Ritter, Adelige und TV-KommissareDer Mythos der Burg Haus Vorst bleibt lebendig
Leichlingen – Der Mythos einer Ritterburg fasziniert immer. Auch die Geheimnisse, Geschichten und Gestalten aus allen Zeiten, die Haus Vorst umranken, verfehlen ihre Wirkung offenkundig nicht: Der Weyermannsaal des Leichlinger Bürgerhauses war jedenfalls überfüllt, als der Bergische Geschichtsverein (BGV) am Dienstagabend einen mit wissenschaftlicher Akribie erarbeiteten Vortrag über das älteste Baudenkmal der Stadt hielt.
Der Zauber der Bilderbuch-Burg im Wald hoch über der Wupper entfaltete seine Wirkung umso mehr als sie seit zwei Jahren nicht mehr besichtigt werden kann. Mehr als 100 Zuhörer besetzten alle Stühle und Stehplätze und lauschten dem Bericht gebannt zwei Stunden lang.
Ein überraschend großes Interesse, sollte man doch annehmen, dass über Haus Vorst schon alles geschrieben und gesagt worden ist, was von Bedeutung ist. Aber die drei Referenten des BGV, Reinhold Braun, Hans-Josef Rupprecht und Klaus-Dieter Hartmann, der die größte Sammlung von Ansichtskarten zum Objekt besitzt, hatten derart tief recherchiert und eine solche Fülle an auch seltenem Bildmaterial mitgebracht, dass es vom Anfang (den Herzögen von Berg) bis zum Schluss (Plaudereien aus dem Atelier Werner Peiners) spannend und mucksmäuschenstill im Saal war.
Adorf und Millowitsch
Verschollene Ritterrüstungen, Schwerter und Kanonen, ein geheimer Kerker und der verborgene Stollen eines Erzbergwerks beflügelten ebenso die Phantasie wie Erinnerungen an die einst hier geöffneten Gartenwirtschaften, an Burghofkonzerte und an Dreharbeiten für Kinofilme und Fernseh-Krimis.
In der Burghof-Kulisse ermittelte Mariele Millowitsch als Kommissarin Marie Brand, drehten Mario Adorf, Sunnyi Melles und die wenige Tage später verstorbene junge Schauspielerin Maria Kwiatkowsky „Die Erfindung der Liebe“, war der „Tatort“ zu Gast und verlegten Caroline Peters und Bjarne Mädel ihr Eifelkaff Hengasch für eine Folge von „Mord mit Aussicht“ an die Wupper.
Sogar bei der Fahndung nach der legendären Sexklamotte „Ritter Orgas muß mal wieder“, die 1970 im Vorster Busch gedreht worden ist, ist Historiker Reinhold Braun, der Vorsitzende der BGV-Abteilung Niederwupper, erfolgreich gewesen: Er hat ein rares, möglicherweise das einzige erhaltene Plakat des frivolen Softpornos aufgetrieben.
Den Billig-Streifen hat noch nie jemand gesehen, von ihm soll aber eine Kopie im Filmmuseum in Berlin existieren. Der nicht unbekannte Herbert Fux, der später sogar mit Volker Schlöndorff, Werner Herzog und Ingmar Bergman gearbeitet hat, mimte darin den lüsternen Ritter.
Ted Henner, der damals auf der Leichlinger Burg wohnte, hat das Drehbuch für die laut Filmlexikon „strohdumme“ Mittelalter-Klamotte geschrieben.
Echte Ritter haben auf der Burg ab Mitte des 13. Jahrhundert gelebt. Aus dem Jahre 1297 stammt eine urkundliche Erwähnung von „Hermanus de Foresto“. 1392 wird das Anwesen „Haus Vorst“ genannt, drei Jahre später „Schloss“. Zu dieser Zeit, vermutet Reinhold Braun, ist der Hof zu der befestigten Höhenburg ausgebaut worden, wie man sie heute noch kennt: „Es sollte wohl eine Schutzburg für den Grafen von Berg und Jülich vor Angriffen der Stadt Köln sein“. Adolf von Berg soll seinen Vater, Herzog Wilhelm von Berg, 1403 hier eingesperrt haben.
Plünderungen in Kriegszeiten
Nach etlichen Besitzerwechseln und Plünderungen in Kriegszeiten kam 1782 die Adelsfamilie Mirbach-Harff in den Besitz der Burg – und behielt sie als Jagdschloss erstaunlich lange, bis 1948 (das Waldgebiet mit dem Hülser Hof gehört ihr noch heute). In dem Jahr kaufte der Maler-Professor Werner Peiner die Burg und richtete bei einer umfassenden Restaurierung der Gemäuer hier Wohnsitz und Atelier ein.
Werner Peiner (1897-1984) schlägt ein neues Kapitel in der Burg-Geschichte auf. Er hat nicht minder zum anhaltenden Mythos von Haus Vorst beigetragen. Denn der Leiter der Hermann-Göring-Meisterschule für Malerei in Kronenburg in der Eifel war eng mit dem Nazi-Regime verflochten. Den Machthabern verdankte er lukrative Aufträge für Gobelins und heroische Schlachtengemälde.
Auf dem Kunstmarkt und in Museen ist Peiners Werk deshalb bis heute verpönt und vom Nimbus des Verbotenen umnebelt. Privatfotos aus dem Familienalbum und die Erzählungen seines Enkels Marcus Albanus, der auch mit dem schwierigen Teil des Peiner-Erbes offen umgeht, weckten die Neugierde des Publikums im Bürgerhaus umso mehr.
Familie Albanus war die letzte, die Haus Vorst für Besucher, Ausstellungen, Konzerte, Hochzeiten, Märkte, Filmteams und Denkmalführungen geöffnet hat. 2014 verkauften sie ihre Burg. Nicht zuletzt wegen der immensen Unterhaltungskosten, erklärte Marcus Albanus: „Wir mussten jedes Jahr 28.000 Liter Öl kaufen.“ Der neue Eigentümer, ein Unternehmer aus der Computerbranche, hält das Tor seines Wohnsitzes verschlossen und legt Wert auf seine Privatsphäre.
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Viele Leichlinger bedauern das, auch Marcus Albanus. Aber er gab zu bedenken, dass der neue Burgherr das Anwesen mit großem Aufwand denkmalgerecht vorbildlich saniert hat: „Wir sind froh, jemanden gefunden zu haben, der dem Haus noch einmal 1000 Jahre geschenkt hat.“
Alle, die anklopften, verriet Albanus, hätten aber auch seine gastfreundlichen Eltern nicht in die Burg gelassen: Das Team von „Alarm für Cobra 11“ zum Beispiel , das hier Szenen für die Autobahnpolizei-Krimis drehen wollte, habe sein Vater energisch abgelehnt: „Die sprengen doch alles in die Luft!“