Leverkusener ClanWie die Al Zeins 230.000 Euro Schutzgeld erpresst haben sollen
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Leverkusen – Der Auftritt der beiden Männer in der Kfz-Werkstatt in Düsseldorf verhieß nichts Gutes. In harschem Ton forderten die Besucher den Besitzer auf, ihren Wagen abzuschleppen und zu reparieren. Umsonst, versteht sich. Wenn er sich weigere, wisse er ja, was passieren würde, drohten sie. Der Mechaniker verstand.
Bei den Kunden soll es sich nach Informationen des Kölner Stadt-Anzeiger um den Leverkusener Chef Badia Al Zein und ein weiteres hochrangiges Mitglied des mächtigen libanesischen Clans gehandelt haben. Bereits seit geraumer Zeit sollen Al-Zein-Mitglieder das Viertel terrorisiert haben. Wer kein Schutzgeld zahlte, riskierte Prügel.
Zahlen oder getötet werden
Werkstattbetreiber Mehmet L. (Name geändert) wollte keinen Ärger. Als die Männer ihn erneut aufforderten, eines ihrer Autos neu zu lackieren, tat er also, was man von ihm verlangte. Bald erschien der Leverkusener Clan-Chef wieder. Dieses Mal soll Badia Al Zein dem Handwerker klar gemacht haben, dass er jeden Monat Geld zahlen müsse. Sollte er sich weigern, würden sie ihn fertig machen. Im Klartext unter Clan-Mitgliedern: Man würde ihn töten.
Und so begann Mehmet L. zu bezahlen. Ein paar Hunderter hier, ein paar Hunderter da. Der Fall offenbart nach Erkenntnissen der Strafverfolger, wie skrupellos Badia Al Zein und seine Komplizen Geschäftsleute über Jahrzehnte hinweg drangsaliert haben sollen.
Elektroschocker auf die Brust gesetzt
Wenn der Düsseldorfer Automechaniker nicht gleich die Scheine herausholte, soll der Leverkusener Clanchef und sein Komplize ihm einen Elektroschocker auf die Brust gesetzt haben. Mitunter sollen die beiden einen Teleskopstab mit den Worten gezückt haben: Er könne sich ausmalen, was geschehen würde, sollte er nicht zahlen.
Mindestens zwei Mal im Monat musste der KFZ-Mechaniker solche Besuche über sich ergehen lassen. Bei einer Gelegenheit soll Badia Al Zein ihm mit Mord gedroht haben. Für ihn sei es kein Problem, sollte er für die Tat zehn Jahre in den Knast wandern, soll er getönt haben.
Vor Angst Aussage verweigert
Die Schutzgelderpressungen begannen den Ermittlungen zufolge um die Jahreswende 2003/2004. Das Opfer meldete sich zwei Jahre später bei der Polizei und packte umfassend aus. Seine Frau bestätigte die Angaben. Sechs Tage später aber verweigerte Mehmet L. vor lauter Angst weitere Vernehmungen.
Dennoch bildete die Düsseldorfer Polizei in dem Fall die Sonderkommission „Arsen“. Die Eheleute L. wurden ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen, aus dem sie aber bald wieder ausstiegen. Getrennt von ihrer Familie, ein Leben in völliger Isolation - das war für die Kronzeugen nicht erträglich.
Am 23. Januar 2007 verhaftete die Kommission die mutmaßlichen Erpresser, darunter auch Badia Al Zein. Der Haftbefehl warf ihm 85 Tathandlungen vor. Es ging um Schutzgeldzahlungen von 70.000 Euro.
Letztlich wurde Al Zein freigesprochen
Dann aber geschah Erstaunliches: Bereits nach drei Wochen kam der Clan-Chef wieder frei. Bald wurde der Haftbefehl gänzlich aufgehoben. Das Opfer schien eingeschüchtert. Auch zog sich das Verfahren in die Länge. Wegen Überlastung dauerte es beinahe zwölf Jahre, bis der Fall vor Gericht kam. Die Strafkammer sprach den Angeklagten Badia Al Zein letztlich am 23. März 2018 von den Vorwürfen frei.
Begründung: Nach der durchgeführten Beweisaufnahme war „die Kammer nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon überzeugt, dass der Angeklagte diese Tat, zu der er sich eingelassen hat, begangen hat.“ Komplizen des Clanchefs kamen mit Bewährungsstrafen davon.
Anderthalb Jahre später bildete die Düsseldorfer Polizei eine weitere Ermittlungskommission. Erneut hatte man den Leverkusener Clan im Visier. Auslöser waren Hinweise auf Sozialleistungsbetrug im großen Stil und Geldwäsche. Durch abgehörte Telefonate wurden die Ermittler Zeuge, wie Hartz-IV-Empfänger Badia Al Zein und zwei seiner Söhne weiterhin den Werkstatt-Betreiber Mehmet L. ausgenommen haben sollen.
Mit dem Anzünden der Werkstatt gedroht
Auch als der Mechaniker selbst knapp bei Kasse war, habe der Clan-Chef kein Erbarmen gekannt. Er solle ihm sein Geld besorgen, bevor etwas geschehe, was er noch nie in seinem Leben gesehen habe. Einer der Söhne soll ihm gedroht haben, seine Werkstatt anzuzünden.
Am 21. November 2019 sollen zwei Clan-Sprösslinge den Sohn des Erpressungsopfers brutal zusammengeschlagen haben. Der Junge erlitt schwere Gesichtsverletzungen. Gänzlich eingeschüchtert bekundete der Vater des Opfers gegenüber einem der mutmaßlichen Täter, dass er von einer Strafanzeige absehe.
230.000 Euro Schutzgeld erpresst
Insgesamt soll der KFZ-Mechaniker in den vergangenen Jahren Schutzgeld in der Höhe von insgesamt 230.000 Euro gezahlt haben. So lauten die Schätzungen der landesweiten Schwerpunktabteilung gegen die Organisierte Kriminalität (OK) bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf und der Kripo. Im Juni 2021 ging die Leverkusener Clanspitze bei einer Razzia in ihrer Villa im Stadtteil Rheindorf in Untersuchungshaft. Es bleibt abzuwarten, ob sich der mutmaßlich erpresste Werkstattbetreiber aus Düsseldorf zu einer neuerlichen belastenden Aussage bewegen lässt.