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Der Goldene LöweGesellschaftskritik im Wortwitz

Lesezeit 3 Minuten

Seilspringen und Gitarrenmusik: Auch das Posse-Brunner-Projekt um die Schlebuscherin Stefanie Posse (l.) wollte den Preis. Foto: Krieger

Leverkusen – Zum Klatschen war keine Zeit vorgesehen. Dafür waren die 15 Minuten, die den sieben Künstlergruppen bei der Show zur Verleihung des zweiten Leverkusener Kleinkunstpreises zustand, zu knapp bemessen. Wer am Freitagabend mit dem Goldenen Löwen und einem Preisgeld von 1.000 Euro heimkehren wollte, achtete also darauf, keine Minute zu verschwenden und das Publikum im Scala möglichst schnell auf seine Seite zu ziehen. Denn auch in diesem Jahr konnte das durch die Verteilung goldener Steinchen zumindest zu 50 Prozent dabei helfen, den Sieger zu ermitteln.

Die andere Hälfte der Stimmen vergab die fünfköpfige Jury bestehend aus Fabian Stiens und Nadine Mälzer vom Scala Club und Kino, Thomas Helferich von der Bayer-Kultur, die Schauspielerin Sema Wittgenstein sowie ein Publikumsvertreter. Die Teilnehmer waren von Moderator Mario El Toro bei Meisterschaften und größeren Veranstaltungen im Land entdeckt und dann eingeladen worden. Geboten wurden alle Sparten der Kleinkunst: Kabarett, Comedy, Poetry Slam, Liedermacherei

Es waren dieses Mal besonders gesellschaftspolitische Texte, die sich durchsetzten. „Schüler-Essen wird in Deutschland mit 19 Prozent besteuert, Tierfutter mit sieben Prozent — letztlich ist es jedoch das gleiche“, spöttelte etwa René Sydow.

Sarkastische Abrechnung

Zuvor schon hatte der Kabarettist gewarnt, dass sein Vortrag nicht lustig werde. Seine sarkastische Abrechnung mit dem Neoliberalismus und dessen Galionsfiguren wie dem „Pin-up-Girl des Sozialdarwinismus Heidi Klum“ wurde dieser Ansage letztlich zwar nicht ganz gerecht. Trotzdem ließ seine Darstellung der grotesken Realität die Zuschauer Beifall spenden, der schwarze Humor stieß bei den Besuchern ebenso wie bei der Jury auf Gefallen. Von beiden Seiten erhielt der Kabarettist die meisten Punkte und wurde so zum Sieger des „Goldenen Löwen“ erklärt.

Der Musikkabarettist Peter Fischer wiederum besang seine Liebe zu Annegret („Aber nicht Kramp-Karrenbauer!“) und spekulierte über Details der „Vater-Sohn-Beziehung des Sodom und Gomhorra“-Gottes und dessen gechilltem Hippie-Sohn Jesus“. Das ergab Platz zwei. Dritter wurde die Kölnerin Shari Litt, die liebevoll als „Mutter der Altherrenwitze“ vorgestellt wurde, das jedoch nicht unbedingt so empfand. Mit umgeschnallter Ukulele besang sie ironisch-leicht die gesellschaftliche Doppelmoral wie Beziehungen von reichen alten Männern und jungen dummen Frauen, oder dem Klischee, dass „der Mörder immer der Mann“ sei.

Für die übrigen Teilnehmer reichte es hingegen leider nur zum Applaus. Das Posse-Brunner-Projekt, das seinen ersten Auftritt vor vier Jahren im Wiesdorfer „Topos“ hatte und nun deutschlandweit als humoristisches Liedermacher-Ensemble tourt, hatte den Abend eröffnet: Mit dabei ist die Schlebuscherin Stefanie Posse, dei schon als Jugendliche damit begonnen hatte, Lieder zu schreiben. Doch erst im Zusammenspiel mit ihrem Kollegen habe sich ein eigener Stil herauskristallisiert.

Der gebürtige Leverkusener Torsten Schlosser versuchte derweil, assoziativ über Männergrippe und Katzen plaudernd das Publikum zum Lachen zu bringen. Der Karlsruher Slam Poet Stefan Unser beklagte das Siegen des Wollens über das Wünschen und kritisierte ebenfalls aktuelle Bildungsideale. Leyers und Wagner rundeten den Abend als Duo aus zynischem Geiger und optimistischem Gitarrist schließlich ab.

DIE KÜNSTLER SOLO

Die Soloprogramme der Kleinkunstpreis-Gewinner sind im Januar in Köln noch zu sehen: Shari Litt tritt am Mittwoch, 8. Januar, bei der Late-Night-Comedy im Wirtzhaus auf, Peter Fischer spielt von Mittwoch bis Freitag, 15. bis 17. Januar, im Klüngelpütz. Und René Sydow bringt am Donnerstag, 30. Januar, „Die Bürde des weisen Mannes“ im Bürgerhaus Stollwerck auf die Bühne. (age)