Der knappe Sieg von Bürgermeister Frank SteffesIm Wechselbad des Wählerwillens
- Nur 82 Stimmen Vorsprung entschieden die Bürgermeister-Wahl in Leichlingen.
- Was ist bei der Stichwahl aus den Stimmen der Grünen geworden?
- Jetzt stehen die Kräfteverhältnisse im Rat fest und beginnen Bündnis-Überlegungen.
Leichlingen – „The winner takes it all“ könnten Abba dem alten und neuen Leichlinger Bürgermeister zum Trost vorsingen. Denn ein Hit war der knappe Wahlsieg von Frank Steffes (SPD) nicht gerade. Mit viel Glück hat er trotzdem alles gewonnen: Er ist für weitere fünf Jahre der Chef im Rathaus und im Ratssaal, auch wenn er sich mit nur hauchdünnen 0,68 Prozentpunkten Vorsprung vor Maurice Winter (CDU) ins Ziel retten konnte.
Ihm zollte Steffes auch auf seiner Facebook-Seite Respekt für sein Ergebnis, so wie er es bereits beim Handschlag im Rathausfoyer nach der Bekanntgabe des Endergebnisses getan hatte. Nicht nur ein so knappes Kopf-an-Kopf-Rennen, auch solch einen Wahlkampf habe er noch nie erlebt, sagte er. „Von interessierter Seite“ sei der auch „unfair und geschmacklos“ geführt worden, kritisiert Steffes rückblickend Angriffe von Gegnern und in den sozialen Medien: „Ich hoffe, diese Schmutzkampagnen vergiften nicht die politische Kultur im künftigen Stadtrat.“
Ein Herzschlagfinale
Dass nun wieder etwas Ruhe in den politischen Alltag einkehren möge, hofft ebenso Winter, mit dem er sich nun duzt. Auch der CDU-Vorsitzende bedankte sich bei Wählern, seinem Team und dem Partner FDP nach dem durchlittenen „Herzschlagfinale“ für das „unglaubliche Ergebnis, das zeigt, wie viele Leichlinger sich einen Wechsel gewünscht haben“. Den Rückenwind wolle er mit der zu einer „richtig starken Gemeinschaft zusammengewachsenen“ CDU nutzen, um Leichlingen gemeinsam voranzubringen.
Die Frage, wie es zu dem einmalig knappen Wahlergebnis kommen konnte, stellt sich so: Wo sind die Stimmen der Leichlinger Grünen-Wähler geblieben? Das hat kein Meinungsforschungsinstitut für Leichlingen untersucht. Aber die Wählerwanderung, die zwischen dem 13. und 27. September stattgefunden hat, war entscheidend für das von vielen nicht erwartete Ergebnis.
Geschrumpfter Vorsprung
Zur Erinnerung: Bei der ersten Abstimmung vor zwei Wochen hatte Frank Steffes (SPD) fast 46 Prozent bekommen, Maurice Winter (CDU/FDP) knapp 40 und Jürgen Langenbucher (Grüne) 14. Damals hatte Steffes 860 Stimmen Vorsprung – ein eigentlich beruhigendes Polster. Doch wie erlebt kam alles ganz anders.
Während man davon ausgehen kann, dass die meisten Anhänger der SPD- und CDU-Kandidaten bei ihrer Präferenz geblieben sind, haben sich die Stimmen aus dem grünen Lager mitnichten paritätisch verteilt, sondern sind offenbar überwiegend Winter zugefallen. Steffes konnte diesmal (bei niedrigerer Wahlbeteiligung) nur 6016 Stimmen für sich verbuchen (407 weniger), Winter aber 5934 (371 mehr).
Ein Blick auf die Wahlbezirke zeigt, dass Steffes die beim ersten Mal errungene Mehrheit in drei Lokalen verloren hat. Auch das prestigeträchtige Duell im eigenen Wahlkreis 2 (Förstchen), wo er schon sein Direktmandat verloren hatte, ging in die Binsen. Hatte er sein persönliches Ergebnis am 13. September dort noch mit 47 zu 42,5 Prozent verteidigt, blieb er beim Finale bei 46,3 Prozent stehen, während Winter auf 53,8 Prozent zulegte und ihn in seinem Revier schlug.
Gute Wahlbeteiligung
Stolz ist das Leichlinger Wahlbüro auf die erzielte Beteiligung. Sie betrug am Sonntag beim Entscheid über den Bürgermeister stadtweit 51,08 Prozent. Im stärkste Bezirk (Jugenddorf St. Heribert) übertraf sie 60 Prozent.
Das bedeutet zwar, dass leider jeder zweite Wahlberechtigte auf sein demokratisches Recht verzichtet hat und es ihm egal ist, von wem seine Stadt verwaltet wird. Aber die Quote ist im landesweiten Vergleich für eine zwei Wochen nach der Kommunalwahl traditionell wenig beliebte Stichwahl rekordverdächtig hoch. Sie lag in NRW nach ersten Analysen durchschnittlich bei etwa 36 Prozent. In Leverkusen betrug sie nur 33,5, in Köln 36,2 Prozent.
Schon beim ersten Wahlgang am 13. September hatte die Beteiligung in Leichlingen mit 60,3 Prozent mehr als acht Prozentpunkte über dem NRW-Durchschnitt von 51,9 Prozent gelegen. (hgb)
In sieben von 16 Bezirken lag Winter vorne, am stärksten war er im Bauhof mit 57,6 Prozent. In neun Bezirken konnte sich Steffes durchsetzen, in Kuhle übertraf er die 60 Prozent. Das mit Spannung erwartete Briefwahlergebnis aus diesem Witzheldener Bezirk war das letzte, das bei der Zitterpartie am Sonntagabend fehlte. Mit nur 82 von 12 000 Stimmen Vorsprung hat er gewonnen. Aus dem knappen Ergebnis lässt sich die Lehre ziehen, dass jede Stimme zählt: Wer nicht zur Wahl geht und glaubt, sein Kreuz könne ohnehin nichts ändern, irrt.
Ändern wird sich durch die Wiederwahl des Verwaltungschefs die Machtverteilung im Rat, die nun feststeht. Weil Sozialdemokrat Steffes Ratsvorsitzender mit Stimmrecht wird und für seinen frei gewordenen Platz in der Fraktion Martin Klemmstein von der Reserveliste nachrückt, hat die SPD eine Stimme mehr. Damit sind die Bedingungen für mögliche Bündnisverhandlungen nun geklärt.
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Bisher hat sich dazu noch keine Partei erklärt. Als sicher kann nur gelten, dass die stärkste Fraktion CDU Seite an Seite mit der FDP Politik machen wird. Eine Mehrheit ist das aber nicht, sie haben nur zwölf Stimmen (siehe Grafik). Mögliche Gespanne mit der Macht von jeweils 17 Stimmen wären CDU, FDP und Grüne (Jamaika) ebenso wie SPD, Grüne und Linke plus Bürgermeister. Mit der AfD möchte niemand paktieren und die Bürgerliste ist für ihren unabhängigen Kurs bekannt. Die konstituierende Sitzung des neuen Stadtrates ist am 2. November.