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Palliativmedizin in LeverkusenBesser zu Hause sterben

Lesezeit 4 Minuten

Palliativmediziner Hinrich Haag besucht auch Patienten des Altenheims in der Ulrichstraße, die vom Palliativnetz begleitet werden, wenn sie sehr krank sind.

Leverkusen – Weinliebhaber werden sich durch die Geschichte bestätigt sehen. Der Opladener Palliativmediziner Hinrich Haag hatte einen Patientenbesuch bei einer Seniorin im Finalstadium. Um ihr die letzten Stunden etwas zu erleichtern, gab er den Pflegern den Rat, ihr tiefgefrorene Weißweinschorle auf die Zunge zulegen.

Das halte den Mund im Sterbeprozess feucht und da es immer eines ihrer Lieblingsgetränke gewesen sei, wecke es womöglich schöne Erinnerungen. Als Haag nach einiger Zeit wieder in das Seniorenheim kam und nach seiner Patientin fragte, wurde er auf den Balkon geführt. Dort saß sie mit einer Mitbewohnerin und trank Kaffee. Offenbar hatte der Wein, tiefgefroren in einem Gefäß für Fruchtzwerge, ihre Lebensgeister geweckt.

Wunderberichte

Solche Wunderberichte sind allerdings nicht der Alltag im Ambulanten Palliativzentrum (APZ) Leverkusen. Hier stehen spezialisierte Ärzte und Pflegekräfte Schwerstkranken rund um die Uhr zur Seite und leisten auch in Notfällen und Krisen eine optimale Versorgung zu Hause. Ziel ist es, ein selbstbestimmtes Leben in der Letzten Phase der Erkrankung zu ermöglichen. In Leverkusen haben Hinrich Haag und fünf weitere niedergelassene Ärzte dafür die Weichen bereits früh gestellt. 2003 schlossen sie mit einer führenden Leverkusener Betriebskrankenkasse den bundesweit ersten Vertrag für eine Integrierte Versorgung ab.

Ärzte, Fachärzte, Krankenhäuser, Vorsorge- und Reha-Kliniken und andere zur Versorgung der Versicherten berechtigte Leistungserbringer können in einem solchen Modell kooperieren und sorgen für den notwendigen Wissensaustausch.

Vor zehn Jahren gab es den Begriff der Palliativen Pflege (Palliative-Care) noch nicht. Auf freiwilliger Basis ermöglichten die sechs Leverkusener Ärzte eine 24-Stunden-Rufbereitschaft für Schwerstkranke, die zu Hause sterben wollten. Seit vergangenem Jahr sind die Kompetenzen im APZ gebündelt. Sieben Ärzte und rund 25 Pflegekräfte arbeiten im Team, und sichern die Versorgung der Leverkusener Bevölkerung zu Hause auch bei schwersten Erkrankungen. Im März 2012 wurde der Vertrag mit der kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein geschlossen.

Seite an Seite

Vom APZ aus wird der Kontakt zum Palliative-Care-Team hergestellt, in dem Ärzte und Pfleger Seite an Seite arbeiten. Alle erhalten regelmäßig Supervision und bilden sich fort. Träger ist das Regionale Gesundheitsnetz Leverkusen. Zu den Kooperationspartnern gehören Seelsorger und Psychotherapeuten und die Hospizvereine von Leverkusen, Leichlingen und Burscheid sowie Apotheken mit besonderem Versorgungsschwerpunkt für Schwerstkranke, Krankenhausabteilungen und Seniorenheime.

Versicherte haben Anspruch auf die Leistungen ohne Zuzahlung, wenn Schmerztherapie erforderlich ist. „Krankheit bedeutet auch Leiden“, sagt Haag. Ziel der Palliativmedizin sei es aber, die Symptome optimal unter Kontrolle zu haben. Mit einer Schmerztherapie leben die Patienten seiner Erfahrung nach etwas länger, als ohne.

Die Leistungen umfassen die Symptomkontrolle und Therapie zum Beispiel von Atemnot, Übelkeit und Angstzuständen. Das Team wird präventiv tätig, indem es unter anderem dafür sorgt, dass Medikamente gegen Luftnot auch samstagnachts zur Verfügung stehen. Angehörige sowie vertraute Personen werden beraten und begleitet. Die Begleitung ist immer kostenlos und ehrenamtlich.

Hinrich Haag geht davon aus, dass von jährlich 1800 Todesfällen in Leverkusen, in 160 Fällen eine spezielle Palliativversorgung erforderlich ist. Das Palliativ-Care-Team hat in einem ersten Jahr seines Bestehens 100 Menschen begleitet, davon sind 73 Prozent laut Haag zu Hause verstorben, die übrigen im Altenheim oder aber im Krankenhaus. Mindestens einmal am Tag besucht ein Mitglied aus dem Palliativ-Team den Patienten.

Schwierig oder gar unmöglich sei eine Versorgung zu Hause allerdings bei Singles oder in Fällen, in denen die Angehörigen mit der Situation überfordert sind. Es gibt Vereinbarungen mit den Krankenhäusern, dass das Palliative-Care-Team Patienten auf der Station abholt und übernimmt. Das APZ arbeitet mit der Palliativstation am Klinikum zusammen und mit dem evangelischen Altenheim an der Ulrichstraße, das seinen Schwerpunkt bei der Betreuung von Palliativpatienten gesetzt hat.

Das Ambulante Palliativzentrum Leverkusen ist Montag bis Donnerstag von 10 bis 17 Uhr und Freitag von 10 bis 14 Uhr unter 0214/404 999 19 oder der Mail-Adresse info@apz-lev.de zu erreichen.