VersiegelungWie Leverkusen immer weiter zubetoniert wird – und Freiraum schwindet
Leverkusen – Dass an der Idee vom ewigen Wachstum auf endlichem Raum ein Haken sein muss, schwant vielen. Das gilt auch für Städte. Unsere Recherche zeigt: Die Art und Weise, wie man in Leverkusen mit dem Land umgeht, ist nicht nachhaltig. Da ist man hier nicht besser als in anderen Städten. Aber Leverkusen hat ein besonderes Problem mit den Verkehrsflächen – auch jetzt schon, noch ohne die verbreiterten Autobahnen.
Der Vorrat an Boden, der Quadratmeter für Quadratmeter unter Häusern, Pflaster, Schotter oder Autobahnen verschwindet, ist endlich; die Diskussion um den Klimawandel und die zunehmende Hitze im Sommer in der Stadt haben den Blick auf Freiraum und Versiegelung noch einmal geschärft, denn sie hängen von einander ab.
Wie die Versiegelung fortschreitet
Eine interessante Quelle, um dies zu erhärten, ist der „Monitor der Siedlungs- und Freiraumentwicklung“ (IÖR-Monitor) des Dresdner Leibniz-Instituts für Ökologische Raumentwicklung. Er zeigt auf, wie Städte mit dem Land ihrer Bürger umgehen, wie der Freiraum abnimmt, die Versiegelung fortschreitet und wie die dem Verkehr zugeschlagene Fläche innerhalb der Kommunen wächst.
Der IÖR-Monitor baut auf Daten der Kataster- und Statistikämter auf. Er wertet öffentlich verfügbare Geodaten aus, vielfach stammen diese von Satelliten.
Es ist eine eigentlich unüberschaubar große Menge an Zahlen, die zur Verfügung stehen. Durch geeignete Berechnungen erhält man aber gesicherte Erkenntnisse in Sekunden, für die man früher wochenlang Statistiken hätte suchen und rechnen müssen, bis der Kopf qualmte.Die Algorithmen der Webseite zeigen automatisch Kurven und Diagramme für jeden Kreis und jede Stadt, die letztlich Aufschluss liefern über die Baupolitik und besonders die Flächenhaushaltspolitik.
2006 war ein Viertel der Oberfläche versiegelt
Lässt man sich die Werte des Bodenversiegelungsgrads der Leverkusener Stadtfläche anzeigen, ist quasi amtlich, was Umweltschützer schon seit langem beklagen: 2006 war ziemlich genau ein Viertel der Stadtoberfläche versiegelt, 2018 waren es vier Prozentpunkte (29 Prozent) mehr – innerhalb von nur zwölf Jahren. Nimmt man jetzt den Stift doch in die Hand und rechnet hoch, würde die Stadt in 220 Jahren vollkommen asphaltiert oder mit Schotter belegt sein – falls es bei der Zunahme seit 2006 bleibt. Das ist natürlich hypothetisch, denn in einer solchen Stadt könnte niemand leben.
Land außerhalb des Siedlungs- und Verkehrsraums nennen Geologen Freiraum, also Landwirtschaft, Wälder, Forste, Brachflächen und Wasseroberflächen. Dieses Land ist wichtig für Kaltluft im Sommer und die Bildung von Grundwasser.
Umgerechnet auf die Einwohnerzahl standen jedem Leverkusener im Jahr 2020 noch 215 Quadratmeter Freiraum zur Verfügung (2005: 229 Quadratmeter). In den vergangenen zehn Jahren wurde der Verlust des Freiraums aber gebremst; doch er wird vermutlich mit dem Ausbau der Autobahnen wieder ansteigen. Dass jeder Kölner rechnerisch nur 153 Quadratmeter Freiraum hat, ist wenig verwunderlich – die Stadt ist ja auch knappe 2000 Jahre älter als das junge Leverkusen.
468 Quadratmeter Freiraum in Bergisch Gladbach
Bergisch Gladbacher können sich freuen, denn rechnerisch stehen jedem Einwohner 468 Quadratmeter Freiraum gegenüber, was zeigt, dass es dort viele ländliche Gegenden gibt.
Derzeit sind knapp zehn Prozent der Leverkusener Stadtfläche mit Straßen, Wegen und Bahnstrecken bedeckt. (Köln: fast 13 Prozent). Betrachtet man allerdings die reine Straßenfläche ohne Bahnstrecken, also den Platz, der fürs Auto bereit liegt, ergibt sich das Bild der vielbeschworenen autogerechten Stadt. Laut dieser Statistik hat Leverkusen mit 8,7 Prozent Straßenanteil an der Gesamtfläche eine Führungsposition unter allen Städten, und zwar bundesweit. Sogar Berlin hat einen geringeren Straßen-Anteil an der Gesamtfläche als Leverkusen, Köln liegt noch dahinter.
Nur 13 Städte in Deutschland haben einen höheren Straßenanteil als die Chemiestadt: Einige im Ruhrgebiet, Essen, Herne, dann noch Stuttgart, Frankfurt/Main und einige in Bayern.
Spitzenreiter ist München mit über elf Prozent; ob es daran liegt, dass bisher immer ein Bayer Verkehrsminister war? Darüber sagt die Statistik nichts. Werden die Autobahn-Erweiterungspläne durchgezogen, blüht Leverkusen, dass die kleine Stadt ein echter Konkurrent um die Spitzenposition werden könnte.