Erntezeit auf dem Obstgut MorsbroichDer Gravensteiner ist 100 und braucht Krücken
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Leverkusen – Vor dem Laden des Obstgutes liegt eine dekorative Auswahl bunter Kürbisse. An der schattigen Wand hängt der Automat, aus dem man früher zu jeder Zeit frische Eier ziehen konnte. Merle Müller öffnet das große Tor zu dem Hof, auf dem sie mit ihrer Familie, Schwiegereltern, Kind und Kegel lebt und arbeitet. Hund und Katze haben sich in der Nachmittagshitze verzogen.
Die alten Kirschbäume und Birnbäume spenden Schatten neben den Scheunen. Weiter geht es vorbei am Walnussbaum, dessen Nüsse bald herunterfallen. Dann werden sie aufgesammelt und in der Sonne getrocknet. Merle Müller deutet auf die Aprikosen- und Pflaumenbäume, die weiter hinten stehen. „Die Aprikosen sind unter anderem eine Reaktion auf den Klimawandel“, erklärt sie den noch ziemlich neuen Anbau. In diesem Jahr hatten jedoch auch diese Früchte Probleme – sie können keinen späten Frost ab. Bis zu einer Höhe von zwei Metern erreichte der Bodenfrost das Obst, in den Baumspitzen fiel die Ernte knapp aus.
Die Hauptrolle im Familienbetrieb neben dem Schloss Morsbroich spielt jedoch der Apfel. Manche Bäume auf dem Obstgut sind an die 100 Jahre alt. Eine Mischung aus jungen und alten Bäumen ist gesund, die alten sind zudem durch ihre tiefe Verwurzelung weniger anfällig für die extreme Trockenheit. Letztere betrieb auch in diesem Jahr an vielen, gerade jüngeren Pflanzen Raubbau.
„Der »Discovery« hatte zum Beispiel zu wenig Wasser“, deutet Müller auf die kleinen Fruchtkörper, „den hat die große Hitze überrumpelt.“ Rund einen Monat früher begannen alle Früchte in diesem Jahr zu reifen, wegen des lauen Winters. Daher wird die Ernte auch schon gegen Ende September beendet sein.
Jede Sorte hat eine eigene Baumreihe, dazwischen liegen eigens gesäte Bienenweiden. Auch diese sind trocken und müssen daher jedes Jahr neu ausgesät werden. Es duftet nach Most und ist sengend heiß auf der Wiese. In der Mitte der Plantage residiert einer der ältesten Bäume, ein „Gravensteiner“. Seine Äste mussten gestützt werden, damit sich die Baummutter nach der besonders schweren Tracht erholen kann.
In der Hitze wird nicht gepflückt, auch, weil das für die Früchte nicht gut ist. Daher sind die Müllers schon frühmorgens unterwegs. Gerade ist die „Rubinette“ dran, eine sonnig-süße „Cox“-Mischung. Alle Sorten werden passend nacheinander reif. Die Äpfel werden einzeln nach oben hin abgeknickt; wenn der Stiel dranbleibt, sind sie länger lagerungsfähig. Man müsse sie vorsichtig behandeln, wie ein rohes Ei, kommentiert Müller. Dann kommen die kleinen, knackigen Wunder in Zehn-Kilo-Kisten, in denen sie im Kühlraum gelagert und im eigenen Hofladen verkauft werden.
Sonnenbrand
Merle Müller und ihr Mann Rolf, der mit einem kleinen Ernte-Trecker angetuckert kommt, zeigen einen Apfel mit einer schwarzen Stelle: Sonnenbrand. „Manchmal sieht man auch nur eine leichte orangene, flächige Verfärbung“, erklärt Merle. „Das erkennt man mit ungeübtem Auge nicht, bedeutet aber, dass der Apfel schneller schlecht wird.“ Auch Wespen werden zu Schädlingen, denn sie suchen sich nicht nur das Fallobst aus.
Das Obstgut ist eine der wenigen Flächen in Leverkusen, die, seit 95 Jahren, noch möglichst naturnah bewirtschaftet werden. In den Apfelbäumen auf der anderen Seite der Brücke nisten Graureiher – „manchmal stehen dann zehn, fünfzehn Reiher hier auf der Wiese. Die fangen die Mäuse“, erzählt Merle Müller.
Wegen Befalls gerodete Bäume liegen als Totholz neben einer Baumreihe und dienen als Insektenhotel. Mit einem Mulchgerät wird das Fallobst in natürlichen Dünger verwandelt. Die nahe Straße sei für Obst größtenteils kein Problem, es lagere bei weitem nicht so viele Schadstoffe an wie Gemüse es täte. Es gibt keine regelmäßige künstliche Bewässerung und fast keine Pflanzenschutzmittel. „Der Baum muss hier noch richtig arbeiten“, erklärt Merle Müller. Wahrscheinlich schmecken die Äpfel vom Schloss deshalb so besonders gut.