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FernsehturmWitzheldener Wahrzeichen gesprengt – Abschiedsfeier für den „Äu“

Lesezeit 3 Minuten
Sprengung Funkturm Witzhelden (14)

Der Witzheldener Fernsehturm liegt am Boden.

Leichlingen – Er konnte sich nicht wehren. Als hätte man ihm die Beine weggezogen, verlor „Äu“ das Gleichgewicht. Eine Schrecksekunde lang stand er noch senkrecht, wie geschockt von den grellen Blitzen, mit denen um 13.32 Uhr die Sprengladungen an seinen Halteseilen knallend detoniert waren. Rauchwolken stiegen auf. Dann kippte der Witzheldener Fernsehturm – von den Einheimischen liebevoll „Äu“ (nach dem früheren Bürgermeister August Weltersbach) genannt – zunächst in Zeitlupe Richtung Süd-Ost.

Er schlug jedoch nicht, wie die vielen hundert Schaulustigen hinter den Absperrungen erwartet hatten, an einem Stück auf, 202 Meter lang, so weit wie er hoch war. Sondern er brach auf halbem Wege unter der Last seines Gewichtes entzwei und faltete sich zusammen wie eine Ziehharmonika.

Emotionaler Abschied

Für die meisten Zaungäste, die seit dem Morgen stundenlang auf das Spektakel gewartet hatten, war die Sprengung ein Trauerspiel. Sie vermissen das Wahrzeichen ihres Höhendorfs, in dessen Silhouette nun ein Loch klafft, und Jugendlichen fehlt ein beliebter Treffpunkt.

Mit Campingstühlen, Fotoapparaten, heißem Tee und Frühschoppen-Bier waren sie angerückt, standen auf Anhängern und Autodächern, um das Ereignis zu verfolgen. Unter Einsatz von Stativen, Drohnen und Selfie-Sticks wurde gefilmt, was die Akkus hergaben. Der Bechhauser Weg war zugeparkt. Die Polizei forderte ab 12 Uhr in Lautsprecher-Durchsagen dazu auf, Autos aus der Gefahrenzone zu fahren. Auch entlang der Landstraßen parkten die Zuschauer.

Abschiedsfeier für den „Äu“

Schon in der eiskalten Nacht zuvor hatten die patriotischen Einheimischen „Äu“ zu Ehren eine Abschiedsparty gefeiert. Grabkerzen säumten beidseits die Zufahrt zum Betriebshof. Kinder hatten dem „lieben Turm“ Herzen aus Pappe an den Zaun gehängt. Es gab Glühwein, Gegrilltes und Feuerwerk. Das „Bergische Heimatlied“ wurde gesungen und bei „Niemals geht man so ganz...“ angeblich sogar die ein oder andere Träne verdrückt.

Für den erfahrenen Sprengmeister Karl-Heinz Bühring aber war das Unternehmen ganz ohne Nostalgie einfach eine „perfekte Punktlandung“. Acht elektrisch ferngezündete Schneidladungen mit drei Kilogramm Sprengstoff haben vier Stahlseile der Verankerung sauber durchtrennt. Die verbliebenen Abspannungen zogen den Riesen danach automatisch auf ihre Seite.

Exakt wie kalkuliert, an der Ecke des unversehrt gebliebenen Betriebsgebäudes vorbei, genau durch die Lücke, die zuvor im Zaun geöffnet worden war, krachten 180 Tonnen Metall in Richtung Reiterhof Tiedmann auf den Acker.

Der Schrotthaufen, der sich in die matschige Weide gebohrt hatte, bot danach einen Anblick wie ein abgestürztes Flugzeugwrack. Von allen Seiten stürmten die Neugierigen herbei. Kletterten auf Trümmer, um Erinnerungsfotos zu machen. Bestaunten die nur wenige Zentimeter dicken Halteseile, die den Koloss 57 Jahre lang gehalten haben und nun zerrissen am Boden lagen.

Erinnerungsstücke gesammelt

Und sammelten Erinnerungsstücke ein, Metallreste, Positionslampen, rot-weiße Lacksplitter, Schrauben, alles, was nicht niet- und nagelfest war.Die beste und schwerste Trophäe aber eroberten Sigrid Weltersbach und Helga Meisen vom Verkehrs- und Verschönerungsverein (VVV) Witzhelden.

Sie luchsten dem Eigentümer Deutsche Funkturm GmbH und dem Abbruchunternehmen Freerk die Basis des Fernsehturms mit der Einstiegsluke ab: Das vier Meter hohe ansehnliche Segment wird eingelagert, damit es einmal als Denkmal aufgestellt wird und an die TV-Funk-Geschichte Witzheldens erinnert.

Portionierung für Verschrottung

In den nächsten drei Wochen wird der im Durchmesser 1,80 Meter dicke Mast mit Schneidbrennern zur Verschrottung in Stücke portioniert. Auch ein paar kleinere Explosionen werden noch zu hören sein.

Denn die Beton-Fundamente der Seilverankerungen werden aus dem Boden gesprengt. Die Funkturm-Gesellschaft hat angekündigt, als Ersatz für den in dieser Höhe nicht mehr benötigten Antennenträger einen nur noch etwa 40 Meter großen Stahlgittermast für den Mobilfunk aufzustellen. Er wird damit nur etwa so hoch sein wie das daneben stehende Windrad der Telekom. Kein Ersatz für „Äu“, und nicht hoch und schön genug für ein Wahrzeichen.