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Grabstelle in ManfortSchon einmal erschütterte eine tödliche Explosion Leverkusen

Lesezeit 4 Minuten
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An die Toten einer Explosion in den Farbenfabriken erinnert dieses Grab in Manfort. 

Leverkusen – Die Explosion am 27.Juli 2021 im Entsorgungszentrum Bürrig mit sieben Toten und 31 Verletzten ist längst noch nicht aufgearbeitet, die Staatsanwaltschaft ermittelt noch. Zwei Gedenkstätten hat Currenta angekündigt.

Eine, auf der die Kollegen namentlich erwähnt werden sollen, soll im Entsorgungszentrum aufgestellt werden. Allerdings hinter dem Werkszaun, damit nicht jeder die Namen lesen kann, zum Schutz der Persönlichkeit, wie ein Currenta-Sprecher sagte. Die Rede ist von sieben Kuben – jeder soll für einen Menschen stehen, der bei der Katastrophe vor einem Jahr sein Leben gelassen hat. Sitzgelegenheiten sollen dort zum stillen Gedenken und zur Erinnerung an die Kollegen einladen.

Am 10. September 2021 hatte es eine Trauerfeier auf dem Flugplatz Kurtekotten gegeben, die nur in sozialen Netzwerken angekündigt wurde. Der Livestream ist heute nicht mehr verfügbar, auf „ausdrücklichen Wunsch von Angehörigen“, sagt ein Currenta-Sprecher. Zum Jahrestag 2022 gibt es keine öffentliche Einladung zur Anteilnahme.

Namenlose Opfer

In dieser Woche ließ Currenta eine Gedenkstele vor ihrer Firmenzentrale an der Kaiser-Wilhelm-Allee aufstellen. Sie sei provisorisch, schreibt ein Sprecher, sie ist noch verhüllt. Auf dem Platz vor der Zentrale wurde am Dienstag zusätzlich eine Tribüne aufgebaut. Am Jahrestag soll an allen drei Currenta-Standorten zum Gedenken um 9.37 Uhr eine Minute Ruhe herrschen.

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Die verhüllte Gedenkstele vor der Currenta-Konzernzentrale. 

In der Traueranzeige, die Currenta nach dem Unglück geschaltet hatte, blieben die Toten namenlos.

Dass Gedenken früher, besonders zu Kriegszeiten, anders ging, zeigt ein Grabmal auf dem Friedhof Manfort: Dort erinnert eine Säule mit einem künstlerisch gestalteten Bronzerelief an eine Explosion vor über 100 Jahren im Bayerwerk, bei der acht Menschen ums Leben gekommen sind. Die Explosion ist darauf durch einen Blitz dargestellt. Das Unglück geschah am eiskalten Vormittag des 27. Januar 1917, am Geburtstag von Kaiser Wilhelm.

Generaldirektor Carl Duisberg weilte in Berlin im Hotel Adlon, als er von der Explosion hörte. Ihn soll fast der Schlag getroffen haben, als es hieß: Ganz Leverkusen sei vom Erdboden verschwunden, wobei man damals unter Leverkusen ausschließlich seine Fabrik verstand, nicht die Dörfer drumherum. Die Erstmeldung, die Duisberg so geschockt hatte, war allerdings übertrieben.

Einstieg in die TNT-Produktion

Die Farbenfabriken waren im Ersten Weltkrieg mit in die Sprengstoff-Herstellung eingestiegen. „Aus Sorge ums Vaterland getrieben“, obschon man eine Friedensfabrik gewesen sei, wie Duisberg damals selbst in einem Brief geschrieben hat.

In einem Brief an Staatsminister Eugen von Knilling beschreibt Duisberg die Explosion: „In einem fast 1000 Meter vom Verwaltungsgebäude, dem Fabrikkasino und vor allem auch meiner Wohnung entfernt, auf freiem Felde gelegenen Erstarrungsraum für Trinitrotoluol (Sprengstoff TNT, d. Red), der erst vor acht Wochen in Betrieb genommen und mit allen Sicherheitsmaßnahmen versehen war, ist Feuer ausgebrochen und nach etwa sechs Minuten das gesamte darin befindliche TNT, ca. 60.000 ko. detoniert und in die Luft geflogen.“

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Das alte Bayerwerk: Die Explosion ist auf dem Bronzerelief durch einen Blitz symbolisiert. 

Die Betriebsstätte sei selbstverständlich spurlos verschwunden, schreibt Duisberg. Stattdessen gebe es dort vier Trichter im Boden, jeder zehn Meter tief. Etwas weiter unten: In unmittelbarer Umgebung hätten sich zwar 600 Arbeiter aufgehalten, die meisten aber habe man warnen können, so dass „nur vier Menschen“ getötet wurden, weil viele gewarnt werden konnten, „weiter entfernt davon vier weitere.“

Von Umweltschäden ist in den vorliegenden Berichten keine Rede, aber die Detonation an dem Samstagvormittag habe auf 30 Kilometer hin furchtbare Wirkungen ausgeübt. Intakte Fenster gab es im weiten Umkreis nicht, auch Türen flogen raus, mehr als 300 Menschen wurden verletzt. Darunter auch aus Duisbergs privatem Umfeld, denn die Villa stand ungefähr da, wo heute die Konzernzentrale steht. Duisberg schreibt, er habe geheult, als er das alles gesehen habe.

Verhängnisvolle Verstopfung

Den Überlieferungen nach scheint die Verstopfung eines Leitungskrümmers wegen der Kälte ursächlich gewesen zu sein. Im Feuerwehrbericht steht: „Im Trinitrotoluol-Erstarrungsraum entstand vermutlich dadurch ein kleiner Brand, dass der Aufseher Werner mit einem Draht versuchte, eine verstopfte Abfüll-Leitung freizumachen. Hierbei entstand ein kleiner Brand, dem zwei kleinere Explosionen und … später eine große Explosion folgte.“ Der Aufseher Carl Werner kam auch ums Leben; er liegt mit vier Kollegen in der Manforter Grabstätte.

Die Beerdigung wenige Tage später damals war eine öffentliche Angelegenheit. Das amtliche Kreisblatt „Opladener Zeitung“ schreibt von der überaus großen Zahl der Anwesenden – trotz grimmiger Kälte. Fünf der Toten liegen in dem Grab in Manfort, ein Wachmann kam auf den Ehrenfriedhof. Den Särgen folgte der Trauerzug mit Musikkapelle, einer ganzen Militär-Kompanie, der Krieger- und Gesangverein, Angehörige, Militär- und Zivilbehörden auch aus Köln, mehrere Bayer-Direktoren.

Es liest sich, als sei eine ganze Stadt auf den Beinen gewesen, schließlich war fast jeder durch die Wucht der Explosion betroffen. Bei der Trauerrede brachte Direktor Friedrich Quincke den Dank des Vaterlandes und der Farbenfabriken zum Ausdruck und die Verdienste jedes Einzelnen mit ehrenden Worten hervor, heißt es in den Akten. Das Militär ließ zwei Flugzeuge kreisen. Es waren Kriegszeiten.