukünftige digitale Museumsführungen zu übernehmen. Es wird auch darüber nachgedacht, die Kunstexkursionen später einmal per Laptop in die Zimmer von nicht mehr so mobilen Bewohnern zu bringen.

Lasst uns die Museen aus der Umgebung für unser Projekt begeistern
Christa Glaubitz, Luchtenberg-Richartz-Haus Burscheid

Auf der Großleinwand begrüßte der aus Köln zugeschaltete Jochen Schmauck-Langer die Senioren, die mit Rollatoren und Rollstühlen in der ersten Reihe saßen. Er sprach sie persönlich an und würzte seine einfühlsamen Erläuterungen mit Scherzen. Bislang konzentriert er sich bei seinen ausgewählten Motiven auf das „goldene Zeitalter“ der Malerei, erläutert vor allem Werke aus Barock, Impressionismus und klassische Moderne.

Aus fünf großen Kölner Museen stammen die Kunstwerke, die der Dozent in einem Dutzend thematischen Formaten vorstellen kann. Und das oft viel detaillierter als es bei einem persönlichen Besuch möglich wäre. „Das digitale Format bietet einige Chancen“, sagte er und führte vor, wie er mit der PC-Maus Details des Renoir-Gemäldes zeigen und mit der Lupe jeden Leinwandriss, Faltenwurf und Pinselstrich des Impressionisten heranzoomen kann.

Leuchtturmprojekt in Burscheid

Dem engagierten Team im Luchtenberg-Richartz-Haus spendete er großes Lob. Das museale Online-Format wird in Pflegeeinrichtungen in ländlichen Regionen in NRW erprobt – und Burscheid gehört zu den „Leuchtturmprojekten“. Die örtliche Initiative konnte auf den Live-Führungen aufbauen, die ehrenamtliche Kulturbegleiter mit den Hausgästen schon vor der Corona-Pandemie unternommen haben.

Die Moderatoren wollen die digitalen Ausflüge gerne erweitern. Vorgeschlagen wurde, auch regionale Standorte wie das Röntgen-, Schul-, Klingen- und Werkzeugmuseum, die Lambertsmühle und den Schlebuscher Sensenhammer ins Programm aufzunehmen, weil sie aus der Lebenswelt der Seniorenschaft viel zu erzählen haben. „Lasst uns die Museen aus der Umgebung für unser Projekt begeistern“, warb Christa Glaubitz für die Initiative.

Und was war nun mit Auguste Renoirs porträtiertem Liebespaar? Man weiß es nicht so genau. Das 1868 entstandene Ölgemälde aus dem Besitz des Wallraf-Richartz-Museums zeigt auf jeden Fall Renoirs nicht minder bekannten Künstlerkollegen Alfred Sisley. Aber dessen Ehefrau Marie Lescouezec stand für das Bild laut Forschungsstand nicht neben ihm Modell. Ob sich die unbekannte Dame vor 155 Jahren vielleicht doch den Knöchel verstaucht hat?