35. StraßengalerieLeichlinger Fußgängerzone wird zur Kunstaustellung

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Ein Künstler steht neben einer Fotocollage

Die Collage von Peter Thönes' Fotokurs ist im Brückerfeld zu sehen.

In Leichlinger Schaufenstern können Passanten seit Samstag Kunstwerke bestaunen. Die meisten haben eine Gemeinsamkeit.

Eine Passantin eilt durch die Leichlinger Fußgängerzone. In ihrer rechten Hand trägt sie eine Tasche, scheinbar will sie nur eben ein paar Einkäufe in der Stadt machen, doch sie bleibt an einem Schaufenster stehen. Dort steht ein Gemälde, das ein verschwommenes Fachwerkhaus zeigt. Peter Thönes lächelt, seine Kunst hat ihr Ziel erreicht: Sie spricht die Leichlingerinnen und Leichlinger an.

Die Passantin erschrickt, als sie in der Spiegelung des Schaufensters plötzlich den Künstler erkennt. Damit hat sie nicht gerechnet. „Ich musste einfach stehenbleiben“, erklärt sie, warum sie so sein Kunstwerk betrachtete. In der gesamten Leichlinger Innenstadt sowie in Witzhelden kann man seit Samstag in 19 Geschäften Bilder, Fotos und Skulpturen von 16 Künstlerinnen und Künstlern bestaunen. Bis zum 14. Juli schmücken sie noch die Läden.

Leichlingen hofft auf viele Besucher der Straßengalerie

Die Stadt Leichlingen, die die Straßengalerie in diesem Jahr zum 35. Mal veranstaltet, erhofft sich regen Zulauf. „Die Leichlinger Künstler haben einen weiten Ruf, das heißt, es kann sein, dass Menschen von außerhalb bewusst deshalb nach Leichlingen kommen, aber in der Regel rechnen wir mit Laufkundschaft“, erklärt Bürgermeister Frank Steffes. Die Straßengalerie spreche ein breiteres Publikum an, weil sich auch Menschen, die sonst nicht extra auf eine Ausstellung gehen würden, die Arbeiten in der Fußgängerzone anschauen.  

Peter Thönes stellt seine Kunstwerke schon seit mehr als drei Jahrzehnten in den Leichlinger Schaufenstern aus. Zusätzlich war er auch an zwei riesigen Fotocollagen beteiligt, die im Brückerfeld nahe der Wupper hängen. Die Collagen fertigte der Fotokurs der VHS Bergisch Land für eine Ausstellung im Sinneswald 2022 an, Themen waren „Freude“ und „Mut“. „Vor zwei Jahren war die Pandemie gerade vorbei und das war mit Vorfreude verbunden, es gab neuen Mut, Dinge neu anzugehen“, verrät Thönes zum Hintergrund der Collagen. In diesem Jahr hofft Thönes auf „eine optimistische Wirkung“ seiner Kunst in der Krisenzeit.

Wenn ich mit meinen Bildern Menschen ein Lächeln schenken kann, das würde mich freuen.
Angela Graul, Künstlerin

Nur wenige Meter entfernt von den Kunstwerken des Fotokurses, im Atelier Voeste Wohnen, stellt Angela Graul ihre Gemälde aus. Sie hat erst kürzlich ihren Beruf für ihre Leidenschaft aufgegeben. Mit ihrer abstrakten Kunst möchte sie „einfach die Seele berühren“, sich selbst und andere glücklich machen. „Es geht so vielen Menschen schlecht im Leben – wenn ich mit meinen Bildern Menschen ein Lächeln schenken kann, das würde ich freuen“, sagt sie. 

Ich bin mit der Straßengalerie gealtert.
Heiderose Birkenstock-Kotalla, Künstlerin

Heiderose Birkenstock-Kotalla ist ebenfalls in die abstrakte Kunst verliebt – und das schon sehr lange: Seit es die Straßengalerie gibt, ist sie bei der Ausstellung dabei. Von sich selbst sagt sie: „Ich bin mit der Straßengalerie gealtert.“ Für ihre Kunstwerke brauche sie keine Titel, jeder sehe darin etwas anderes. „Die Freiheit lasse ich dem Betrachter“, so Birkenstock-Kotalla.

Eine Frau zeigt ein Gemälde in einem Geschäft.

Bei Männing im Brückerfeld hängen Martina Günthner-Langes naturalistische Kunstwerke aus.

Sie selbst sehe in ihrem Bild Farben und Raum, weshalb sie ihre Bilder auch „color spaces“ (auf Deutsch: „Farbräume“) nennt. Bestimmte Absichten oder Aussagen kann sie über ihre Kunst nicht machen. „Das ist als würden Sie einen Musiker fragen: ‚Was wollen Sie mit Ihrer Musik?‘“, sagt sie und weiter: „Abstrakte Kunst ist wie Musik. Meine Kunst steht für sich.“ Sie lacht und fügt hinzu: „Wenn ich das alles in Worte fassen könnte, wäre ich Schriftstellerin geworden.“ Eine weiterer Vorteil der abstrakten Kunst sei, dass sie keine Angst vor KI haben müsse, ganz im Gegenteil zu der naturalistischen Kunst.

Martina Günthner-Lange malt naturalistisch, sie sieht das anders. „Ich habe keine Angst vor KI. KI-Bilder sprechen mich emotional nicht an, meine Kunst hat eine ganz andere Ausstrahlung und Wärme“, so Günthner-Lange. Die Öl- und Pastellkreidekünstlerin kann sich besonders für das Meer begeistern. „Meine Kunst ist für mich Ausdrucksmöglichkeit, die Sehnsucht nach dem Meer zu stillen“, sagt sie. In Bezug auf den Klimawandel spricht Günthner-Lange ihrer Kunst auch eine spezielle Funktion zu. „Sie kann anknüpfen und sagen: Guckt, wie schön die Natur ist! Es gilt sie zu schützen!“ Vielleicht könne sie dadurch auch das Thema Umweltverschmutzung präsenter und dringlicher gestalten.  

Die Leichlinger Straßengalerie zeigt die Vielfalt der Kunst. Und doch haben alle Werke etwas gemeinsam: Sie lassen den Betrachtenden Raum für eigene Kreativität und Deutungen. Sie zeigen, dass ein Künstler oder eine Künstlerin nicht immer schon einen Sinn in ein Bild gegeben haben und ihn mit dem Titel gesichert haben muss, schließlich können Betrachtende auch nachträglich einen Sinn hinzufügen  – und das ist wohl auch ganz im Sinne der Künstlerinnen und Künstler.

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