Abgas-SkandalLeverkusener Lungenfacharzt stellt Strafanzeige gegen VW-Konzern
Leverkusen – Norbert Mülleineisen hält kurz die Luft an, um dann richtig in die selbige zu gehen: „Ich konnte als Lungenfacharzt einfach nicht mehr mit ansehen, dass immer mehr Nichtraucher mit Atemwegserkrankungen in die Praxis kommen und dass eine ganz klare Verbindung zum Autoverkehr besteht“, sagt der Mediziner. Leverkusen sei mit seinen beiden Autobahnkreuzen besonders stark betroffen. „Und durch die Stelzenautobahn verteilen sich die Abgase noch viel stärker“, so der Leverkusener. Deswegen macht ihn der Abgas-Skandal rund um Volkswagen (VW) so wütend.
Als Konsequenz hat er Strafanzeige bei Generalstaatsanwältin Elisabeth Auchter-Mainz gegen VW gestellt. „Wegen der Herstellung und des Vertriebs der VW-Dieselmotoren erstatte ich Strafanzeige wegen gemeingefährlicher Vergiftung und gewerbsmäßigen Bandenbetrugs, Luftverunreinigung und schwerer Körperverletzung gegen die hierfür Verantwortlichen (Geschäftsführer, Vorstände und Kontrollorgane) der in Deutschland produzierenden und den deutschen Markt beliefernden VW-Dieselautomobilhersteller und Vertriebsfirmen“, heißt es in seiner Klageschrift. In Visier hat Mülleneisen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn, seinen Nachfolger Matthias Müller und weitere VW-Entscheidungsträger.
Auf Ursachen aufmerksam machen
„Ich kann doch als Arzt nicht nur reparieren, sondern muss auch auf die Ursachen aufmerksam machen“, sagt der Mediziner und verweist auf Fälle wie der einer 91-jährigen, die in diesem hohen Alter noch einen Heuschnupfen entwickelt habe. Außerdem berichtet er von einer Patientin mit nicht-allergischem Asthma, die an der Autobahn wohnt. „Früher haben wir in Leverkusen die Luftwerte an einem Friedhof genommen. Heute machen wir das an der Autobahn und reißen seitdem ständig die Latte der Obergrenzen“, sagt Mülleneisen.
Auf die Idee mit der Strafanzeige hat ihn eine Presseerklärung des Generalstaatsanwaltes von New York im vergangenen Jahr gebracht. „In der mündlichen Erklärung während der Pressekonferenz, die im Internet auf der offiziellen Seite des Generalstaatsanwaltes Eric Schneiderman einsehbar ist, spricht er von Betrug seit 2008 und bezieht sich dabei auf eine E-Mail des damaligen Leiters des Qualitätsmanagements von Volkswagen, Frank Tuch, der im Mai 2014 schon auf massiv erhöhten Stickoxidmessungen eingegangen sei“, schreibt der Arzt in seiner Anklage und bittet die deutsche Staatsanwaltschaft offiziell die Akten der US-amerikanischen Behörden anzufordern und für die Verfolgung der Strafanzeige auszuwerten.
Wissenschaftliche Studien beigefügt
Lesestoff dürften den Juristen aber jetzt schon nicht fehlen. Mülleneisen hat nämlich der Klage noch viele wissenschaftliche Studien beigefügt. Darüber hinaus bietet er an, als Zeuge unter Eid auszusagen und über eine zunehmende Zahl von Atemwegspatienten in Leverkusen zu berichten, die typische Leiden haben, die nicht auf Nikotin, sondern auf viel befahrene Straßen zurückzuführen sind.
Die Strafanzeige ist jedoch nur eine Handlung, der weitere folgen werden. Mülleneisen geht die Luft so schnell nicht aus. Die Planungen laufen schon.