Unterricht unter Corona-BedingungenMusik über Rechner macht Mut
- Wie der Unterricht auch ohne Besuch in der Musikschule funktioniert.
- Klavier- und Geigenlehrer musizieren mit Skype und Smartphone.
- Künstlern brechen Einnahmen aus Konzerten weg.
Burscheid – Kinder und Smartphones – das war für nicht wenige Pädagogen und Eltern bislang eine oft ungeliebte Ablenkungsquelle. Lieber daddeln, statt die Dvořák-Sonatine zu üben, besser chatten statt sich Khatchaturian am Klavier in Kopf und Finger zu bimsen – die klassischen Instrumente traten in Konkurrenz. Doch derzeit sind die neuen Medien Übermittler der musikalischen Botschaft und Übungen.
Für die Musikschule Burscheid ist das Echo überwältigend: „Der Unterricht online, von Rechner zu Rechner, bewährt sich bestens seit über einer Woche“, freut sich Musikschulleiter Thomas Kinzel. Und: „Es ist ein gerne angenommener Beitrag für ein wenig Normalität im Alltag.“
Wichtige Einnahmequelle
Für die Dozenten wiederum ist das Unterrichten gerade jetzt existenziell, da andere Einnahmequellen wegbrechen. Vor Hochfesten wie Ostern boomt ansonsten der Markt der musikalischen Gelegenheitsgeschäfte (Muggen), wenn die Kirchen zur Passionszeit Streicher, Bläser oder Percussionisten zur Begleitung berühmter Oratorienwerke engagieren. Wer womöglich so ein exotisches Instrument wie die Gambe spielt, die zum Beispiel in Bachs Johannes-Passion gesetzt ist, kann selbst die Preise bestimmen. Die Konzerte aber sind abgesagt oder verschoben.
Aber es gibt – zumindest anteilig – Hilfen vom Land NRW: Die bereits zugesagten Engagements können sich die Musiker vom Kantor für den Ausfall bestätigen lassen. Das Ministerium für Kultur und Wissenschaft (MKW) hat in der vergangenen Woche auf seine Homepage Formulare zum Ausdrucken gestellt und informiert: „Freischaffende, professionelle Künstlerinnen und Künstler, die durch die Absage von Engagements in finanzielle Engpässe geraten, können eine existenzsichernde Einmalzahlung in Höhe von bis zu 2000 Euro erhalten.
Die Soforthilfe kann mittels eines Formulars bei den zuständigen Bezirksregierungen beantragt werden. Die Mittel müssen später nicht zurückgezahlt werden.“ Die Antragsfrist reicht bis Ende Mai. Unter den Dozenten – oft sind es nicht fest angestellte Honorarkräfte, geht die Angst um. Ein Cellolehrer, der in Leverkusen viele Aufträge hat und namentlich nicht genannt werden will (der Name ist der Redaktion bekannt), fürchtet, dass viele Eltern den Absprung suchen. „Ist die eigene wirtschaftliche Situation ungewiss, werden wahrscheinlich Dinge wie Musikunterricht schon bald abgespeckt.“ Privat geführte Schulen hätten Sorge vor der Pleite.
Auch die vom Förderverein geführte Musikschule Burscheid war in der Vergangenheit wiederholt an die Politik und die Öffentlichkeit getreten, da die Finanzsituation äußerst angespannt ist. Doch die Erfahrungen im Online-Unterricht machen auch wieder Mut. Kinzel und seine Kollegen nehmen die Krise zum Anlass, sich mit den digitalen Kanälen näher zu beschäftigen: „Ein intensiver Austausch der Kollegen untereinander, auch musikschulübergreifend, ist ausschlaggebend für neue Impulse, welche zum großen Teil die Lehrtätigkeit auch für die weitere Zukunft positiv beeinflussen können.“
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Ismail Seyhan, Klavierlehrer in Burscheid, unterrichtet seit vergangener Woche ausschließlich online. „Über mein Smartphone via Skype, Facetime oder Signal. Die Resonanz ist wirklich großartig, und für den absolut überwiegenden Teil der Schüler ist dieses Medium noch viel selbstverständlicher als für mich, man lernt eben nie aus.“
Die Eltern, die aus reiner Neugier mal eben in das Bild huschten, seien dankbar für das Angebot und sähen im Smartphone auf einmal einen sinnvollen Helfer. „Das ist definitiv eine andere Meinung als vor Corona.“ Die Audioqualität unterscheide sich zum Teil dadurch, an welcher Stelle das Smartphone oder der Laptop stehe. Mit etwas Abstand, am besten auf einem Stativ, sei das Ergebnis sehr annehmbar, schreibt Seyhan in einer E-Mail.
Geigenspiel von 9 bis 21 Uhr
Sein Kollege Hermann Schmalz (Violine) hat gleich mehrere Laptops aufgeklappt und arbeitet von 9 bis 21 Uhr durch. Solange, bis die Nachbarn sich beschweren. „Der Aufwand drumherum ist noch größer als bisher. Die Schüler sind aber happy. Alles Teamplayer.“ Melanie Wollthan vom Musikschulbüro (02174 / 6 02 82) verrät noch, dass seine Tochter ihr Zimmer habe räumen müssen, damit er Platz habe. Ihre Tochter Liz übe zuhause Schlagzeug. Ihr habe der Unterricht online Spaß gemacht, sie freute sich aber, wenn alles wieder normal laufe und sie in die Musikschule fahren dürfe.