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„Das ist eine Katastrophe“Leverkusener Apotheken geht Fiebersaft für Kinder aus

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Eine Apotheke in Wiesdorf.

Leverkusen – Leverkusener Apotheken und Kinderärzte schlagen Alarm. Grund dafür ist ein anhaltender Lieferengpass von fertigen Fieber- und Schmerzsäften. Vor allem für Kleinkinder, die keine Tabletten schlucken können, sind solche Säfte wichtig für die Behandlung von Fiebererkrankungen. Zu Lieferengpässen komme es bei Medikamenten immer mal wieder, ein solches Ausmaß sei dagegen jedoch ungewöhnlich.

Eine der Ursachen für den Mangel ist der Ausstieg des Pharmaunternehmens Sandoz aus der Produktion paracetamolhaltiger Säfte im Mai. Sandoz hatte seine Mittel ausschließlich in Deutschland verkauft, nun fehlen sie.

Das sagen Apotheker

„Ich bin seit 40 Jahren Apotheker, so etwas hat es noch nicht gegeben. Das ist eine Katastrophe“, schildert Klaus Schaefer von der Ahorn-Apotheke in Rheindorf die Situation. Täglich versuche er telefonisch, Nachschub zu bestellen, ohne Erfolg.

„Wir kriegen vielleicht mal eine Ladung, aber brauchen hunderte. So ungefähr müssen Sie sich das vorstellen.“ Die Lager in Deutschland seien schlicht leer. „Hier ist die Versorgung einer ganzen Gruppe von Menschen nicht gewährleistet. Die Lage ist ernst“, sagt der Apotheker.

„Bei Kindern ist im Grunde immer Fiebersaison“

Besonders problematisch sei, dass es sich um ein Medikament handelt, welches täglich benötigt werde. Mit Blick auf die Herbst- und Wintermonate werde die Nachfrage dann voraussichtlich sogar noch steigen. „Bei Kindern ist im Grunde immer Fiebersaison, aber im Winter wird der Bedarf noch höher sein“, erzählt Klaus Schaefer.

Auch bei Sabine Grygosch von der Pinguin-Apotheke in Schlebusch ist die Nachfrage nach Fiebersäften groß. Noch könne sie liefern: „Wir haben noch Restbestände und etwas Glück im Einkauf gehabt, sodass wir noch nicht selber anmischen müssen.“ Dies machen bereits einige Apotheken. Weil keine Fertigsäfte mehr bestellt werden können, stellen sie aus Ibuprofen-Tabletten selber solche Säfte her. Der Aufwand sei allerdings groß, die Kosten deutlich höher.

In der Pinguin-Apotheke in der Rathaus-Galerie bestehe das Problem „seit Monaten“. Es fehle an Medikamenten aus dem Arzneistoff Ibuprofen. Die Apotheke könne jedoch auf Ersatzprodukte, zum Beispiel aus dem Arzneimittel Paracetamol, zurückgreifen. Auch Zäpfchen seien eine Alternative.

Das sagen Ärzte

„Bei Kindern ab fünf Jahren sind auch halbierte Tabletten zumutbar. Darüber hinaus gibt es Paracetamol-Brausetabletten“, erklärt Kinderarzt Stephan von Landwüst. Seines Wissens nach können einige Apotheken weder Ibuprofen- noch Paracetamol-Säfte mehr herausgeben. „Lieferengpässe gab es auch schon bei Impfstoffen oder Allergiepräparaten, aber bei einem Basismedikament habe ich das in dieser Intensität auch noch nicht erlebt.“

Rund 20 Mal am Tag verschreibe er solche Säfte, die Dimension der Problematik ist folglich allein durch die Häufigkeit enorm. Dazu komme, dass er in diesem Sommer circa 25 Prozent mehr Infekte bei Kindern feststellen kann.

„Durch die Lockdownzeit ist unser Immunsystem etwas eingerostet“

Das sei mehr als üblich und könne auf die Corona-Pandemie zurück zu führen sein. „Durch die Lockdownzeit und das Tragen von Masken ist unser Immunsystem etwas eingerostet und geht mit solchen Infektionen dementsprechend anders um“, erklärt der Kinder- und Jugendmediziner.

Der Schlebuscher Kinderarzt Armin Stach hat von der benachbarten Apotheke erfahren, dass bestimmte Fiebersäfte nicht lieferbar seien. Er habe allerdings wenige fieberhaft erkrankte Kinder in Behandlung und verschreibe diese Medikamente nicht so häufig.

Auch der Kinder- und Jugendmediziner Peter Gelshäuser aus Opladen berichtet nur noch von Restbeständen des fertigen Ibuprofen-Fieber- und Schmerzsaftes. Auch manche Zäpfchen seien nicht lieferbar. Die angrenzende Apotheke müsse die Säfte bereits selber mit Tabletten anmischen.

„Die Rezeptur für einen vier prozentigen Fiebersaft herzustellen ist mit viel Aufwand verbunden“, sagt Gelshäuser. Noch halte sich die Dramatik der Lieferengpässe seiner Meinung nach zwar in Grenzen, im kommenden Herbst werde die Situation jedoch „mittel- oder langfristig ein Problem darstellen“.