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Mehr KlagenLeichlinger kämpft gegen Motorradlärm – „Lärmkarte“ wird erstellt

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Der „Klingenring“ von Wupperhof über Orth nach Herscheid - eine bei Motorradfahrern beliebte Strecke der L 427.

Leichlingen – Noch schlafen die meisten Motoren, ist es ruhig unter Abdeckplanen und in den Garagen. Nur wenige hartgesottene Motorradbesitzer fahren auch im Winter trotz Nässe und Kälte durch. Aber Franz Jung hört die Maschinen im Geiste schon aufschreien. Sobald das Wetter besser wird, bricht so sicher wie das Frühjahr kommt im Bergischen Land wieder die Bikersaison aus.

Und gegen den unnötigen Lärm, der dann durch rücksichtslose Fahrer, Raser und getunte Rennmaschinen verursacht wird, zieht Jung zu Felde. Der Witzheldener Ratsherr der Bürgerliste ist seit Juli 2019 ehrenamtlicher Beauftragter der Stadt Leichlingen gegen Motorradlärm. Und gemeinsam mit seinen Kollegen aus den Nachbarorten und der Polizei rüstet er sich schon jetzt rechtzeitig für die kommende Zweiradsaison.

Die Serpentine der oberen Kirchstraße in Leichlingen. Auch hier beschweren sich die Anwohner über Motorenlärm.

„Die Klagen bezüglich Motorradlärm in Leichlingen und Witzhelden haben im zweiten Halbjahr nochmals zugenommen“ berichtet Jung. Um einen Überblick über die Belästigungen zu bekommen, ist er dabei, eine Karte der Straßen und Streckenabschnitte zu erstellen, wo gerne Gas gegeben wird und hohe Drehzahlen Anwohner nerven. Seine Aufrufe an die Bevölkerung, ihm solche Brennpunkte zu melden, haben bereits „eine Menge Rückmeldungen“ ergeben, wie er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ jetzt berichtete.

Der Leichlinger Motorradlärm-Beauftragte Franz Jung.

Die Kurven der früheren Klingenring-Bergrennstrecke der L 427 von Wupperhof bis Herscheid und die L 359 zwischen Bennert und der Serpentine der oberen Kirchstraße sind bekannte Pisten, die Fahrspaß bieten. Aber auch entlang der Geraden von Metzholz bis Stöcken, auf der Burscheider Straße in Höhe der Witzheldener Feuerwache beschweren sich Anwohner über Piloten, die es übertreiben. „Der Besitzer des Eiscafés am Witzheldener Busbahnhof hat mir berichtet, dass die Kunden nicht mehr draußen sitzen wollen sondern reinkommen, weil ganze Gruppen von Motorradfahrern auf der Solinger Straße lautstark beschleunigen, wenn die Tempo-30-Zone aufhört“, sagt Jung.

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Es sind nicht immer Raser, die zu viel Lärm verursachen. Die Dezibel steigen mit der Drehzahl, die manche auch im kleinen Gang unnötig hochtreiben. Wie man das Problem bändigen kann, wird Franz Jung als Interessenvertreter der Stadt Leichlingen mit Kollegen in Wermelskirchen, Odenthal und Wipperfürth besprechen, die sich zu einem regionalen Arbeitskreis zusammengeschlossen haben.

Im Februar treffen sie sich zu ihrer ersten Konferenz 2020. Daran wollen auch Polizei, Kreisverwaltung und der Landesbetrieb Straßen NRW teilnehmen. Ziel ist es, Initiativen, Tempomessungen, Kontrollen, Aktionstage und Aufklärungs-Kampagnen für die nächste Saison zu besprechen.

Gut getarnte Messgeräte

Vorreiter ist Wermelskirchen, das 30 000 Euro in eine Lärm-Messanlage investiert hat, die in einem Leitpfosten versteckt ist. Die unauffälligen Seitenradargeräte und Mikrofone können vorbeifahrende Motorräder von Pkw unterscheiden und sind seit 2016 dort ebenso wie Anzeigetafeln, auf denen zu leiserer Fahrweise aufgefordert wird, im Einsatz.

Die Schallmessungen haben ergeben, dass die Beschwerden von Anwohnern berechtigt sind und die subjektiven Eindrücke durch die festgestellten Pegel bestätigt werden, dass der Lärm nicht von der Geschwindigkeit abhängt, und dass sinnvoll platzierte Dialog-Displays, die (ähnlich wie Tempo-Überwachungen) „Leiser!“ oder „Danke“ anzeigen, eine positive Wirkung haben können.

Leichlingen kann sich die Messanlage ausleihen

„Wermelskirchen ist bereit, eine Messanlage inklusive Personal auch Leichlingen einmal zur Verfügung zu stellen“, berichtet Franz Jung – und er will sich dafür einsetzen, dass dies auch geschieht, um verlässliche Daten sammeln zu können: „Bei Lärmmessungen in und um Wermelskirchen entsprachen 2018 über 20 Prozent aller Motorräder nicht den gesetzlichen Vorgaben“. Fahrer manipulierter Motoren und Auspuffanlagen müssten mit Strafen rechnen, wenn sie bei den geplanten Kontrollen von Polizei und Tüv erwischt würden: „Bei groben Verstößen werden die Fahrzeuge sofort stillgelegt“, warnt Jung.

Die Ausflugsstrecken im Bergischen Land sind bei Bikern verständlicherweise besonders beliebt, da landschaftlich reizvoll. Das Problem ist aber ein bundesweites. Jung zitiert Statistiken, nach denen sich 28 Prozent der Bevölkerung durch Lärm belästigt fühlen: „Das ist der Spitzenwert in Europa, wo der Schnitt »nur« bei 18 Prozent liegt.“

Lärm auf zwei Rädern

Krach machten zwar auch Autos. Motorräder spielten dabei aber eine überproportionale Rolle: Mit nur 1,5 Prozent am Verkehrsaufkommen beteiligt, seien sie laut einer Studie aus Baden Württemberg der Grund für 75 Prozent aller Lärmbeschwerden.

Franz Jung will den Motorradfans ihr Hobby nicht verbieten. Er ärgert sich aber darüber, dass ein gehöriger Teil des Lärms unnötigerweise produziert werde und daher vermieden werden könne. Die Messungen in Wermelskirchen hätten auf der Basis von einer Million Durchfahrten ergeben, dass 24 Prozent der Motorradfahrer ihre Maschinen unnötig laut aufdrehen.

Der Beauftragte der Stadt Leichlingen für Motorradlärm, Franz Jung, ist für Beschwerden und Anregungen unter ☎ 0171 784 26 50 und per E-Mail erreichbar: motorradlaerm@leichlingen.de