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FindlingDer Leverkusener Teufelsstein im Bürgerbusch kann Erdgeschichte erzählen

Lesezeit 4 Minuten

Dem Teufelsstein im Bürgerbusch ist eine lokale Sehenswürdigkeit, der auch schon magische Kräfte nachgesagt wurden.

Leverkusen – Wenn man es einmal ganz unwissenschaftlich ausdrücken will, dann hat der Leverkusener Teufelsstein aus dem Bürgerbusch einen kleinen Bruder. Vor ein paar Jahren fiel einem Wanderer die frappierende Ähnlichkeit des Leverkusener Naturdenkmals mit dem Findling auf, der an der höchsten Kölner Erhebung als Gipfelstein vom „Monte Troodelöh“ im Königsforst steht.

Gefunden wurde der im Wald bei Rösrath-Forsbach. Weil er so besonders war, verschleppten ihn die Forstbeamten ein paar hundert Meter zu der Stelle im Wald, um den Monte Troodelöh zu markieren.

Bisher nur lokal bekannt

Die beiden bisher nur lokal bekannten Steine sind nun zwei Bausteine oder gar zwei Beweise für eine neue These des Bremer Professors Dr. Dieter Ortlam geworden. Jedenfalls spielen sie in dessen neuester Publikation eine wichtige Rolle.

Zwei Brüder in Stein

Monte Troodelöh mit dem komischen Namen ist der höchste Berg Kölns. Der Name der 118,04 Meter hoch gelegenen Stelle im Königsforst setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der Nachnamen von drei „Erstbesteigern“ zusammen. Sie heißen Troost, Dedden und Löhmer, drei Mitarbeiter der Kölner Verwaltung.

Die Drei hatten den Punkt an der Stadtgrenze zu Bergisch Gladbach 1999 zuerst markiert und durften den „Berg“ somit benennen. Kurz darauf stellte die Forstverwaltung den Quarzit auf den Gipfel, den sie zuvor in einer Waldparzelle im Forsbacher Teil des Königsforsts gefunden haben.

Der Teufelsstein liegt im Bürgerbusch neben dem Hauptweg am Fuß einer alten Eiche. Man erreicht ihn am schnellsten von der Straße Blankenburg aus. (rar)

Beide Quarzit-Brocken stammen nämlich nicht aus unserer Gegend. Eine riesige Inlandeisfläche transportierte sie einst im Schneckentempo höchstwahrscheinlich aus dem südlichen Schweden ins heutige Rheinland, vielleicht auch aus den Highlands in Schottland. So unglaublich das klingt, aber nur dort findet sich der besondere Quarzstein aus dem sie bestehen, der Fachbegriff ist Scolitus-Quarzit.

Der Gipfelstein des Monte Troodelöh im Königsforst.

Ein Gletscher schafft die Entfernung von 700 bis 1000 Kilometer locker in wenigen tausend Jahren. Man muss sich das so vorstellen: Ein gewaltiger, über 4000 Meter dicker Eispanzer brach die harten Quarzbrocken in Schweden oder Schottland aus dem Fels heraus und transportierte sie quer durch Norddeutschland, bis das Eis schmolz und die Steine im Leverkusener und Forsbacher Morast als Fremdlingsgestein ihre vorläufige Ruhe fanden. Es bildeten sich so genannte Grundmoränen, sie bestehen aus Material, das das Eis transportiert hat.

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Während der Reise wurden die scharfen Kanten der Findlinge abgeschliffen, das kann man besonders am Monte Troodelöh fühlen und sehen. Die Steine sind 600 Millionen Jahre alt und härter als Fensterglas. Beide haben eine charakteristische Besonderheit, eine seltsame Struktur, sie sind wie gelöchert. Diese Löcher sind versteinerte Wohnröhren, die Urzeit-Würmer im noch weichen Sediment gegraben haben.

Zurück zu Dieter Ortlam: Der Wissenschaftler reist kreuz und quer durchs Land und sucht Findlinge auf, er besieht sich Wackelsteine und Gletscherschrammen, vermisst Rinnen und betreibt Geröll- und Geschiebeanalysen, die Rückschlüsse auf ehemals sehr dicke Gletscher in Mitteleuropa geben. Der Bremer Professor untersuchte die beiden Steine und mit ihnen noch an die 100 weitere Beweise, die aus anderen Gegenden stammen. „Erratika“ nennen Geologen solche Findlinge, wie den Teufelsstein.

Der Forsbacher Zwillingsstein

Die lange Beweisliste, in der der Teufelsstein und der etwa halb so schwere Forsbacher Zwillingsstein je ein kleines Kapitel bekommen haben, trägt den Titel „Subglaziale Faziesanzeiger für Eisbedeckungen in Mitteleuropa und der Welt“. Das Fazit darin: Entgegen der bisher üblichen Meinung geht der Professor nach Auflistung seiner vielen Funde von einer vollständigen Eisbedeckung Mitteleuropas von Skandinavien bis südlich der Alpen während einer der letzten großen Kaltzeiten aus, die man die „Elster-Kaltzeit“ (zwischen 750 000 und 450 000 Jahre) nennt.

Das klingt gar nicht so aufregend, wenn diese Tatsache nicht Folgen für die europäische Menschheitsgeschichte hätte: Denn bis heute kann niemand ohne technische Hilfsmittel auf einem geschlossenen Inlandeis leben, also erst recht nicht zu der Zeit, als unser Teufelsstein und der vom Kölner Monte Troodelöh gemächlich im dicken Eis übers Land glitten.

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Die ersten Frühmenschen (Homo Heidelbergensis, ein Vorfahre des Neandertalers) konnten laut der neuen These also frühestens um 450.000 bis 430.000 Jahren in Mitteleuropa gelebt haben, als das Eis zu Beginn der folgenden Holstein-Warmzeit wieder schmolz. In der Fachwelt nahm man bisher an, dass der Frühmensch schon vor 600.000 Jahren hier lebte.

Aber – das ist Stoff für wissenschaftliche Dispute. Eins weiß man sicher: Den „Heidelbergensis“ gab es in Afrika schon viel früher. Von da aus kam er nach Europa. In unserer Gegend, weiß der Professor, gibt es weitere unzählige Beweise für seine These, viele finden sich in der Wahner Heide.

Der harte Brocken Teufelsstein, dem auch schon mal magische Kräfte nachgesagt wurden, der sogar schon mal für die vielen Unfälle vor dem Kreuz auf der nahen Autobahn verantwortlich gemacht wurde, hat also eine spannende Geschichte, die mehr mit unserer gemeinsam hat als geahnt.

dr-ortlam.de