Hat ein chinesischer Freundschaftsverein der Stadtbibliothek auch Propaganda untergejubelt? Es gibt Indizien.
Chinesische Lese-Ecke in StadtbibliothekAnti-Japan-Propaganda für Kinder in Leverkusen
Geschenke können praktisch sein, sie können gut ankommen – oder schlecht. Der Empfänger eines Geschenks kann ebenso beleidigt werden wie der, der schenkt. Geschenke können durchaus auch nicht uneigennützig, sondern mit Hintergedanken übergeben werden. Und es gibt Geschenke, die man ohne genaue Prüfung vielleicht besser nicht annimmt.
So ein Geschenk hat die Stadt Leverkusen 2020 bekommen. Damals erhielt die Stadtbücherei aus China einen Schwung Bücher und Kinderbücher. Als Spender ist an einem Regal der „Chinesische Übersee-Freundschaftsverein des Shanghai-Qingpu-Distrikt“ genannt.
Geschenk aus China: Seltsame Literatur
Sie liegen dort seit zwei Jahren. Schon nach zehn Minuten des Blätterns in den Comic-Bänden keimt der Verdacht, dass mit der Literatur auch chinesische Propaganda untergejubelt wurde. Auch eine Übersetzer-App bestätigt die Verdachtsmomente, ein chinesisch sprechender Deutscher bestätigt schließlich: Bildergeschichten in einem der Bücher handeln von einem kleinen chinesischen Jungen namens Sanmao, der zur chinesischen Armee eingezogen wird. Der Comic scheint ein Nachdruck eines alten Heftchens zu sein. Der kleine, arme Junge ist eine verlorene Seele, die durch das China der 1930er und 1940er Jahre irrt, sagt der Übersetzer.
Japaner sind die Feinde in vielen Geschichten. In oft blutigen Bilder-Reihen werden zum Beispiel Menschen gesprengt. In einem Comicstrip bekommt der Junge einen großen Orden, weil er mit einer Gewehrkugel gleich zwei Japaner erschossen hat. Japaner werden in dem Comic „Teufel“ genannt und sie werden zeichnerisch herabwürdigend dargestellt.
Damit nicht genug: Der kleine Junge, der ganz offenbar die Identifikationsfigur der jungen Leserschaft sein soll, schafft es als Henker, mit nur einer Kugel vier Reisdiebe hinzurichten. In einer anderen Geschichte weint das Kind, als ein Huhn geschlachtet wird, erschießt aber stolz einen Japaner.
Das Buch liegt in der Kinderecke, es wird Kindern angeboten, nicht Erwachsenen, die sich etwa mit Geschichte befassen.
Man habe die Bücher nach der Schenkung vor fast zwei Jahren durchgeblättert und grob angesehen, sagt Verena Mayer, die stellvertretende Leiterin der Bibliothek, die wir vor Ort antreffen. Die sprachlichen Möglichkeiten zur Kontrolle der chinesischen Literatur seien auf Smartphone-Apps beschränkt. Büchergeschenke bekomme man öfter, manche Leute brächten ausgelesene Bestseller, die man dann gerne übernehme.
Allerdings: Was in den Regalen mit den fremdsprachigen Büchern so alles in der Bibliothek angeboten wird, beispielsweise auf Russisch oder Türkisch, weiß mangels Sprachkenntnissen wohl niemand ganz genau. Unser Übersetzer, der für eine deutsche Firma mehrere Jahre in China verbracht hat, sagt, die Chinesen seien sehr gut organisiert, wenn es darum gehe, ihre Kultur zu verbreiten.
Mit Namensnennung möchte er „lieber nicht“ in der Zeitung stehen. Bei der Suche nach einem Übersetzer wurde uns von einer kündigen Person mitgeteilt, es sei schwer, geflüchtete Chinesen zu finden, die bereit seien, sich öffentlich kritisch über China zu äußern. Zu groß sei selbst im sicheren Deutschland die Angst, Probleme zu bekommen.
Das „Forum Wuxi“ vermittelte das Geschenk aus China
Vermittelt hatten die Schenkung Mitglieder des Leverkusener „Forum Wuxi“ Anfang 2020. Michael Baur steht dem Leverkusener Städtepartnerschaftsverein vor, der Leverkusener und Menschen aus der chinesischen Stadt Wuxi zusammenbringen will. Die Schenkung sei vom befreundeten chinesischen Partnerschaftsverein gekommen. Zuletzt sei es mit den Freundschafts-Aktivitäten wegen der Pandemie etwas schwierig geworden, das laufe aber im neuen Jahr wieder an. „Wir sind ein unpolitischer Verein“, sagt Baur. Dass das für die chinesischen Freunde aus Wuxi womöglich nicht gilt, kann man nur mutmaßen.