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Wochenlang ohne HeizungFamilie mit zweijähriger Tochter friert in Leichlinger Wohnung

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Florian Szarata mit dem kleinen Heizlüfter, den er vom Vermieter bekommen hat.

Leichlingen – 11,1 Grad kalt ist es derzeit bei Florian Szarata im Schlafzimmer. Der 29-Jährige wohnt mit seiner Freundin und der zweijährigen Tochter im Quartier Cremers Weiden – ohne Heizung seit Ende November.

Am 24. November hätten sie das erste Mal bei der Verwaltung angerufen, erinnert sich Szarata, da war die Heizung schon einige Tage kalt. Komplett aus. Zwischenzeitlich habe sie einige Tage etwas funktioniert. Irgendwann erschien ein Aushang der Deutsche Wohnen, der Gesellschaft, der die Siedlung teilweise gehört – der andere Vermieter ist Kiefer und Zehner aus Köln –, man solle sich bei der Hausverwaltung bezüglich eines Radiators melden. Drei Wochen lang mussten sie auf ihn warten.

Tagsüber ist die Freundin mit der Tochter unterwegs, bei der Oma, sonstwo, nur nicht in der kalten Wohnung. Der Großvater der Freundin sei schwerkrank, erzählt Szarata, daher will die Familie selber auf keinen Fall krank werden, um ihn nicht zu gefährden. Von der Schwiegermutter bekamen sie einen Heizlüfter, der sorgt zumindest im Wohnzimmer für etwas Wärme. Florian Szarata, in Fleecejacke unterwegs, ist frustriert, hat bei der Verwaltung gefühlt schon „50, 60 Mal angerufen“: „Das bei den Temperaturen, die wir haben!“ Die aktuellen neun Grad sind schon viel, vor einigen Tagen lag schon leichter Schnee im Bergischen. Bei einem der Gespräche sei ihm auch „die Hutschnur geplatzt“, räumt er selber ein. Immerhin habe die Deutsche Wohnen selber darauf hingewiesen, dass sie die Tage aufschreiben sollen, um eine Mietminderung geltend zu machen.

30 Personen waren vor Ort

Grund für den Ausfall sei das Hochwasser, bestätigt die Deutsche Wohnen auf Anfrage. „Das unterirdische Heizwerk mitsamt der 50 Unterstationen war geflutet und so stark beschädigt, dass es leider komplett ausgetauscht werden muss. Daran hängen rund 380 Wohnungen der Deutsche Wohnen", erklärt Unternehmenssprecherin Laura Kruß.

Der Einbau einer neuen Heizanlage gestalte sich „sehr komplex“. Dazu komme erschwerend hinzu, dass es einen akuten Handwerker- und Materialmangel gibt und es so zu Lieferengpässen kommt. „Die Anlage soll nichtsdestotrotz noch in diesem Jahr wieder in Betrieb gehen.“ Neben den mobilen Heizgeräten sei ein „Hotmobil“ installiert, eine externe mobile Heizanlage, um die Mieter mit Grundwärme zu versorgen. Allerdings komme „aufgrund von Schäden und Undichtigkeiten im Rohrnetz zwischenzeitlich nicht die volle Heizleistung in allen Wohnungen an“. Die Undichtigkeiten seien aber inzwischen behoben. Bislang seien rund 120 Radiatoren verteilt worden, heißt es von Deutsche Wohnen. „Bei rund 30 Mieterinnen und Mietern steht die Auslieferung noch aus, hier wurden die Bewohner entweder nicht angetroffen oder nicht erreicht.

Am Dienstagabend organisierte die SPD ein Bürgertreffen, Manuela Küpper vom Mieterverein Leverkusen, der auch für Leichlingen zuständig ist, informierte die Anwesenden über ihre Rechte. Knapp 30 Leute hatten sich in den Räumlichkeiten der Awo eingefunden. Sie alle hatten mehr oder weniger gleiche Erfahrungen gemacht und ließen ihrem Frust freien Lauf: über die mangelhafte Kommunikation, „es kriegen nie alle Informationen“, beschwerte sich eine Mieterin, dass die Heizlüfter zu spät gekommen seien, überhaupt liege einiges im Argen. Auch die Keller seien ja nach der Hochwasserkatastrophe nicht benutzbar, Beschwerden über Schimmel und feuchte Wohnungen kamen auf. Die Miete gemindert hat kaum jemand: „Es haben alle Angst, keiner traut sich“, sagte ein Mann aus der Siedlung Am Büscherhof.

Die Antwort zumindest von einem Vermieter, der Deutsche Wohnen, ist deutlich: „Selbstverständlich gewähren wir den Mieterinnen und Mietern für den Heizungsausfall zusätzlich entsprechende Mietminderungen. In den meisten Fällen werden diese im Nachgang über den kompletten Zeitraum des Ausfalls geltend gemacht“, erklärt die Unternehmenssprecherin.

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Manuela Küpper klärte zusätzlich auf: Die Mietminderung bemesse sich nach den Temperaturen, die herrschten, daher solle man sie regelmäßig messen, erklärte sie. 20 bis 22 Grad hielten Gerichte für eine ausreichende Temperatur – da ging ein höhnisches Lachen durch den Raum –, bei Temperaturen von 16 bis 18 Grad könnte man 20 Prozent von der Warmmiete mindern und dann immer stufenweise. Und auch aufgrund des nicht benutzbaren Kellers könne man die Miete mindern, wenn auch nur um fünf Prozent.

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Die Ölfässer am Tag nach der Flut. Seit Mitte Juli ist die Heizung im Quartier Cremers Weiden defekt.

Küpper bekräftigte, der Mieterverein versuche, eine Regelung für alle zu finden, auch für die Nicht-Mitglieder, versprechen konnte sie aber nichts. Ansprechpartner bei den beiden Vermieterunternehmen habe sie bislang nicht erhalten. Auf einen Rückruf aus Berlin wartet sie bislang immer noch.

Wer haftet für Folgeschäden?

Viele Anwesenden fragten sich auch, wer für Folgeschäden haftet, wenn beispielsweise Schimmel durch die kalten Temperaturen in den Wohnungen entsteht. Hier offenbart sich das Dilemma: Wer lüftet, senkt das Risiko der Schimmelbildung, aber lässt noch mehr Kälte in die eh schon kalte Wohnung.

Hier beruhigte Manuela Küpper die Mieter. Zuerst müsse der Vermieter für die mangelfreie Wohnung sorgen, erst dann wäre ein etwaiges Fehlverhalten Thema. Als Idee brachte sie auf, einen Gutachter zu engagieren, der die Schimmelsituation beurteilen kann, mit einem Sachverständigengutachten hätte man wieder andere Chance, bekräftigte Küpper. Und sollte die Gesundheit gefährdet sein, könne man sich auch an die Stadt wenden. Roswitha Süßelbeck, Vorsitzende der SPD Leichlingen, erläuterte, eine Anfrage an die Verwaltung, wie damit umzugehen ist, sei in Arbeit.

Wie viele Wohnungen insgesamt betroffen sind, ist unklar. Knapp 550 Einladungszettel hatte die SPD verteilt, auch wenn nicht alle Wohnungen vom Heizungsausfall betroffen sind. Im zweiten Schritt wolle man auf die Vermieter zugehen, sagte Süßelbeck.

Der angekündigte Rückruf von Kiefer und Zehner in der Redaktion des „Kölner Stadt-Anzeigers“ blieb bis Mittwochabend aus.