„Wollen Sie mich umbringen?“Leben ohne Maske ist ein täglicher Spießrutenlauf
Leverkusen – Mörderin. Idiotin. Corona-Leugnerin. Wenn Miriam F. (Name geändert) auf die Straße geht, hört sie diese Beschimpfungen, immer wieder. Denn die Leverkusenerin ist ohne Maske unterwegs. Sie leidet an zwei schweren Formen von Migräne. Die eine Variante ruft bei einem Anfall Lähmungserscheinungen im Gesicht bis in den Brustbereich hervor. Bei der zweiten – zum Glück selteneren Variante – geht der Hirnstamm zu, ähnlich einem Schlaganfall. Und beide werden durch das Masketragen ausgelöst. „Ich bin zuerst gar nicht auf die Idee gekommen, dass die häufigeren Anfälle mit der Maske zu tun haben könnten“, berichtet F.
Alle Varianten ausprobiert
Bis in den Juni habe sie, wie alle, den Mund-Nase-Schutz getragen. Erst als sie anfing, Tagebuch über die Anfälle und äußeren Umstände zu schreiben, fiel der Zusammenhang auf. „Ich habe in Zusammenarbeit mit den Ärzten alles ausprobiert“, sagt die 57-Jährige. Eine teure Seidenmaske brachte keinen Erfolg, ein Gesichtsschild sogar das Gegenteil. „Ich habe kein Problem mit der Atmung, sondern ich vertrage einfach nichts am Kopf, ich laufe auch im tiefsten Winter ohne Mütze oder Schal rum“, sagt die Leverkusenerin. Also attestierte ihr Arzt ihr schließlich eine Befreiung von der Maskenpflicht aus medizinischen Gründen. So erlaubt es die aktuelle Corona-Schutzverordnung.
„Dann bleiben Sie zu Hause“
Doch das Schreiben schützt sie nicht vor feindseligen Blicken und offenen Beleidigungen auf der Straße. „Ich gehe nur noch hin, wo ich wirklich hin muss“, sagt die 57-Jährige. Bummeln durch die Fußgängerzone hat sie längst gestrichen, einkaufen geht sie nur noch in ausgewählten Supermärkten: „Dort kennen mich die Mitarbeiter mittlerweile.“ Nicht aber die Kunden. F. versteht deren Ängste, sie fürchtet das Virus ja selbst, ist keine Corona-Leugnerin, wie es ihr oft unterstellt wird. Deswegen dauert ihr Einkauf in diesen Zeiten auch deutlich länger: „Ich warte an Engstellen immer, damit ich niemandem zu nah komme.“ Und jedem, der sie freundlich fragt, warum sie keine Maske trägt, gibt sie eine freundliche Antwort. „Manchmal entwickeln sich dadurch sogar nette Gespräche.“ Oft aber stößt sie auf Unverständnis. „Das gibt es doch nicht, das ist Einbildung.“ „Keiner trägt gerne Maske, aber da müssen wir jetzt alle durch.“ „Wenn Sie so krank sind, dann bleiben Sie zu Hause.“
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Das bislang schlimmste Erlebnis hatte F. bei einem Bäcker, der seinen Mitarbeiterinnen die Anweisung gegeben hatte, Kunden ohne Maske nicht zu bedienen. Während sich die Kolleginnen noch berieten, was nun zu tun sei, brach unter den Wartenden ein Tumult aus. „Der Chef erklärte mir später in einem Telefonat, dass er die gesetzlichen Regelungen kenne, aber er unter Umständen Kunden verliere, wenn er Kunden ohne Mund-Nasen-Schutz bedienen ließe. Er könne es halt nicht jedem Recht machen“, erzählt die 57-Jährige. Ihre Bitte, am Eingang darauf hinzuweisen, dass Menschen ohne Maske nicht bedient werden, habe der Bäcker abgelehnt. „Dabei würde das dem Personal und dem betroffenen Kunden unangenehme Situationen ersparen“.
Zu Randzeiten zum Hintereingang
Am meisten traf sie das abschließende Angebot des Bäckers, sie könne ja zu Randzeiten zum Hintereingang kommen. „Dann würde ich seine Kunden nicht stören.“ Das sei eine Art der Diskriminierung, die sie sich nicht gefallen lassen möchte und auch für gefährlich hält: „Was passiert denn, wenn der erste Kunde sagt, dass er sich gestört führt, wenn Menschen mit Kopftuch bedient werden?“