AboAbonnieren

Leichlinger Jagdvorsteher„Viel Wild wird plattgefahren. Die rasen wie die Verrückten“

Lesezeit 8 Minuten
Helmut Joest

Landwirt und Jagdvorsteher Helmut Joest auf dem Sonennhof an der L294 in Leichlingen.

Leichlingen – Landwirt Helmut Joest vom Sonnenhof ist als Jagdvorsteher seit 30 Jahren Vorsitzender der Jagdgenossenschaft Leichlingen. Bei der nächsten Generalversammlung gibt er dieses Amt ab. Hans-Günter Borowski hat mit dem bald 78-Jährigen über die Aufgaben der Körperschaft und die Lage in den Jagdrevieren gesprochen.

Herr Joest, was macht ein Jagdvorsteher? Sind Sie ein Jäger, ein Landwirt oder ein Oberförster?

Helmut Joest: Das wissen die meisten nicht. Ich bin Landwirt, ich bin kein Jäger und auch kein Oberförster. Ich bin im Prinzip der Vorsitzende der Grundstückseigentümer und wir verpachten die Jagd an die Jagdpächter. Das ist die Hauptaufgabe. Und zwischendurch, ja, da laufen hier mal Hunde rum und ist da ein Wildschaden, und dann versuchen wir zwischen Grundstückseigentümer und Jagdpächter zu vermitteln.

Wie viele Jagdpächter gibt es denn im Moment?

Jagdpächter haben wir im Moment zwölf. Wir haben noch sieben Jagdbezirke in Leichlingen. In den meisten sind zwei Jagdpächter und wir haben zwei Bezirke, da ist nur einer.

Dann haben Sie selbst auch gar keine Flinte? Oder haben Sie schon einmal gejagt?

Nein, nein, ich habe da nichts mit zu tun. Die meisten meinen das, aber das ist nicht so.

Lag es denn nicht nahe, es auch einmal zu versuchen? Haben Sie da keine Beziehung zu?

Wir haben hier den Sonnenhof immer weiter ausgebaut und dann hatten wir dafür ehrlich gesagt keine Zeit – und ich sage jetzt mal: auch kein Geld.

Zwölf Jagdpächter gibt es – und wie viele Grundeigentümer stecken dahinter?

Die Jagdpacht bekommen, sind ungefähr 300. Darunter sind viele, die ein ganz kleines Grundstück haben, 200 oder 300 Quadratmeter. Jeder, der Grundeigentum hat, egal ob Wald, Feld oder Grünland, ist Mitglied der Jagdgenossenschaft. Kraft Gesetz. Da kann er sich auch nicht gegen wehren. Da sind dann viele, wer ein Haus hat und einen Zaun drumrum, da können Sie ja klipp und klar erkennen: das sind dann befriedete Bezirke, wie beispielsweise auch Autobahn, Eisenbahn, Friedhöfe. Die fallen raus. Und ganz kleine Grundstücke, wo jagen gar nicht möglich ist, das sind noch ein ganzer Haufen in Leichlingen. Wir bekommen vom Amt immer die Mitteilungen.

Das heißt, wenn ich mir ein Stück Wald kaufen würde oder eine Weide, dann würde ich automatisch eine Mitteilung bekommen, dass ich jetzt Mitglied werde in der Genossenschaft?

Sie würden keine Mitteilung bekommen, das ist ja das Problem. Wir kriegen Mitteilungen und müssen dann gucken, wie das ist. Sie können sich vorstellen, was das für ein Aufwand ist, wie oft ge- und verkauft wird. Die meisten wissen das ja gar nicht. Und dann ist das so: Derjenige, der verkauft hat, bekommt noch die Pacht, meldet sich nicht und kassiert weiter – und der Käufer geht leer aus. Wir müssen drei Jahre rückwärts bezahlen. Wir machen das immer so: Vom Katasteramt bekommt der Geschäftsführer eine Liste, was sich geändert hat, und dann gehen wir im Vorstand, da haben wir ja fünf Leute, durch: Wer kennt den und kennt den und den? Und dann rufen wir die an. Und wenn einer unbekannt ist, der wird dann angeschrieben. Und ich habe gesagt: Wer einmal angeschrieben worden ist und sich nicht meldet, da machen wir nix mehr. Das ist doch traurig, wenn man einen anschreibt: Du kannst Geld kriegen, und der meldet sich nicht, dann müssen Sie doch sagen: Der will nicht! Oder?

Gibt es einen festen Preis für die Pacht?

Ja, vor zwei Jahren sind die Jagden neu verpachtet worden. Und es gibt einen gewissen Haushalt, da ziehen wir die Kosten für Geschäftsführung, Berufsgenossenschaft und anderes ab. Und was dann übrig bleibt, wird pro Hektar geteilt. Wir haben in Leichlingen so pi mal Daumen 2500 Hektar. Und wenn wir so 30.000 Euro verteilen können, sind das zwölf Euro pro Hektar. Wir sind jetzt bei 13. Wir waren schon mal viel höher vor Jahren. Aber dann kam damals die Misere und wir haben auch einen Teil Pächter aus Solingen. Und dann haben die alle nicht mehr so geboten. Und dann ist mir auch noch wichtig: Wir nehmen nicht denjenigen, der am meisten bezahlt. Wir könnten die auch meistbietend versteigern. Aber dann kommen die Jagdpächter aus Holland und was weiß ich, wo die herkommen, und bieten viel Geld und dann sehen wir die nicht mehr. Uns ist immer wichtig, dass wir hier auch zwischen den Jagdpächtern und den Landwirten ein vernünftiges Verhältnis haben. Das ist ja auch etwas wert, ne? Mehr als zwei Euro.

Benehmen sich die Jäger hier denn oder haben Sie mit denen Probleme in Leichlingen?

Nein. Das ist zum Glück das Schöne: Ich habe die ganzen Jahre mit allen Jagdpächtern ein gutes Verhältnis gehabt und immer noch. Bis auf einen – aber der hat keine Jagd mehr gekriegt. Ich sag’ mal so: Wir brauchen die Jäger. Die Landwirte und die Forstwirte, die brauchen die Jäger. Im Moment sind das größte Problem die Wildschweine und der Schaden, den die anrichten. Deshalb müssen die in Schach gehalten werden. Und im Wald die Rehe. Jetzt nach dem Borkenkäfer sind viele Flächen ja abgeholzt, in Leichlingen geht es eigentlich noch, und wenn dann neu aufgeforstet wird, und das Wild nicht ein bisschen im Rahmen gehalten wird, dann werden die jungen Triebe alle abgefressen, dann kriegen sie keinen Wald mehr rauf. Deswegen wird das auch zum Teil eingezäunt – und das kostet eine Menge Geld.

Was raten Sie einem, der beim Wandern oder Joggen plötzlich einem Wildschwein gegenüber steht? Was soll man machen?

Ein normales Wildschwein haut ab. Es sei denn – und das wollen wir nicht hoffen, dass sie bis hierher kommt, sie kommt ja immer näher – es hat die Schweinepest. Wenn die sowas haben, werden die ja manchmal unberechenbar. Aber bis jetzt haben wir hier noch Glück, wenn die Sie sehen, hauen die ab. Im Zweifelsfall können die schneller laufen, die haben vier Beine. Was aber auch ein großes Problem ist, sind die Hunde. Wenn sie spazieren gehen, heißt es ja immer: Mein Hund, der hört. Aber wenn ein Wild kommt, dann rennt jeder Hund hinterher, jeder. Und wenn die die nicht kriegen und jagen und die rennen dann blindlings über die Straße, werden sie plattgefahren. Sie glauben gar nicht, wie viel Wild auf der Straße plattgefahren wird. Schilder wegen Wildwechsel bringen da auch nichts, die fahren wie die Verrückten.

Jagdvorsteher

Helmut Joest ist seit 30 Jahren Vorsitzender der Jagdgenossenschaft Leichlingen. In der Generalversammlung, die am 28. Juni in „Haus Klippenberg“ in Oberbüscherhof abgehalten wird, kandidiert der 77-Jährige nicht mehr. Ein neuer Jagdvorsteher wird gewählt.

Der Landwirt vom Sonnenhof ist 1944 im damaligen Burscheider Krankenhaus zur Welt gekommen. Der Landwirtschaft-Meister hat den elterlichen Hof in der Leichlinger Ortschaft Sonne übernommen, wo an der Bergstrecke einst die „Schankwirtschaft zur Sonne“ ein Halt für Pferdefuhrwerke war. Mit seiner Frau Else hat Joest vier Kinder.

Sohn Stefan Joest bewirtschaftet mit seiner Familie inzwischen den Hof und Reitstall mit 60 Kühen, 30 Pensionspferden, Milchtankstelle und SB-Hofladen.

Ehrenamtlich engagiert hat sich Helmut Joest auch zwölf Jahre lang als Kreislandwirt der Bauernschaft und er war 20 Jahre lang Mitglied des Aufsichtsrats der Volksbank. (hgb)

Was macht denn ein Jäger, der keinen Bezirk hat?

Der muss von einem Jagdpächter, der einen Bezirk hat, eingeladen werden, dass er mitgehen darf.

Ist das üblich?

Ein Pächter kann den Bezirk ja gar nicht alleine bejagen. Auch einer, der noch im arbeitsfähigen Alter ist und tagsüber arbeiten muss, der kann keine Wildschweine schießen. Die kommen nachts. Und wenn Sie dann nachts auf dem Hochsitz sitzen, müssen Sie tagsüber schlafen. Wir haben jede Menge Jäger, die keinen Bezirk haben, aber die Pächter sind froh, wenn sie welche haben, auf die sie sich verlassen können. Das ist ja heute auch nicht mehr modern. Wenn der sagt: Ich bin morgen Abend auf dem Hochsitz, dann muss er auch da sitzen, da kann er nicht sagen, die Oma war krank…

Eine Zeitlang gab es Jagdgegner, die Hochsitze angesägt oder zerstört haben. Ist die Welle vorbei oder gibt es das immer noch?

Sollen wir auf Holz kloppen? Haben wir auch gehabt hier in Leichlingen. Wie soll ich das jetzt sagen? Es müssen nicht immer Jagdgegner sein, es können auch persönliche Dinge sein. Bei uns Bauern gibt es das ja auch. Ich versuche immer mit den Leuten zu sprechen. Ich war froh, als in der Zeitung stand, dass die Wildschweine in den Hausgärten waren. Warum? Wenn die Leute mal merken, wie das ist, wenn die einem das Eigentum kaputtmachen, dann haben die viel mehr Verständnis für uns.

Das könnte Sie auch interessieren:

Was waren in den 30 Jahren die größten Veränderungen, wenn Sie zurückblicken?

Wir haben umgestellt auf Computer. Vorher musste der Geschäftsführer 300 Überweisungen ausfüllen und ich musste die dann alle unterschreiben. Aber dann hieß es: Wir machen das jetzt mit Computer und dann wird das alles besser. Aber dann hat der Kreis da ein neues Programm und dann ist da wieder ’ne Änderung und da wieder wat... Wenn wir das ganze Geld noch hätten, ich glaube, dann wären wir besser gefahren, wenn wir das nicht gemacht hätten. Wir brauchen jetzt sogar einen Datenschutzbeauftragten.

Gibt es für Sie schon einen Nachfolger, der bei der Generalversammlung am 28. Juni für den Vorsitz kandidiert?

Ja, aber den geben wir noch nicht preis.