AboAbonnieren

Klinikum LeverkusenFlüchtlingsmädchen aus Afghanistan erhält Kunsthaut

Lesezeit 3 Minuten
madel

Das Mädchen erlitt schwere Verbrennungen und erhielt im Klinikum Leverkusen eine Kunsthaut.

  1. Die drei Jahre alte Bibizinah Sohrab verbrüht sich mit heißem Tee und leidet fortan unter schlimmen Schmerzen.
  2. Ärzte aus dem Klinikum in Leverkusen können dem Mädchen erstmal helfen und therapieren sie mit einer Kunsthaut.

Leverkusen – Bibizinah Sohrab steht in ihrem Bett in der Kinderabteilung des Klinikums Leverkusen und schreit. Es ist ein lauter anhaltender Schrei voll Schmerz und Angst. Wenn Privatdozent Marc Busche das Zimmer betritt, schwillt das Schreien nur noch lauter an. Eine Untersuchung ihrer Verbrühungsverletzungen? Für den Arzt unmöglich. „Der Verband war verrutscht, so dass ich wenigstens einen Blick auf die Verletzungen werfen konnte“, sagt der Mediziner.Das hat sich vergangene Woche abgespielt. Zu dem Zeitpunkt kann die Dreieinhalbjährige noch nicht ahnen, dass das Ende ihrer Schmerzen in greifbarer Nähe ist. Denn der Spezialist für Verbrennungschirurgie therapiert erstmals in Leverkusen das Flüchtlingskind mit einer Kunsthaut.

Taliban verdächtigen Vater

Was passiert ist: Vor fünf Monaten verlässt Bibizinah mit ihren Eltern Afghanistan. Die Mutter hatte Jura studiert, der Vater für deutsche Soldaten gearbeitet. Das macht ihn in den Augen der Taliban verdächtig. Sie werfen ihm vor, als Spion tätig zu sein. Die Familie begibt sich auf die Flucht, setzt sich unter anderem in ein kleines Boot und gelangt schließlich nach Leverkusen. Mittlerweile wohnt sie mit 13 Personen in einem Raum in der Flüchtlingsunterkunft an der Görresstraße.

Anfang März besucht die Familie Bekannte in Worms. Wie so oft bei afghanischen Familien gibt es Tee. So auch an diesem Tag. Bibizinah nimmt die Tasse, erschreckt sich, weil das Gefäß so heiß ist und lässt es fallen. Das Gebräu ergießt sich über ihren kleinen Oberkörper und die Oberschenkel. Sechs Prozent ihrer Körperoberfläche sind verbrannt. Ein Prozent entspricht etwa der Größe einer Handfläche des jeweiligen Menschen.„In der Kinderklinik vor Ort wurde zwar die Erstversorgung gemacht“, sagt Kinderarzt Joachim Eichhorn vom Klinikum Leverkusen. Doch die sehr schmerzhaften Wechsel der Verbände wollte man der Afghanin weiter ersparen, und so kommt sie in die Hände des Spezialisten Busche.„Unter der Vollnarkose im OP-Saal konnte ich mir dann endlich ihre Verbrühungen anschauen“, erinnert sich der Mediziner.Er löst die Verbände ab, entfernt die verbrannte Haut und reinigt die Wunde. Schließlich legt er den Hautersatz aus Milchsäurebakterien auf, der den Schmerz lindert und vor Infektionen schützt. „Man kann sich die Kunsthaut wie ein Stück Papier vorstellen, das ich auf die verbrannte Haut gebe und das sich der Körperform anpasst“, so Busche. Wenn die Wunde in zwei Wochen verheilt ist, fällt die Kunsthaut einfach ab oder kann schmerzlos wie ein Pflaster entfernt werden. Wenn die Dreieinhalbjährige Glück hat, werden sogar kaum Narben zurückbleiben.

Verbrühungen sind schmerzhafter als Verbrennungen

„Kinder verbrühen sich eher. Das ist aber schmerzhafter als Verbrennungen, die wir eher bei Erwachsenen sehen“, sagt Professor Hans-Oliver Rennekampff, der gemeinsam mit Busche die Abteilung für Verbrennungschirurgie am Klinikum Leverkusen leitet. Aufgrund ihrer Größe zögen Kinder zum Beispiel Tassen mit heißen Getränken vom Tisch oder Töpfe von der Herdplatte. Der heiße Inhalt ergieße sich dann nicht selten von oben herab über das ganze Kind. Verbrühungen sind also keine Seltenheit in der Kinderklinik. So wartet ein weiteres kleines Unfallopfer darauf, die künstliche Haut zu bekommen. Die ganze Hand des Kindes ist verbrannt, und die Mediziner wollen aus der künstlichen Haut eine Art Handschuh formen. Bibizinah ist mit ihrer Schmerzen also nicht allein in der Kinderklinik.