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Hotel und TennishalleWie die Stadt Leichlingen die vielen Geflüchteten unterbringt

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Unterkünfte für weitere erwartete Geflüchtete aus der Ukraine: Das Smarty-Hotel in der Brückenstraße und die frühere Tennishalle in Bremsen.

Leichlingen – Auch Turnhallen sind jetzt nicht mehr tabu: Das Leichlinger Sozialamt bereitet sich auf eine große Flüchtlingswelle aus der Ukraine vor und sucht überall nach Unterbringungsmöglichkeiten. Sämtliche städtischen Wohnheime sind längst voll und auch die von Privatleuten angebotenen Zimmer, Apartments und Wohnungen mittlerweile alle belegt. Darum greift der Krisenstab in der Not nun auch zu anderen Mitteln, über die Bürgermeister Frank Steffes am Dienstagabend den Rat informierte:

■ Hotelzimmer: Die Stadtverwaltung hat das Smarty-Hotel an der Marly-Brücke angemietet. Dort stehen bereits ab Ende der Woche Zimmer für 35 Menschen zur Verfügung.

■ Pilgerheim Weltersbach: In Haus Bethanien können ab nächsten Montag kurzfristig bis zu 40 Personen untergebracht werden.

■ Das Umkleidegebäude im Sportzentrum Balker Aue wird wie berichtet umgebaut und zu Schlaf-, Aufenthalts- und Küchenräumen eingerichtet, die 16 bis 20 Geflüchtete aufnehmen können. Es soll bereits diese Woche bezogen werden können.

■ Tennishalle: Die Verwaltung mietet einen Teil der früheren Tennishalle in Bremsen an, die Platz für rund 50 Personen bieten würde.

Unterkunft für weitere erwartete Geflüchtete aus der Ukraine: die frühere Tennishalle in Bremsen.

■ Turnhallen für Geflüchtete zu beschlagnahmen, ist für die Stadt die letzte Option, weil sie weiß, wie sehr Vereine und Schulen gerade nach den Flutschäden auf Sportstätten angewiesen sind: Am Sportzentrum Witzhelden könnten vorübergehend etwa 120, in der Halle der Katholischen Grundschule Kirchstraße 50 bis 60 Menschen untergebracht werden.

Leichlingen richtet sich in der unübersichtlichen Lage auf mehrere hundert Ankünfte vor. Aktuell weiß die Stadt von 129 hier gestrandeten Geflüchteten. Weitere 30 werden aus der zentralen Zuweisung erwartet. Daneben gilt es aber auch, die seit 2015 nach wie vor in Heimen und Wohnungen untergebrachten 194 Asylbewerber anderer Nationalität zu versorgen.

Keine Zwei-Klassen-Gesellschaft

Und mit Kummer registriert das Sozialamt, dass sich in der gesellschaftlichen Beurteilung beider Gruppen eine Kluft auftut, was den Anspruch auf Wohnqualität und Betreuung angeht. Die Verwaltung bedankt sich für die große humanitäre Hilfs- und Spendenbereitschaft der Bevölkerung. Aber: „Wir wollen eine Zwei-Klassen-Gesellschaft unbedingt vermeiden, alle sollen die gleiche Behandlung erfahren,“ sagt Amtsleiterin Romana Arendes auch in Richtung der ehrenamtlich in der Ukraine-Hilfe Engagierten.

In der Sondersitzung des Stadtrates verdeutlichten die mit den Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine befassten Amtsleiter den Fraktionsmitgliedern, dass die Verwaltung im Katastrophen-Modus arbeitet und derzeit drei Krisenstäbe parallel tagen (Corona, Hochwasserfolgen und Ukraine). „In den letzten sieben Jahren haben wir fünf große »Jahrhundert-Katastrophen« erlebt“, rief Steffes in Erinnerung, „das ist kein Pappenstiel. Die Bürgerinnen und Bürger sind körperlich und seelisch erschöpft.“ Und das gelte auch für das überlastete Rathauspersonal, das selbst unter Corona-Ausfällen leide und über dem Limit arbeite: „Das dreiköpfige Team von Sozialamtsleiterin Romana Arendes geht auf dem Zahnfleisch“, formulierte er es, „viele andere Fachämter senden ebenfalls Hilferufe aus. Diese unentwegte Belastung von einer Krise in die nächste führt bei vielen Mitarbeitenden zu starken Erschöpfungs- und Belastungs-Symptomen.“

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Akut werde im Sozialamt jetzt befristet eine Dolmetscherin eingestellt und die halbe Stelle des Corona-Beauftragten auf Vollzeit aufgestockt. Auch aus anderen Ämtern wird Personal abgezogen, wodurch Aufgaben liegenbleiben müssen, bittet Steffes Bürger und Politik um Verständnis: „Die Flüchtlinge aus der Ukraine stehen jetzt vor unserer Rathaustür, brauchen jetzt unsere Hilfe.“

Sachspenden nimmt die Stadtverwaltung zurzeit nicht an, da genügend Materialien vorrätig seien. In Kooperation mit der Diakonie Leverkusen will die Blütenstadt eine Koordinierungsstelle zur Vernetzung ehrenamtlicher Hilfe einrichten.

Ukrainische Kinder können in Absprache mit allen Rektoren als Gastschüler am Unterricht teilnehmen. Es sind bisher etwa 15 bis 20 Kinder im Schulalter in Leichlingen angekommen. Schwieriger wird die Betreuung in den voll belegten Kitas.

Corona-Schnelltests und Impfungen sind auch für ukrainische Personen kostenfrei möglich. Die Impfquote in der Ukraine beträgt nur 35 Prozent. Da die dort verwendeten Vakzine Sputnik und Sinopharm/Sinovac in Deutschland nicht anerkannt sind, benötigen die Geflüchteten hier neue Impfserien.