Weniger Leverkusener Erdbeeren„Komplette Aufgabe des Anbaus war der nächste Schritt“
Leverkusen/Leichlingen – Das Statistische Landesamt IT.NRW in Nordrhein-Westfalen hat gerade die niedrigste Erdbeerernte der letzten zehn Jahre gemeldet. 2022 wurden in NRW nur 25.817 Tonnen Erdbeeren produziert – 14,6 Prozent weniger als im Vorjahr. Auch auf Leverkusener Höfen ist der Trend zu beobachten.
Maßgeblich für den herben Rückgang seien reduzierte Anbauflächen, heißt es von IT.NRW. So betrug die Anbaufläche für Freilanderdbeeren in diesem Jahr 1795 Hektar. Gegenüber 2021 ist das ein Verlust von 13,3 Prozent, gegenüber 2012 beträgt das Minus gar 36,1 Prozent. „Die Erdbeer- und Spargelbetriebe haben mit den Anbaureduzierungen auf ein geringeres Kaufinteresse reagiert“, schreiben die Statistiker in ihrer Pressemitteilung.
Das Obstgut Weyerhof in Lützenkirchen hat in diesem Jahr gleich ganz auf den Anbau von Erdbeeren verzichtet. Mitarbeiterin Wiebke Klose begründete dies mit dem Mangel an Personal: „Erdbeeren sind eine große Arbeit, für die sich immer weniger Mitarbeiter finden lassen.“ Und wenn keine Mitarbeiter akquiriert werden könnten, lohne sich der Anbau nicht mehr. Auch die in der Vergangenheit häufig beschäftigten Gastarbeiter aus dem europäischen Ausland seien immer schwieriger einzustellen. Klose führt dies auf mangelndes Interesse an der körperlich schweren Arbeit zurück.
Auch Erdbeeren bekommen Sonnenbrand
Von Höfen in der Umgebung höre sie ähnliche Probleme. Aus diesem Grund hatte der Weyerhof bereits in den vergangenen Jahren schrittweise die Anbaufläche für Erdbeeren verkleinert, bevor die Saison 2022 gar nicht erst gestartet wurde.
Auch der Klimawandel spielt eine Rolle. Die Häufung von Hitzewellen im Sommer ist ein großes Problem für die Früchte. Denn auch Erdbeeren können Sonnenbrand bekommen. Diesem sind vor allem Sorten ausgesetzt, die weniger dichten Blattwuchs haben. Sind die Erdbeeren der Sonne zu lange ausgesetzt, verfärben sie sich weißlich.
„Aufgrund dessen war für uns die komplette Aufgabe des Erdbeeranbaus der nächste Schritt“, sagt Klose. Werden die roten Beeren in Zukunft wieder angebaut? Das würde sich dann zeigen.
Andere Probleme haben sich in dieser Erdbeersaison beim Steinbücheler Hof Jüch gezeigt. An dessen Anbaugebiet hatte Hofinhaber Marcus Vogel 2022 überhaupt nichts verändert. Doch Kundinnen und Kunden zeigten ein deutlich geringeres Interesse an Erdbeeren. „Wir haben die Erdbeeren wie immer angebaut und auch unsere Ernte war in diesem Jahr normal. Allerdings ist uns aufgefallen, dass wir weniger verkaufen“, berichtete Vogel.
Erdbeeren kommen seltener von Freiland-Feldern
Er führt das auf die geringere Kaufkraft und die damit verbundene Sparsamkeit zurück, die um sich greift. Mit der Pandemie, dem Krieg und den jetzt rasant steigenden Preisen achten immer mehr Leute auf ihren Geldbeutel. So konnte Vogel feststellen, dass das Interesse an Erdbeeren dem Preis folgt. Sind die Beeren günstiger, steige die Nachfrage. „Jetzt kommen wieder viele Erdbeeren aus den Treibhäusern auf dem Markt. Dann fallen die Preise und es wird mehr gekauft, aber immer noch nicht auf dem Niveau der vorigen Jahre“, so Vogel.
Und weil der Freilandanbau immer unberechenbarer wird, die Arbeitskräfte fehlen, ganze Anbauflächen aufgegeben werden, Hitzewellen für weiße, schlecht verkäufliche Erdbeeren sorgen, gibt es auch immer seltener Freiland-Erdbeeren. 70 Prozent der Erdbeeren in NRW stammen in diesem Jahr aus dem Freilandanbau, der Rest sind Kulturen, die komplett oder überwiegend unter festen oder beweglichen Gewächshäusern oder anderen begehbaren Schutzeinrichtungen angebaut werden.
Vor zehn Jahren stammten noch fast 92 Prozent der NRW-Erdbeeren aus dem Freilandanbau – 28.502 von insgesamt 31.156 geernteten Tonnen. Fünf Jahre später, 2017, war der Freiland-Anteil auf knapp 80 Prozent gesunken. Für weitere zehn Prozentpunkte Freiland-Verlust brauchte es nur vier Jahre bis 2021. 2022 stammen nach den vorläufigen Zahlen von IT.NRW noch 18.124 von 25.817 Tonnen von Freilandfeldern. Innerhalb von zehn Jahren ist die Erntemenge der geschützt angebauten Früchte von 2654 auf 7692 Tonnen gestiegen.
Klar ist dann auch, dass die günstigeren Erdbeeren nun immer häufiger für Preisschwankungen sorgen, wenn ihr Anteil am Markt steigt. Der genaue Verkaufspreis für Erdbeeren ändere sich wöchentlich, sagt Marcus Vogel vom Hof Jüch, sodass auf den ersten Blick kein eindeutiger Trend zu erkennen sei.
Obwohl Vogel 2022 weniger seiner Erdbeeren unters Volk bringen konnte, gibt er die Ernte nicht gänzlich verloren. „Wir sind noch in der glücklichen Lage, nicht übermäßig viele Früchte unterpflügen zu müssen. Bisher lassen wir sie einfach etwas länger an der Pflanze“, so Vogel. Er hofft auf einen Verkauf zu einem späteren Zeitpunkt. Für einen Rückblick auf die gesamte Saison, sagt Vogel, sei es noch zu früh.